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Füreinander da sein

Lesezeit: 8 Minuten

Gesten und Gefühle sind manchmal wichtiger als Worte. Wer emotional ist, kommt leichter und erfolgreicher durchs Leben. Warum das so ist, erklärt Dr. Silvia Riehl.


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Kennen Sie das? Sie schauen zu, wie jemand einen Apfel schält, mit dem Messer abrutscht und zucken zusammen, rufen vielleicht sogar „autsch“! Wir sind fähig, Schmerzen vorauszuahnen und nachzuempfinden. Sicher sind Sie auch mit der Aufforderung, Kummer zu unterdrücken, vertraut: “Stell’ dich nicht so an!“, „Sei doch nicht so emotional“, rät dann manchmal der Gesprächspartner. Empathie ist eine automatische Reaktion, sehr oft läuft sie aber unterbewusst ab.


Gemeint ist die Fähigkeit und Bereitschaft, Empfindungen, Gedanken und Emotionen anderer Personen zu erkennen und nachzuvollziehen. Die beste Übersetzung dafür ist wohl Mitgefühl oder Einfühlsamkeit.


Damit einher geht die Bereitschaft, auf Grundlage dieser Gefühle zu reagieren und mit einem anderen Menschen mitzuschwingen. Das gilt für negative wie positive Emotionen. Wer erinnert sich nicht an das „Sommermärchen“, die Fußball-WM in Deutschland. Sehr viele hatten ein gemeinsames Gefühl der Leichtigkeit und des Mitfreuens. Genauso können negative Gefühle, wie die Eifersucht vom Partner oder die ständigen Anfeindungen gegenüber der Landwirtschaft, Gefühle zum Beben bringen. In traurigen Situationen können wir mit anderen mitfühlen. Es kann tröstender sein, mit jemandem zu weinen, als viele Worte zu verschwenden, ohne die Gefühle nachzuvollziehen.


Schon Kinder sind empathisch:

Das Verhalten ist als eine Art Reflex angeboren. Kinder zeigen das noch sehr deutlich. Oft lachen sie mit, wenn jemand lacht oder schauen nach einem Sturz erst, wie die Eltern reagieren, bevor sie anfangen zu weinen.


Im Laufe unseres Lebens geschieht aber vieles, das uns dieses Verhalten abgewöhnt, mit durchaus negativen Folgen. Wer nur mitfühlt, aber nicht weiter nach dieser Empfindung handelt, hört mit der Zeit ganz unterbewusst auf, die Stimmungen anderer Menschen wahrzunehmen. Voraussetzung für gefühlvolles Handeln ist Achtsamkeit. Zunächst mit uns selbst, dann mit anderen. Im stressigen Alltag bleibt das oft auf der Strecke.


Empathie macht gesund:

Doch Empathie ist lebensnotwendig – für mich und mein Gegenüber. Es gibt in jüngster Zeit immer mehr Untersuchungen, die zeigen, dass ein einfühlsames Miteinander die Immunabwehr stärkt. Interleukine, die Botenstoffe des Immunsystems, sind in größerer Menge im Körper vorhanden, wenn man sich anderen nahe fühlt. Die Widerstandskraft gegenüber Erkältungen steigt und selbst manifeste körperliche und psychische Erkrankungen kann ein einfühlsamer Arzt erfolgreicher behandeln.


Wer im Alter einsam ist und niemanden hat, mit dem er seine Empfindungen teilen kann, hat eine niedrigere Lebenserwartung. Auch Kinder, die in emotionaler Kälte und Bindungslosigkeit aufwachsen, zeigen häufiger chronische Erkrankungen. Wer kein emotionales Gegenüber hat, verkümmert.


„Der Mensch wird am Du zum Ich“, hat der österreichische Philosoph Martin Buber gesagt. Erst durch soziale Bindungen können wir eine eigene Persönlichkeit entwickeln. Die ist wiederum fähig zur Empathie, zur sozialen Schwingungsfähigkeit. Und wir brauchen nicht nur diese Bindungen, sondern auch den Körperkontakt. Wer kennt nicht die angenehme Wirkung einer Hand, die uns auf den Arm gelegt wird: „Oh, dir geht es wohl heute wirklich schlecht“ Viel mehr Worte braucht es nicht, um dem anderen deutlich zu machen: „Ich empfinde mit dir“ und damit Selbstheilungskräfte zu aktivieren.


Mitgefühl steigert den Erfolg:

Empathie ist aber nicht nur für die Gesundheit wichtig, sondern auch für den beruflichen Erfolg. Teams, die sich gegenseitig achtsam wahrnehmen und Einfühlung geben, sind meist erfolgreicher als „kalte“ Arbeitsbeziehungen. Das gilt auch für landwirtschaftliche Betriebe. Wie oft kommt es vor, dass Konflikte oder emotionale Kälte in der Familie den Betriebserfolg gefährden.


Das Team Familie muss sich gegenseitig wahrnehmen, dem anderen zuhören und sich einfühlen, wenn es gut laufen soll. Es lohnt sich, darüber nachzudenken, wie es ist, täglich das Essen auf den Tisch zu bringen und vorher noch diverse andere Aufgaben zu erledigen. Auch nachzuempfinden, wie sich die Verantwortung für die Biogasanlage anfühlt, kann Verständnis erzeugen.


Wenn Empathie nachweisbar so wichtig und hilfreich ist, ja wenn sie uns eigentlich angeboren ist, warum sind wir dann häufig so unfähig, achtsam zu reagieren? Eine konkrete Antwort darauf gibt es nicht. Je älter wir werden, desto häufiger durchleben wir aber Situationen, die uns das einfühlsame Handeln abtrainieren. Stress ist ein wichtiger Störfaktor von Empathie. Auch andere Gesichtspunkte, wie die Erziehung oder kulturelle Vorgaben, können die Wahrnehmung unserer Gefühle stark beeinflussen.


Gleichgültig und gefühllos:

Wer verbissen dem „Schneller-Höher-Weiter“ der modernen Gesellschaft nacheifert, verliert oftmals die Zeit und die Kraft für Empathie. Manchmal laufen wir wie mit emotionalen Scheuklappen durch das Leben. Freundliche Worte sind dann eher eine Zeitverschwendung und kein Zugewinn.


Tatsächlich bewahren gefühlvolle Menschen aber eher einen kühlen Kopf und sind so in der Lage, durchdachte Entscheidungen zu treffen. Selbst Seelsorger und Trauerbegleiter berichten von einem Gewinn an Selbstreflexion, Gelassenheit und Verständnis durch ihre Arbeit. Wer Stress und Kummer in sich hineinfrisst, wird mit der Zeit blind vor Anspannung und Überlastung.


Fakt ist: Unsere Erziehung ist auch heute noch teilweise von Strenge gegenüber uns selbst geprägt. Die Rollenbilder der „emotionalen Frau“ und des „gefühlskalten Mannes“ entsprechen vielleicht nicht mehr dem Weltbild, aber sie wirken noch. Frauen versuchen in Gesprächen häufiger, eine emotionale Ebene aufzubauen, wohingegen Männer oft auf einer sachlicheren Ebene kommunzieren. Gerade Männer neigen dazu, sich „vorsichtshalber“ ein dickes Fell zuzulegen. Dabei kann es neue Energie mit sich bringen, Gefühle zuzulassen.


…und bei Anfeindungen?

Wenn mich jemand bis aufs Blut reizt? Wenn ein Spaziergänger bei der Feldarbeit ruft: „Was spritzt denn du da schon wieder? Umweltvergifter!“ Gerade da ist Empathie die Basis für ein gutes Gespräch. Verständnis sollte man für sich und sein Gegenüber entwickeln. Zunächst muss man sich klar werden: Warum reizt mich das? Vermutlich weil ich mich ungerechtfertigt angegriffen fühle. Das macht wütend, vielleicht auch traurig. Aber es ist auch hilfreich, zu überlegen, warum der andere so handelt. Welche Gefühle mag er haben, vielleicht Angst um unsere Umwelt? Komme ich den Sorgen auf die Spur, kann ich auch den dahinterliegenden Antrieb erkennen.


Entgegnet man: „Mir scheint, Sie haben Angst um unsere Umwelt und legen Wert auf gesunde Nahrungsmittel. Genau das ist mir auch wichtig und dafür arbeite ich jeden Tag“, könnte ein Gespräch beginnen. Vielleicht auch etwas Aufklärungsarbeit über das ackerbauliche Tun. Sich in den anderen einfühlen, heißt nicht, seinen Standpunkt zu akzeptieren, sondern ihn überhaupt nachzuvollziehen und verstehen zu können.


Natürlich kann man mit Empathie auch andere Menschen beeinflussen. Tierrechtsorganisationen setzen beispielsweise viel Zeit und Energie dafür ein, den Menschen Mitleid gegenüber Nutztieren beizubringen. Auch Verkäufer und Politiker trainieren ihre Fähigkeit, die Gefühle anderer zu erkennen.


Tatsächlich gibt es auch ein medizinisches Phänomen, warum es dem einen leichter fällt, einfühlsam zu reagieren als dem anderen. Es ist die Menge des Hormons Oxytocin, des sogenannten „Kuschelhormons“ im Körper. Dies wird z.B. vermehrt bei jungen Müttern gebildet und sorgt für die Bindung zum Kind. Nachweislich hängt die Konzentration stark davon ab, wie eng und liebevoll die mütterliche Bindung der ersten Lebensjahre war. Sie legt damit den Grundstein für die Einfühlsamkeit und Stressresistenz des Menschen. Das bedeutet aber nicht, dass eine schwere Kindheit gleich zu emotionaler Leere führt.


Empathie kann man lernen:

Die Fähigkeit zur Einfühlung ist grundsätzlich im Menschen angelegt. Daher können wir sie auch trainieren. Ist jemand mir und anderen gegenüber stets plump und taktlos, kann ich nur versuchen, mich in mein Gegenüber hineinzuversetzen. Wertschätzung und Respekt sind Voraussetzung, damit das Gespräch gelingt. Denn eine Moralpredigt hat noch niemanden verändert. Es hilft hierbei, den Blick auf sich selbst zu richten. Aus Verärgerung und Unverständnis heraus kann man sich nicht gut in den anderen hineinfühlen.


Gehen Sie offen an die Sache heran. Wieso hat Ihr Gegenüber so plump reagiert? Formulieren Sie Ihre Gefühle verständlich: „Mich stresst der ständige Ärger mit dem Bauantrag auch, aber bitte lass deine Wut darüber nicht an mir aus“, kann so ein Satz lauten. In der Regel wird Ihr Gesprächspartner Ihre Gefühle ernst nehmen. Denn gegenüber Familienmitgliedern und Freunden ist es deutlich leichter, Emotionen zu zeigen und aufzunehmen.


Wer selbst gefühlvoller durchs Leben gehen möchte, sollte sich zunächst in Achtsamkeit üben. Sich abends selbst auf die Schulter klopfen und sagen: „Das hast du gut gemacht“, anstatt zweifelnd darüber nachzudenken, was nicht geklappt hat. Einfühlend und wohlwollend mit sich selbst zu sein, macht nicht nur uns, sondern auch unsere Mitmenschen fröhlicher.


Denn vor allem, wer Sinn in seinem alltäglichen Handeln empfindet, kann auch Einfühlungsvermögen für die Emotionen anderer entwickeln. Hier ist die Landwirtschaft gegenüber anderen Berufsgruppen im Vorteil. Der Sinn kann durch Säen, Pflegen und Ernten deutlicher werden und die Selbstbestimmtheit des Arbeitens ist größer. Die Kunst besteht darin, diese Fähigkeit, die Gefühle anderer wahrzunehmen, in die Öffentlichkeit zu tragen und auch Fremden empathisch und offen zu begegnen. Nur Mut! Sie haben die besten Voraussetzungen dazu. -km-

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