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„Du bist mir wichtig“

Lesezeit: 5 Minuten

Eine Familienaufstellung macht familiäre Zusammenhänge sichtbar. Wir haben an einem Workshop mit Landwirten teilgenommen.


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Wir treffen uns auf dem Hof Schlamann in Lengerich bei Osnabrück, einem schönen Münsterland-Hof mit weitem Blick in die Landschaft. Scheunen und Stallgebäude haben Birgit und Eckart Schlamann zu Seminarräumen für ihr Beratungsunternehmen umgestaltet. Diese wirken hell und offen, dabei wurde der Stallcharakter in vielen Details erhalten. „Der Hof soll einen geschützten Rahmen geben, um Ideen zu entwickeln und Zukunft zu gestalten“, beschreibt Eckart Schlamann seine Vision.


Ein passender Ort, um sich dem Thema Familienaufstellung zu widmen. Elf Menschen aus dem Bereich der Landwirtschaft sind zusammengekommen, um von außen einen Blick auf das Strukturgeflecht ihrer Familie zu werfen. Das Seminar leitet Birgit Sparenberg, studierte Agraringenieurin, die sich zur energetischen Mediatorin weitergebildet hat. Sie wirkt bodenständig, fröhlich und warmherzig.


Wir sitzen im Stuhlkreis, ein Flipchart begrüßt uns mit der Botschaft „Landwirtschaft trifft Familienaufstellung“. Einem Biogas-Landwirt mit Geflügelhaltung ist die Skepsis anzusehen. Eckart Schlamann dagegen freut sich: „Noch vor 20 Jahren hätten viele Berufskollegen das als Spökenkiekerei abgetan. Toll, dass die Methode jetzt auch in der Landwirtschaft ausprobiert wird.“


„Das bleibt in der Familie“


Mit dem Vorwurf der „Unwissenschaftlichkeit“ oder „Geisterbeschwörung“ hat die Familienaufstellung schon lange zu kämpfen, auch weil immer wieder unseriöse Aufstellungen von problematischen Akteuren durchgeführt wurden. Inzwischen ist man sich in der Psychologie und systemischen Therapie weitgehend einig: Kompetent umgesetzt, sind Familienaufstellungen gut geeignet, um die Familienbeziehungen, in denen man sich tagtäglich bewegt, sichtbar zu machen und zu begreifen. Besonders nachhaltig sind sie, wenn sie im Rahmen einer begleitenden Therapie oder eines Coachings stattfinden.


Ein weiterer Punkt: Familienaufstellungen zeigen Erfahrungen, Glaubenssätze und Traumata der Vor-Generationen auf, die im Familiensystem weitergegeben wurden und auch noch die Enkelgenerationen beeinflussen. „Gerade in landwirtschaftlichen Betrieben mit langer Tradition und engem Zusammenleben haben sich oft problematische Muster eingeschlichen“, bestätigt Birgit Sparenberg. Vieles werde leichter, wenn klar wird, welche erlernten Verhaltensweisen weitergegeben werden und blockieren. Erst dann könne man sie verändern, erklärt Birgit Sparenberg. Eine deutsche Studie bestätigt dies: Das Wohlbefinden verbessert sich nach einer Aufstellung üblicherweise nachhaltig. Dieser Effekt sei noch Monate später messbar.


DEn richtigen Platz Finden


Die Aufstellung beginnt. Drei Landwirtinnen und Landwirte stellen heute ihre Familien auf. Nach und nach nehmen wir unsere Rollen als Stellvertreter ein. Wen oder was wir darstellen, wissen wir nicht. Das erfahren wir erst am Ende der Aufstellung. Der Vorteil bei solch einer freien Aufstellung: Wer nicht weiß, wen er spielt, kann die Person auch nicht mit eigenen Vorstellungen oder Vorurteilen aufladen.


Ob sie per Videokonferenz Holzfiguren aufstellt oder dies live und in Farbe mit echten Personen macht, ist Birgit Sparenberg fast egal. „Mit beiden Formen der Aufstellung kann man viel sichtbar machen“, sagt sie.


Nun bin ich an der Reihe. Birgit Sparenberg fragt, ob ich eine Rolle übernehmen möchte. Etwas unsicher stehe ich auf und versuche, die Position im Raum zu finden, auf der ich mich wohl fühle. Dabei bin ich auf mein Gefühl angewiesen: Zu wem empfinde ich Nähe? Wo spüre ich Distanz? Kann ich meinen Gefühlen trauen? Ich stelle mich zu einer einzelnen Person, die in der Ecke des Raumes steht. Während wir dort stehen, beschreiben wir einander, was wir fühlen.


Opa, Vater, Sohn


Durch geschicktes Nachfragen von Birgit Sparenberg verändern wir immer wieder unsere Position. Am Ende ist dieses Bild entstanden: Drei Personen stehen in einer Reihe, umarmen sich, blicken einander wohlwollend an.


Die Mediatorin lässt sie folgende Sätze sagen: „Ich mag Dich und ich schätze Deine Arbeit. Du bist mir wichtig, auch wenn ich Dir das nicht immer zeigen kann.“ Der Landwirt, dessen Familie wir dort nachstellen, ist emotional sichtlich berührt. Birgit Sparenberg löst auf: Die drei Personen, die dort stehen, sind der junge Landwirt selbst, sein Vater und dessen Vater. Ihre Beziehung ist von Missverständnissen geprägt, weil sie kein Rüstzeug mitbekommen haben, ihre Zuneigung auszudrücken. „Wie Du geredet hast, das klang wie bei meinem Vater. Irre“, sagt der Landwirt später zu einer Teilnehmerin.


Was erst einmal klingt wie Hokuspokus anmutet, wurde durch die Wissenschaft empirisch überprüft: Dieselbe Familienkonstellation wurde mehrfach durch unterschiedliche Personen aufgestellt. Die Ergebnisse ähnelten sich stark.


Birgit Sparenberg erstaunt das nicht. „Ich wundere mich nicht mehr. Familienaufstellungen funktionieren, auch wenn es schwer ist, sie bis ins letzte Detail zu erklären“, sagt sie. Diese pragmatische Einstellung wird auch bei ihren Aufstellungen deutlich. Bei den zum Teil tragischen Familiengeschichten legt sie den Fokus auf die Lösung, verliert sich nicht in der Schwere der Geschichte. Am Ende lässt sie den Landwirt die Position seines Stellvertreters einnehmen. Er hört die Worte, die sein Vater ihm noch nie gesagt hat. Später wirkt er gelöst.


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