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Familie – Liebe, Halt und Hofalltag

Lesezeit: 9 Minuten

Die Familie: Oft ist sie unverzichtbare Stütze im Alltag, manchmal nervt sie auch.Wie prägt sie unsere Persönlichkeit? Welche Rolle spielt das Umfeld Bauernhof?


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Was bedeutet Familie“, haben wir viele Landwirtinnen und Landwirte gefragt. „Familie ist das Wichtigste!“, „eine tolle Truppe“, „Menschen, die mich auffangen, wenn es mir schlecht geht“, lauteten ihre Antworten. Gerade zur Weihnachtszeit zeigt sich, welch hohen Stellenwert die Familie einnimmt. Man kommt zusammen und genießt die vertraute Gesellschaft.


Fachleute sind sich einig: Die Familie ist nicht nur eine tragende Stütze, sie hat auch großen Einfluss auf unsere Persönlichkeit, unsere Entwicklung, unseren Lebensweg und unsere Werte.


Schon bevor wir uns erinnern können, sind die Eltern da. Sie schaffen das Familienklima. Im Idealfall ist es freundlich, humorvoll, warmherzig. In der Realität stören Alltagsstress und Sorgen diese Harmonie. Streit und Genervtsein gehören zum Familienalltag dazu, sie sind sogar wichtig, sagen Fachleute (siehe Interview, Seite 161). Doch die meisten Familien sind bemüht, Konflikte schnell beizulegen.


Das familiäre Klima hängt jedoch auch stark mit der Vergangenheit der Eltern zusammen, mit ihren Erlebnissen und ihren Erfahrungen. Sie prägen den Umgang mit den Kindern – und welche Werte die Eltern weitergeben.


Wie groß genau der Einfluss unseres Elternhauses auf unser späteres Leben ist, können Forscher nur schwer beziffern. Zu komplex sind die zahlreichen Einflüsse auf die Persönlichkeit. Zudem steht das Umfeld immer in Wechselwirkung zu der Persönlichkeit, auf die es trifft. Denn diese ist zu einem erheblichen Teil genetisch festgelegt. Wie beeinflussbar ist eine Person? Welches Umfeld tut ihr gut, welches schadet ihr? All das schlägt bei der kindlichen Prägung zu Buche.


Dennoch herrscht weitgehend Einigkeit darüber, wie ein förderndes Umfeld aussieht, in dem Kinder zu stabilen, verantwortungsbewussten und zufriedenen Erwachsenen heranwachsen.


FEste Wurzeln Dank Hof


Unsere Expertinnen, die Familientherapeutinnen mit bäuerlichem Hintergrund Hildegard Brändle aus Baden-Württemberg und Helga Rolfes aus Niedersachsen, sehen den Hof als nahezu ideales Umfeld zum Heranwachsen an. Der bäuerliche Alltag bietet viele feste Rituale und verlässliche Bezugspersonen mit der Fähigkeit, auf die Kinder einzugehen. Die Zuversicht der Eltern, dass die Kinder ihren Weg schon gehen werden, ist zudem oftmals groß. Das sind genau die Faktoren, die Fachleuten zufolge eine „gute Kindheit“ ausmachen.


RitualE und RoutineN


Feste Rituale in der Kindheit sind demnach ein wichtiges Fundament. „Sie können Menschen Halt bis ins Erwachsenenleben hinein geben“, bestätigt Hildgard Brändle.


Ob es das warme Mittagessen ist, das jeden Tag auf dem Tisch steht, der stets gedeckte Frühstückstisch, bevor ein Kind zur Schule aufbricht oder so etwas Banales wie das allabendliche Zähneputzen: Sie strukturieren den Alltag und vermitteln Verlässlichkeit, Stabilität und Werte. Das Gleiche gilt für die Vorlesezeit, die Spielerunde mit den Eltern oder den Feldrundgang am Sonnabend.


Nicht selten behält man Traditionen ein ganzes Leben lang bei. Sie gewinnen sogar noch an Bedeutung, je älter ein Mensch wird. „Ich bereite unser Essen inzwischen genauso sorgfältig zu wie früher meine Mutter. Das wird für mich mit den Jahren immer wichtiger“, sagt eine 62-jährige Bäuerin. ▶


Der Hofalltag ist logischerweise reicher an Ritualen, Routinen und gemeinsamen Tätigkeiten als der Alltag in einem Haushalt, den beide Elternteile erst am Abend nach getaner Arbeit aufsuchen. Das bedingt schon die tägliche Routine aus Stall- und Hofarbeit, um die alles andere herum organisiert wird.


Der Dank kommt später


Oftmals wissen gerade ältere Kinder und Jugendliche solche festen Tagesabläufe und Forderungen ihrer Eltern nicht zu schätzen. Mitunter reagieren sie genervt oder bockig darauf. Ob sie nun das Kochen erlernen sollen, jeden Tag in großer Runde Mittag essen oder tägliche Aufgaben auf dem Hof erfüllen müssen – der Sinn leuchtet ihnen oft nicht unmittelbar ein. Erst mit einer gewissen Reife und etwas Abstand zum Geschehenen erkennen sie den Wert solcher „Zwänge“. Dennoch sollten Eltern im Alltag überlegen, ob sie die Aufgabenverteilung auch flexibel handhaben können, wenn der Familienfrieden ernsthaft Schaden zu nehmen droht.


Mama, Papa, Oma, Opa


Zugegeben: Das Zusammenleben der Generationen bietet viel Zündstoff. Auf so manchem Hof ist es überschattet von Konflikten. Doch in puncto „verlässliche Bezugspersonen“ hat der Bauernhof viel zu bieten. Wenn die Eltern mal keine Zeit haben, können viele Kinder ganz selbstverständlich zu ihren Großeltern gehen. Oma und Opa können für ihre Enkel oftmals mehr Zeit, Ruhe und Geduld erübrigen als die Eltern im täglichen Arbeitsstress. In Familien mit mehreren Kindern sind es zudem häufig die Senioren, bei denen Kinder auch mal für eine gewisse Zeit einzeln im Mittelpunkt stehen dürfen. Und: Sie bieten Kindern den Zugang zu Lebenserfahrung und Gelassenheit, den die Eltern (noch) nicht bieten können.


Die Großeltern sind dabei häufig dankbar für den Kontakt. „Durch die Enkel bekommt man eine zweite Chance, ein Kind ins Leben zu begleiten“, sagt Helga Rolfes. Sofern die Eltern sie lassen, bekommen die Kinder also die Möglichkeit, zu weiteren Erwachsenen eine starke Bindung aufzubauen. „Das vergrößert ihr generelles Vertrauen in Beziehungen. Zudem bietet sich eine Alternative, wenn es mit den Eltern mal schwierig ist“, sagt Helga Rolfes.


„Du kannst das!“


Zuversicht und Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten können Kinder auf dem Hof spielend erlernen. Dieses Prinzip macht sich auch die Bauernhofpädagogik zunuzte: „Die Selbstwirksamkeit, die ein Hofkind in seiner Umwelt erlebt, ist einzigartig“, bestätigt Bauernhofpädagogin Christine Hamester-Koch. Ob ein Kind nun mithilft, die Tiere zu versorgen, beim Kochen assistiert oder eine Bude baut: All das bestärkt es darin, dass es etwas kann. Neben motorischen und handwerklichen Fähigkeiten steigern diese Aufgaben auch das Selbstvertrauen.


Doch auch die Eltern beeinflussen den Glauben ihrer Kinder an sich selbst: „Wenn Kinder spüren, dass man ihnen etwas zutraut, wagen sie später selbst viel“, sagt Hildegard Brändle. Ob der 7-Jährige allein mit dem Fahrrad zur Schule fährt oder die Abiturientin zum Studium in eine weit entfernte Stadt zieht: Beides stärkt die Persönlichkeit.


Kompetente ERwachsene


Noch eine andere wichtige Eigenschaft nehmen Bauernkinder nebenbei mit: „Das zu tun, was zu tun ist“, ist die Therapeutin überzeugt. Sie würden von Kindesbeinen an ihre Eltern bei der Arbeit erleben. Sähen, was Verantwortung bedeutet und dass erst dann Feierabend sei, wenn alle Tiere versorgt und alle Arbeiten verrichtet seien.


Zudem erführen sie beim Aufwachsen einen natürlichen Rhythmus von Arbeitsspitzen und Ruhephasen, den die Jahreszeiten vorgeben. Das mache viele zu belastbaren, zupackenden Erwachsenen und beliebten Angestellten, hat Brändle beobachtet. Nicht umsonst erklimme der Nachwuchs von den Höfen häufig Führungspositionen. „Da kann man draufpacken. Diese Menschen sind stark und belastbar“, erklärt Brändle weiter.


Die Schattenseite: Der Grad zwischen Engagement und Überlastung ist schmal. Menschen, die im Alltag einen hohen Leistungsdruck verspüren, sind anfällig für ein Burn-out. „Überlastung ist für viele von uns doch der Normalzustand“, sagt eine 55-jährige Bäuerin flapsig.


Das vererbte Trauma


So optimal die äußeren Bedingungen in der Theorie auch sein mögen. Sie sind natürlich nicht von Hof zu Hof identisch. Sie hängen daneben auch stark von den Erfahrungen und Prinzipien der Eltern und Großeltern ab. Diese sind auf den Höfen allerdings häufig ähnlich, bestätigen Experten. Sie spiegeln sich in Leitsätzen wider. „Wer feiern kann, kann auch arbeiten“, oder „Es gibt nichts Gutes, außer man tut es“, dürften Mottos sein, die viele Landwirte aus dem Elternhaus kennen.


Doch nicht nur Erfahrungen und Werte machen ein Elternteil aus. Auch der Stress und die Erschöpfung, die es im Alltag mit sich herumträgt, beeinflussen den Umgang mit den Kindern. Zudem sind die Erwachsenen auch nur die Kinder ihrer Eltern – mit einer ganz eigenen Prägung. Sie bringen, ob anerzogen oder angeboren, auch Eigenschaften mit, die nicht zum Vorbild taugen.


Daneben haben nicht wenige Menschen in der Vergangenheit belastende oder sogar traumatische Erfahrungen gemacht. Sie prägen ihr Verhältnis zur Welt und zu den eigenen Kindern unbewusst, aber dennoch erheblich – und indirekt auch die Kinder selbst.


Wissenschaftler gehen inzwischen davon aus, dass selbst traumatische Erlebnisse der Großeltern Einfluss auf das Verhalten ihrer Nachkommen bis in die Enkelgeneration haben können. Als einprägsames Beispiel werden häufig Kriegstraumata aus dem zweiten Weltkrieg angeführt. Sie haben viele Kinder dieser Zeit so nachhaltig geprägt, dass ihre Erfahrungen sowohl ihre Kinder als auch deren Kinder im Verhalten noch heute beeinträchtigen können.


Familienaufstellungen, ein Werkzeug der sytemischen Therapie, können helfen, sich über solche Verstrickungen klar zu werden. Sie können auch die eigene Position innerhalb der Familie und daraus entstehende Konflikte sichtbar machen. Das kann helfen, die Zukunft losgelöst vom schwiergen Teil des familiären Erbes selbstbestimmt zu gestalten (siehe top agrar 8/2020, S. 140 „Das bleibt in der Familie“).


„wo stehe ich“


Besonders schwer haben es Kinder und Erwachsene in Patchworkfamilien, ihre Position in der Familie zu finden. „Zusammengeflickte“ Familienkonstellationen haben auf den Höfen längst Einzug gehalten. Sie verkomplizieren das Zusammenleben – zum einen durch das Konfliktpotenzial zwischen den neuen Familienmitgliedern, zum anderen durch die Verletzungen, die die Beteiligten mitbringen. Das macht es allen schwer, ihren Platz im Gefüge zu finden. Das Ringen um Harmonie ist häufig ein andauernder Kraftakt, der zu Unzufriedenheit und Frust führt.


Helga Rolfes ist sich sicher: „Es ist die Aufgabe der Ex-Partner, sich einerseits als Paar sauber zu trennen und andererseits ein verlässliches Elternteil für die Kinder zu bleiben.“ Nicht umsonst böten heute viele Paartherapeuten auch Trennungs-Beratung an. Rolfes hält sie für essenziell. Dann könne eine Patchworkfamilie eine echte Bereicherung sein. „Eine zweite Chance für ein tragfähiges Familienleben zu bekommen – das kann sehr inspirierend wirken.“


Identität und Stütze


In welcher Konstellation man sich also unter dem Weihnachtsbaum versammelt: Ob klassisch, in der Großfamilie oder bunt zusammengewürfelt – die Familie, vor allem die Herkunftsfamilie, prägt den Menschen entscheidend. Sie ist ihm oft, gerade in schwierigen Lebenslagen, eine wichtige Stütze. Gut, sich daran zu erinnern, wenn der alljährliche Weihnachts-Overkill droht. Oder, um es mit den Worten der 23-jährigen Hoferbin Wiebke zu sagen: „Die Familie muss einen auch dann ertragen, wenn man wieder total nervtötend ist.“ Das gilt allerdings auch umgekehrt. ▶


kathrin.hingst@topagrar.com

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