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Mit Leib und Seele Landwirt!

Lesezeit: 11 Minuten

Für ziemlich glücklich halten sich 75% der deutschen Landwirte. Sie haben dafür gute Gründe, zeigt unsere Umfrage. 3500 Bauern und Bäuerinnen haben sich beteiligt.


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Die Landwirte und ihre Familien sind schon eine Klasse für sich! Lange Arbeitstage, knapper Verdienst, gesellschaftliche Debatten: Obwohl die Bauern und Bäuerinnen zurzeit „hart im Wind“ stehen, lassen sich überwältigend viele davon nicht aus der Bahn werfen.


Starke Familienbande, feste Werte und ein erfüllter Alltag machen mehr als drei von vier Berufskollegen zufrieden oder sehr zufrieden mit ihrer Situation. Das sind stolze 76,1% der deutschen Landwirte. Sogar noch glücklicher sind die Österreicher (79%) und die Schweizer Landwirte (89,2%). Zudem ist die Stimmung der deutschen Ackerbauern etwas besser als die der Milchviehhalter. Aber auch von ihnen sind gut zwei Drittel zufrieden oder sehr zufrieden mit ihrer Situation.


Erklärungen für das große Wohlgefühl gibt der Fragebogen zuhauf. Eine der wichtigsten ist aber sicherlich diese: Viele Landwirte sehen ihren Beruf nicht einfach als irgendeinen Job an. Für mehr als zwei Drittel aller Umfrageteilnehmer ist der Beruf Landwirt nicht weniger als eine Lebenshaltung, für Männer wie Frauen gleichermaßen. Weitere 28% Prozent sagen, dass Landwirt immerhin noch ein guter Beruf ist. Nur 2,9% meinen, es sei lediglich „ein Job wie jeder andere“.


Lebensart statt Job:

Viel Arbeit, wenig Freizeit, zudem ein unsicheres Einkommen: Trotzdem scheint der Beruf eine Lebensqualität und ein Lebensgefühl zu bieten, das nicht rein in Zahlen und Arbeitsstunden auszudrücken ist. Glücksfaktor Hof?


So sieht es jedenfalls aus. Mehr als andere Jobs gleicht der Beruf Landwirt einer Lebensart, die offenbar sinnstiftend für viele Landwirte ist – und viele Nachteile und Unsicherheiten aufwiegt, zeigt unsere Umfrage.


Als besonders wertvoll schätzen mehr als zwei von drei Landwirten und ihre Familien das Leben und Arbeiten mit Tieren und der Natur ein (67,9%). Vielleicht zeigt sich genau hier, was das „Mysterium Landwirtschaft“, die Faszination für den Beruf trotz aller Widrigkeiten ausmacht: Während sich andere Berufsgruppen den Ausgleich zur digitalen Alltagshysterie mühsam in Kletterkursen, beim Mountainbiken oder Yoga suchen müssen, ist Landwirt wohl einer der letzten Berufe, der diesen Ausgleich gratis mitliefert. Landwirtsfamilien leben im Rhythmus des Hofes, des Wetters und der Jahreszeiten. Eine konstruierte Work-Life-Balance brauchen viele nicht.


Ausmisten gegen Burnout:

Stall ausmisten, Tiere füttern, beim Gang übers Feld die Saat kontrollieren: So lästig das im Alltag oftmals empfunden wird, bietet es ein Gerüst, eine Tagesstruktur, an der wenig zu rütteln ist. Bauern und Bäuerinnen sehen, mehr als jeder andere Beruf, was sie jeden Tag schaffen. Das erdet und scheint für viele ein wohltuendes Gegengewicht zum hektischen Zeitgeist zu sein.


Ebenfalls als großes Plus sehen 62% die Vereinbarkeit von Beruf und Familie auf den Höfen. Für Frauen ist dieser Aspekt noch deutlich wichtiger: Drei von vier Frauen halten ihn für entscheidend, aber nur etwas mehr als jeder zweite Mann. Dank der guten Unterstützung der Senioren haben es viele Frauen von den Höfen deutlich leichter, Kinder und Karriere miteinander zu vereinbaren. Der Effekt: Sie bekommen deutlich mehr Kinder als der Durchschnitt.


Auch die freie Arbeitseinteilung (61,7%) ist ein Pfund, mit dem die Landwirtschaft wuchern kann. Sie macht es möglich, z.B. das Hobby zwischendurch und spontan auf dem Hof zu verwirklichen. Dabei fällt auf, dass viele Bauern und Bäuerinnen landwirtschaftsnahe Hobbys pflegen, wie z.B. die Jagd, oder mal eben vom Hof aus ihre Walkingrunde starten.


Auch die Tatsache, regelmäßig mit den Schulkindern zu Mittag essen zu können, wird wertgeschätzt – ein Umstand, auf den viele Arbeitnehmer neidisch sein dürften. Viele Landwirte schätzen außerdem das unternehmerische Handeln (53,6%) als Wert an sich. Sie genießen es, ihr eigener Chef zu sein, eigene Entscheidungen zu treffen und dafür die Verantwortung zu übernehmen.


Triebfeder junge Generation:

Viele Einsender kommentierten außerdem, dass sie sich keinen schöneren Ort vorstellen könnten, um ihre Kinder aufwachsen zu sehen. Bestätigt wird dies auch durch die Zahlen. So ist es, neben dem Wunsch, die wirtschaftliche Basis zu sichern und den Betrieb weiterzuentwickeln, für viele Bäuerinnen und Bauern eine wichtige Triebfeder, den Hof „ordentlich“ an die nächste Generation zu übergeben und die Familientradition aufrechtzuerhalten. Offenbar stiftet der Gedanke, für die nächste und übernächste Generation zu arbeiten, vielen Landwirten einen tieferen Sinn. Das langfristige Denken über Generationen hinweg wiederum kann erden und steht im krassen Gegensatz zur schnelllebigen, modernen Arbeitswelt.


Glücksfaktor Hof:

Das zeigt: Das Hofleben bietet Glücksfaktoren, die sich nicht rein in Zahlen und Arbeitsstunden ausdrücken lassen, bestätigt auch Glücksforscher Bernd Raffelhüschen (siehe Interview, Seite 121).


Doch sicherlich kommt das Glück nicht „einfach so“ von ganz allein auf die Höfe. Zunächst beeinflussen äußere Faktoren, also die Verhältnisse, in denen eine Landwirtsfamilie lebt, die Zufriedenheit der Hofbewohner stark. Dazu gehören z.B. die Harmonie innerhalb der Familie, die Ausrichtung des Betriebes und die finanzielle Situation. Vermutlich haben die Ackerbauern durchschnittlich höhere Zufriedenheitswerte als die Milchbauern und geringfügig mehr Glücksmomente, weil sie eine geringere Arbeitsbelastung, mehr Freizeit und weniger zeitliche und räumliche Bindung an den Hof schultern müssen. Das gibt ihnen mehr Freiheiten.


Doch nicht nur die Lebensverhältnisse beeinflussen das persönliche Glück, auch wie positiv oder negativ eine Person die eigene Situation wahrnimmt, hat einen großen Anteil an der persönlichen Zufriedenheit. Frohnaturen, die von ihrer Grundeinstellung her optimistisch veranlagt sind, geht es tendenziell besser als Pessimisten, die von außen betrachtet die besseren Rahmenbedingungen auf dem Hof haben.


So zeigte sich etwa, dass Unternehmer, die sich selbst als risikofreudig bezeichnen und die Dinge eher positiv-zupackend angehen, auch deutlich zufriedener mit ihrer Situation sind (79,6%), als die Berufskollegen, die risikoscheu agieren, also vom Naturell eher skeptisch und zögerlich sind (57,7%).


Ausgleich macht glücklich!

Beruhigend dabei: Nicht nur das angeborene Gemüt beeinflusst die eigene Zufriedenheit. Offenbar können die meisten Menschen auch aktiv etwas dafür tun. So zeigte sich im Fragebogen, dass Landwirte und Landwirtinnen, die mindestens ein Hobby pflegen, deutlich höhere Zufriedenheitsraten aufweisen als die Landwirte, die kein Hobby ausüben.


Sie erleben auch deutlich häufiger Glücksmomente als die Berufskollegen ohne Hobby. Erschreckende 30% der Landwirte ohne Hobby geben an, sich stark überlastet oder ausgebrannt zu fühlen. Bei Landwirten mit Hobby halbiert sich dieser Anteil auf ledig-lich 16,1%.


Noch frappierender ist die glücks-stiftende Wirkung von Urlaub. Von den (sehr wenigen) Bauernfamilien, die mindestens 3 Wochen oder länger urlauben, sagen stolze 90,7%, dass sie zufrieden oder sehr zufrieden sind. Sie erleben dreimal so häufig Glücksmomente wie ihre Berufskollegen, die Ferien nicht ermöglichen können. Nur 7,2% von ihnen fühlen sich überlastet oder ausgebrannt.


Im Vergleich: Knapp jeder zweite Landwirt, der keinen Urlaub einplanen kann, fühlt sich überlastet oder ausgebrannt. Das zeigt: Landwirt sein allein macht nicht glücklich. Wer sich aktiv um seine Freizeitgestaltung bemüht und ein Gegengewicht zum Hofalltag schafft, dem geht es tendenziell besser als den Kollegen, die das nicht können.


Viel Arbeit, wenig Urlaub?

Die Auswertung zeigt aber auch: Etliche Antworten stehen im Widerspruch zum Lebensgefühl vom großen Glück. Das Arbeitspensum der Landwirte ist – wie erwartet – taff, die 40-Stundenwoche für viele unrealistisch. Die meisten Teilnehmer (28,4%) knüppeln zwischen 60 und 80 Stunden pro Woche – rund das Doppelte eines durchschnittlichen Arbeitnehmers. Weitere 27,4% schuften immerhin noch 40 bis 60 Stunden im Betrieb. Eine kleine Gruppe (6,8%) malocht sogar mehr als 80 Stunden pro Woche. Das entspricht einer Tages-Arbeitszeit von täglich mehr als 11 Stunden, sieben Tage die Woche.


Auch in Sachen Urlaub sind Landwirte und ihre Familien genügsam. Knapp jeder zweite Umfrageteilnehmer (47,6%) gönnt sich lediglich ein bis zwei Wochen Urlaub pro Jahr. 27,5% der Teilnehmer kommen sogar mit weniger als einer Woche Ferien aus. Auf wenigen Höfen (7,6%) ist gar kein Urlaub möglich, 3% der Befragten geben an, keinen Urlaub zu brauchen. Den deutschen Durchschnitt von rund 3 bis 4 Wochen Urlaub pro Jahr erreicht nur gut jeder zehnte Landwirt.


Dennoch: Für etwas mehr als einen von drei Landwirten ist das persönliche Verhältnis von Arbeit und Freizeit trotz hohem Arbeitseinsatz und wenig Urlaub in Ordnung. Sie können sagen: „Ich fühle mich ausgeglichen“.


Doch wenig verwunderlich, auch angesichts der gesellschaftlichen Entwicklung hin zu immer mehr Freizeit: Rund 45% der Teilnehmer hätten gerne mehr Zeit für andere Dinge, wie z.B. Familie, Hobbys oder Freizeitaktivitäten. Man muss fast sagen: „Nur“ knapp 15% fühlen sich überlastet, 3,7% sagen über sich: „Ich bin völlig ausgebrannt.“ Verglichen mit der Gesamtbevölkerung ist das ein niedriger Wert.


Zwei Gruppen der Umfrageteilnehmer stechen allerdings hervor: Die Landwirte und Landwirtinnen, die pflegebedürftige Angehörige betreuen, fühlen sich stark überlastet (19,4%).


Von den Landwirten, die sich in einer finanziell angespannten oder sogar ruinösen Lage befinden, geben 8,2% sogar an, völlig ausgebrannt zu sein.


Denn, wie erwartet: Nicht für alle Landwirte mündet der hohe Arbeitseinsatz in einer rosigen Einkommenssituation. Doch für immerhin 23,8% der Landwirte rentiert sich ihr zeitliches Engagement. Sie schätzen ihre finanzielle Situation als gut ein. Weitere 44,1% sehen sich solide aufgestellt.


Lieber arm als gemobbt:

Doch für einen von drei Landwirten führt die tägliche Arbeit nicht zum wirtschaftlichen Erfolg: Vor allem durch Preiskrisen und Überschuldung ist ihre finanzielle Lage angespannt (29,5%) oder sogar ruinös (2,6%). Das drückt die Zufriedenheit logischerweise deutlich. Sie sinkt bei angespannter oder ruinöser Lage auf dem Hof um 25 Punkte von über 75% auf unter 50%.


Unabhängig von der Einkommenssituation beklagt ein Großteil der Landwirte die fehlende Anerkennung für ihre Arbeit: Für drei von vier Umfrageteilnehmern ist die fehlende Wertschätzung durch Politik und Gesellschaft emotional gesehen der größte Störfaktor des Hoflebens, noch vor den Punkten „wirtschaftliche Unsicherheit“ und „hohe Arbeitsbelastung“. Überspitzt gesagt: Die Landwirte sind lieber arm, als nicht anerkannt und respektiert. Wie stark vielen Landwirten die andauernde Kritik von Tierschützern, Medien und Verbrauchern zu Herzen geht, zeigen auch die Kommentare vieler Einsender (siehe Seite 122.).


Motivationskiller Bürokratie:

Die Zahlen passen dazu: Über die Hälfte der Teilnehmer fühlen sich nur teilweise als Landwirt oder Angehöriger einer Landwirtsfamilie anerkannt. 41,2% finden, dass es allgemein an Wertschätzung für den Beruf mangelt. Die Hauptschuld dafür sieht die Mehrheit bei den überregionalen Medien.


Noch stärker als das Misstrauen in der Gesellschaft demotivieren die Bauern die Bürokratie und die Dokumentation, die im Alltag zu leisten sind, sowie der Umgang mit den Behörden (67,3%).„Bürokratie-Wahnsinn“, „Kontrollwahn“, „Behörden-Irrsinn“, heißt es in den Kommentarspalten des Umfragebogens.


Auch die mangelnde Verlässlichkeit der Politik und die immer strenger werdenden Auflagen (63,1%) sind große Motivationsbremsen. Außerdem verderben der steigende Konkurrenzkampf um Pachtflächen und Neid und Missgunst unter Berufskollegen vielen Landwirten die Freude am Beruf.


Hofaufgabe absehbar?

Die Zukunftsaussichten der Landwirtschaft insgesamt beurteilen die Teilnehmer nicht allzu rosig: Nur 16,9% der Landwirte blicken optimistisch in die Zukunft. 11,5% stellen der Landwirtschaft eine schlechte Prognose aus. Vor allem Familien von kleineren Betrieben sehen die Zukunft der bäuerlichen Landwirtschaft düster. Üppige 71,6% blicken mit gemischten Gefühlen nach vorne.


Immerhin: Für ihre eigenen Höfe beurteilen die Betriebsleiter und ihre Familien die Lage zuversichtlicher: Zwei von drei Landwirten sind fest überzeugt oder halten es für sehr wahrscheinlich, dass ihr Betrieb auch in 20 Jahren noch existieren wird. Im Umkehrschluss befürchtet oder weiß allerdings bereits heute ein Drittel der Landwirte, dass sie den Hof auf absehbare Zeit nicht werden halten können.


Landwirt, ein Traumberuf?

Soweit zu gehen, ihren Beruf als echten Traumjob anzusehen, würden derzeit wohl dennoch die wenigsten Landwirte. Zu gravierend sind die Probleme und Herausforderungen, von Gesellschaftskritik über Umweltauflagen bis hin zu Flächenfraß, denen sich die bäuerlichen Betriebe aktuell und in den nächsten Jahren stellen müssen.


Dennoch geben viele Landwirte ein klares Votum für den Hof ab. Knapp 60% würden sich wieder für den Betrieb entscheiden. Ein knappes Drittel kommt angesichts der Probleme zwar ins Wanken. Aber nur knapp jeder Zehnte würde sich, stünde er erneut vor der Wahl, gegen den Hof und das Landleben aussprechen.


Warum sich die Begeisterung und Faszination für den Beruf Landwirt so hartnäckig hält, bringt eine 45-jährige Sächsin im Gespräch auf den Punkt. „Alle Probleme und Sorgen abgezogen: Unterm Strich würde ich nichts anderes sein wollen, als Landwirtin“, erklärt sie. „Es ist wohl vor allem eine Berufung, kein Job.“ Kathrin Hingst

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