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Die Kinder machenwas anderes

Lesezeit: 5 Minuten

Und wer macht später den Hof? Wir trafen Paare, deren Kinder den elterlichen Betrieb nicht übernehmen. Mit welchen Gefühlen stehen diese Eltern morgens auf?


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Ich kann mich auf den Kopf stellen, das hilft alles nix. Mein Sohn hat andere Gaben“, sagt ein Landwirt Anfang 60. Er spricht langsam und ruhig. Lehnt sich im Stuhl zurück und lächelt sanft. „Ich habe es jetzt verstanden.“


Ein etwas impulsiverer Charakter ruft: „Meine Kinder wollen den Hof nicht. Was soll’s? Ich hab’ trotzdem aufgestockt und richtig Gas gegeben. Das Milchvieh kann sich sehen lassen. Und jetzt such’ ich einen Käufer. Das machen andere Unternehmer doch auch so!“


Die beiden Statements sind Zwischenstand bzw. Ergebnis einer langen Reihe von Fragen und Zweifeln. Landwirtinnen und Landwirte können sie haben, wenn sich mit der Ausbildungszeit der eigenen Kinder herausstellt: Die Kids wollen Technik, Sport, Musik, Kunst. „Bock auf’s Bauer-Sein“ und die Hofnachfolge verspüren sie nicht. Warum auch?


ELTERN ALLEIN ZUHAUS


Klar, es liegt nahe, dass Bauernkinder aufgrund ihrer recht abenteuerreichen Kindheit das Hofleben lieben. Sie können draußen toben, Baumhäuser bauen, Kaninchen züchten, bei Mama, Papa und Opa auf dem Trecker mitfahren und als Teenager erste Werkstatt- oder Garagenpartys feiern. Ihre Freunde aus dem städtischen Umfeld kennen diese Privilegien höchstwahrscheinlich nicht.


Und dennoch: „Ich werd’ Bauer, ich übernehm’ den Hof!“ – das ist die Überzeugung einzelner, nicht aber zwingend aller Sprösslinge vom Hof. Denn eigentlich existiert sie nicht – diese vermeintliche Selbstverständlichkeit, die man auf manchen großen Traditionsbetrieben findet: Sohn oder Tochter, passioniert oder nicht, einer muss den Hof machen! Weil es immer so war.


In den meisten Familien dürfen Kinder ihren Talenten und Neigungen heute frei folgen. Gott sei Dank! Verlassen dann – aus den unterschiedlichsten Gründen – tatsächlich alle Söhne und/oder Töchter das Elternhaus, klopft bei den Senioren die Stille, ggf. auch die Ratlosigkeit und Enttäuschung an.


Die Kinder kommen zurück, zu Ostern, Mutters Geburtstag und Heiligabend. Sie kommen kurz, zur Stippvisite oder auch mal zum kräftigen Ernteeinsatz. Doch sie kommen nicht, um zu bleiben. Genau diese Situation – gut oder schwer, prekär oder harmonisch – möchten wir hier genauer beleuchten.


Im Zuge der Recherche trafen wir dazu drei Landwirtspaare auf ihren Höfen, mit vielen weiteren Bäuerinnen und Bauern telefonierten wir.


REDEN, reden, Reden


Das Fazit der Gespräche ist schlicht: Bleiben die Familien im Gespräch, reden sie viel und häufig miteinander, ggf. sogar in offiziell festgesetzten Familienkonferenzen, finden die Senioren für ihre Zukunft Klarheit. Sie haben Lust und Schwung, Perspektiven zu entwickeln.


Ist eine Familie aber durchs Schweigen gelähmt, dominieren Missverständnisse und Groll. Die Unklarheit lastet dann schwer und überschattet in vielen Fällen auch die Paarbeziehung der Senioren. So erzählt eine Landwirtsfrau: „An manchen Tagen steht Hans am Fenster, wie versteinert. Er schaut auf den Stall und die neue Biogasanlage und schweigt. Presst die Lippen fest aufeinander. Schon von der Ferne macht mich das bitter und traurig. Ich bin froh, dass es auch diese anderen Tage gibt, an denen er redet. Denn dann lässt er mich wenigstens an seinen Gedanken teilhaben. Oft fragt er mich dann: Hab’ ich was falsch gemacht, dass sich die Kinder nicht interessieren“


Dass es sich immer lohnt, mutig eine Konversation anzuschieben, zeigt auch das folgende Beispiel: „Wir haben Max jetzt ganz direkt gefragt. Mein Mann hatte immer noch gehofft, dass er nach Hause kommt. Er fürchtete sich vor Max’ Antwort. Jetzt wissen wir, dass unser Sohn in der Stadt bleibt.“


Außerdem sprechen viele Eltern, vor allem Mütter, so sehr sie sich vielleicht insgeheim einen klassischen Hofnachfolger wünschen, von Fairness und Toleranz. „Ich liebe diesen Hof und unsere Art zu leben. Doch ich kann nicht erwarten, dass meine Kinder genauso fühlen und sich für dieses Leben entscheiden“, sagt Ute Schoepe aus Waldbröl, Nordrhein-Westfalen (Seite 140).


Den Fachfrauen und -männern der ländlichen Familienberatung und der Sorgentelefone ist der Themenkomplex ‚ungeklärte Hofübergabe‘ sehr vertraut. Viele Institutionen bieten Einzelberatungen und Seminare dazu an.


Wert mit konsequenzen


Angelika Sigel vom Evangelischen Bauernwerk Hohebuch bei Schwäbisch Hall sagt: „Früher war die Hofnachfolge ohne eigene Kinder nicht nur ein organisatorisches Ding. Viele schämten sich. Das geht heute glücklicherweise zurück. Die Altbauern sind offener, wir finden gute Ansätze.“


Maike Aselmeier, Landwirtin und Psychologin aus Freiburg, coacht viele Familien in Süddeutschland. Sie kennt den Satz: „Und das ist jetzt der Dank für all unsere Unterstützung“ Aselmaier rät: „Ja, liebe Eltern, nehmen Sie dieses ‚Dilemma‘ an. Sie haben Ihre Kinder freiheitlich erzogen. Es war Ihr Wert und Ihr Maßstab für ein gutes Großwerden der Kinder. Jetzt stehen Sie bitte zu diesem Wert und den Konsequenzen.“


Welche verschiedenen Alternativen, verglichen zur klassischen Übergabe, möglich sind, lesen Sie auf den kommenden drei Seiten. Dabei kommt auch die außerfamiliäre Hofübergabe ins Spiel, d.h. die Weitergabe an externe Dritte. Immer mehr Höfen verhilft sie zu neuen Perspektiven und Bewirtschaftungsformen.


Grundsätzlich gilt: Jede Familie braucht Zeit und Behutsamkeit, um ihren individuellen Weg zu finden. Es geht um das Lebenswerk der Eltern (und Vorfahren) und meist um sehr starke Gefühle. „Fünf bis sieben Jahre braucht ein gute Übergabe“, sagt Landwirt Manfred Nafziger, Rheinland-Pfalz, aus eigener Erfahrung (Seite 142). „Manche Paare wollen ihren Hof irgendwann einfach nur noch ‚abwickeln‘, ganz abrupt. Aber das geht nicht, das holt die Familie früher oder später – und zwar sehr schmerzlich – wieder ein.“ ▶


reingard.broecker@topagrar.com

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