Einloggen / Registrieren

Startseite

Schlagzeilen
Messen & Termine
Themen
Wir für Euch
Heftarchiv
Sonstiges

Milchpreis Maisaussaat Ackerboden Rapspreis

Aus dem Heft

Der Magier

Lesezeit: 7 Minuten

Heute Zürich, morgen Wien, in wenigen Tagen Hamburg: Jakob Lipp ist Zauberer. Er reist viel, liebt die große Bühne und das Scheinwerferlicht. Dennoch – ohne die Erdung auf dem eigenen Hof bei München kann er nicht sein.


Das Wichtigste aus Agrarwirtschaft und -politik montags und donnerstags per Mail!

Mit Eintragung zum Newsletter stimme ich der Nutzung meiner E-Mail-Adresse im Rahmen des gewählten Newsletters und zugehörigen Angeboten gemäß der AGBs und den Datenschutzhinweisen zu.

Greifen Sie zu einem Buch, egal, welcher Titel. Nehmen Sie einfach eines aus dem Regal. Schlagen Sie es auf... Stop! Bitte merken Sie sich das erste Wort, das oben links auf der Seite steht. Gut – nun schauen Sie mich an. (Einige Sekunden Stille.) Das Wort beginnt mit K. K wie Kommissar.“


Tatsache! Jakob Lipp liegt richtig. Genau richtig. Genial richtig. Ich hatte wahllos einen Krimi aus dem Regal gezogen. Das erste Wort der zufällig aufgeschlagenen Seite 81 lautete „Kommissar“.


Es folgen weitere, verblüffende Szenen mit Spielkarten und vierstelligen Zahlenreihen. Jakob Lipp errät oder erspürt sofort, dass ich den Pik-König ziehe und „2510“ – nicht „7339“ oder „5713“– meine favorisierte Zahl ist.


Ich staune und grinse. Schüttle den Kopf und bin irgendwie auch verwirrt. Wie kann das alles sein? Woher weiß der Mann, was ich denke? Völlig unbewusst entspanne ich mich – die Verblüfftheit entrückt mich aus der Wirklichkeit. Beinahe vergesse ich meine Aufgabe, mit dem Bauernsohn und Künstler ein ernsthaftes, ordentliches Interview zu führen. „Jetzt strahlen Sie. Das wollte ich erreichen“, sagt Magier Lipp amüsiert.


Bei Kaffee, Brötchen, Bio-Käse und schönster Sonne frühstücken wir inmitten einer oberbayerischen Bilderbuchlandschaft. Vom Flughafen in München waren es nur 50 Minuten Fahrzeit bis zum Lipp’schen Anwesen auf einer Bergkuppe. Angekommen in Rechtmehring, Brandmeier 3, begeistert mich die Natürlichkeit. Eine Laufente bemuttert ihr Junges, in den Hochbeeten wuchert es üppig, lange Margeriten und Gräser umrahmen das historische Wohngebäude auf der Südwestseite. Auf der Seite also, die Jakob Lipp und seine Ehefrau, die Journalistin Franziska Lipp, bewohnen. Der Wohnbereich der Senioren an der Nordseite erscheint geordneter, etwas typischer oberbayerisch. Hier schmücken rote Geranien die Fenster.


Im Schatten des Sonnenschirmes der Südwest-Terrasse erzählt Jakob Lipp von Kindheit und Jugend. Er beschreibt sich selbst dabei als „Einzelgänger“, auch als „Exot“. Als Mensch mit eher „schrägen“ Ansichten. Berufliche Entscheidungen habe er stets ohne die Zu- oder Abstimmung mit den Eltern oder beiden Schwestern gefällt. „Vater, morgen geh’ ich nach Landsberg. Das Studium beginnt“, zitiert er sich selbst.


Jakob Lipp durchläuft zunächst eine klassische landwirtschaftliche Lehre und das Agrar-Studium, arbeitet dann ein Jahr lang als Berater für eine große Saatgutfirma nahe Landshut. Als deren Inhaber tragisch verunglückt, verharrt der junge Mann nicht lange in Unsicherheit.


Neustart beim Radio:

Kurzerhand bewirbt er sich bei einem Sender in Rosenheim. Dort sucht man Werbe-Fachleute. Vorkenntnisse im Rundfunk und Marketing fehlen, doch Jakob Lipp setzt sich gegenüber 36 Konkurrenten durch. „Ich hatte keine Ahnung. Aber es war die Zeit für etwas Neues“, sagt er. So startet der damals 25-Jährige neu durch, setzt sich nach Feierabend in die S-Bahn nach München und drückt wieder die Schulbank: Abendstudium Marketingkommunikation.


Der elterliche Betrieb bleibt in diesen Jahren sein Lebens- und Kraftort. Die Hoffnungen und Erwartungen der Generationen allerdings unterscheiden sich.


Hof im Nebenerwerb:

„Meine Eltern sahen trotz aller Widersprüche den Hofnachfolger in mir. Ich wusste: Das geht nicht gut, wir sind zu klein“, sagt der 46-Jährige. Heute führt er den Betrieb im Nebenerwerb. Die Kühe sind lange verkauft, die Flächen größtenteils verpachtet. Geblieben sind je zwei bis vier Hektar Roggen, Erbsen, Lupinen und Blühflächen.


Doch zurück zum jungen Jakob Lipp: Während seine Kumpel frei machen, tourt er an den Wochenenden mit der Gala-Band „Allrounds“ durch die Lande. Das Team verantwortet die Auftritte der damaligen Stars: Nicki, Nicole, Wolfgang Fiereck. Jakob Lipp ist Techniker, sorgt für Licht und den richtigen Sound. Er erlebt unmittelbar, wie die Bühne einen Menschen groß macht.


Eines Abends bezirzt ein Alleinunterhalter das Publikum mit Zaubertricks. Seine Kniffe sind gut, die Aufmerksamkeit liegt extrem hoch. Am Ende regnet es Beifall. „Mein Wendepunkt! Mein Aha-Effekt!“, erklärt Jakob Lipp. „Ich dachte nur noch: Was der kann, das kann ich auch. Das trau ich mir zu.“


Über fünf Jahre fährt Jakob Lipp erneut zweigleisig: Im Hauptberuf ist er Radiomarketing-Profi, in jeder freien Minute Zauberlehrling. Viele Handgriffe und Fertigkeiten bringt er sich selbst bei. Zudem besucht er die deutsche ZauberAkademie in Pullach, südlich von München. „Dort habe ich die Grundlagen gelernt. Das Beste aber: Sie haben mir gnadenlos vor Augen geführt, wo meine Stärken und wo meine Schwächen liegen. Dieses Feedback war Gold wert“, resümiert er. Abrupt kündigt Jakob Lipp 2005 beim Radio und macht sich selbstständig.


Mehr Hintergrund zu der übergroßen Frage, wie ein Bauernsohn zum zaubernden Künstler mutiert, lässt er sich nicht entlocken. Berufsgeheimnis! Stattdessen präsentiert er stolz den kleinen Koffer mit Repertoire, den er für seine Show am Abend in Zürich gepackt hat. Was fehlt sind weiße Tauben und Kaninchen. Bunte Tücher, Schachteln und Zauberstäbe.


Jakob Lipp erklärt: „Ich bin leise. Ich habe kein polterndes, rustikales Auftreten. Auch zersäge ich keine Jungfrauen. Ich arbeite mit dem Geist. Und mit den Augen.“


Tja, irgendwie glaube ich das sofort. Noch immer ist unklar, wie der „Magier“ und „Mentalist“ – so die von Jakob Lipp selbst bevorzugte Berufsbezeichnung – das Wort „Kommissar“ in meinen Gedanken lesen konnte.


Zielstrebig nach oben:

Längst ist er heute Mitglied des „Magischen Zirkels“, der internationalen Vereinigung von Zauberern, hat Auszeichnungen der Akademie in Pullach erhalten und gehört der erlesenen Gruppe der sogenannten „Top-Entertainer“ an. Sein Publikum zählt 60, 200 oder gelegentlich nur sieben Gäste – je nachdem, ob es sich um eine private Geburtstagsfeier, ein Firmenjubiläum oder eine mit Zauberstücken gespickte Moderation handelt. Escada, Daimler, Siemens: Ihre Mitarbeiter und vor allem Manager kennen Jakob Lipp. Vielfach steht der Künstler auch für Banken und Konzerne in Österreich und der Schweiz auf der Bühne. Zudem coacht er Pharma-Referenten in Rhetorik, Körpersprache und Vortragstechniken.


Wann ist Jakob Lipp glücklich? „Jetzt! Also heute“, kommt die Antwort blitzschnell. „Ich manage mich selbst, kann Menschen beeindrucken, habe Spaß, bekomme Applaus. (kurze Pause, tiefes Atemholen) Diese Anerkennung hätte ich hier auf dem Hof nie erreicht.“


Doch warum ist er als erfolgreicher Magier dann immer noch Bauer? „Weil ich es so will“, sagt er fest entschlossen. „Ich brauche diese Erdung. Den Gegensatz.“


Während wir die Blühflächen am Hof, Naturschutz-Wiesen und das Roggenfeld mit doppeltem Lerchenfenster besichtigen, wird des Magiers Leidenschaft deutlich: „Hier hat‘s Heuschrecken und Seggen, also Sauergräser. Wussten Sie, dass es über hundert Seggen-Arten gibt? Hier steht Rehwild drin, dort blüht der Wiesenknopf für die Schmetterlinge. Und die wilden Nelken...“, sprudelt es aus ihm heraus. „Mit dieser Vielfalt gebe ich der Natur etwas zurück.“


Mir fällt auf: Hier auf dem Feld istJakob Lipp Landwirt. Kein Magier. Auf der Bühne zaubert er sich in die Gedankenwelt der Gäste. Ganz Magier. Dazwischen gibt es nicht viel. Schwarz oder weiß. Bauer oder Bühnenheld. Die Gegensätzlichkeit macht ihn aus.


Doch bitte – wie war das jetzt mit dem Kommissar? Der Meister: „So funktioniert die Zauberkunst. Im besten Falle ist sie unerklärlich! Denken Sie nicht mehr drüber nach.“ Reingard Bröcker

Die Redaktion empfiehlt

top + Top informiert in die Maisaussaat starten

Alle wichtigen Infos & Ratgeber zur Maisaussaat 2024, exklusive Beiträge, Videos & Hintergrundinformationen

Wie zufrieden sind Sie mit topagrar.com?

Was können wir noch verbessern?

Weitere Informationen zur Verarbeitung Ihrer Daten finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.

Vielen Dank für Ihr Feedback!

Wir arbeiten stetig daran, Ihre Erfahrung mit topagrar.com zu verbessern. Dazu ist Ihre Meinung für uns unverzichtbar.