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Wenn Getreide krank macht…

Lesezeit: 6 Minuten

Zöliakie bedeutet heute nicht mehr, auf Kuchen, Nudeln und Co. zu verzichten. Dennoch müssen sich die Betroffenen einschränken. Wer muss Gluten meiden und wie wirkt sich die Krankheit auf den Alltag aus?


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Glutenfreie Ernährung, das klingt erst einmal nach fragwürdigem Ernährungstrend und Lifestyle. In Teilen stimmt das – die stark steigenden Absatzzahlen der Hersteller zeigen, dass sich vermutlich derzeit viele Menschen glutenfrei ernähren, denen diese Sonderkost wenig Nutzen bringt. Im Gegenteil: Ballaststoffe, Mineralien und Spurenelemente aus Vollkornprodukten sind mitunter schwer zu ersetzen. Doch rund zwei bis drei Prozent der Bevölkerung müssen zwingend ohne Brot, Brötchen, Kuchen und Nudeln aus Getreide, allen voran Weizen, leben. Die Produkte machen sie krank. Was dahinter steckt, haben wir zusammengetragen.


GLUTENFREIE eRNÄHRUNG – FÜR weN?


Wer unter Zöliakie leidet, ist gezwungen, sich glutenfrei zu ernähren. Zöliakie ist eine Mischform aus Allergie und Autoimmunerkrankung. Bei Betroffenen greift Gluten, das Klebereiweiß des Weizens, die Darmzotten an. Es löst eine chronische Entzündung bis hin zum heilbaren Verlust der Darmzotten aus. Dadurch kann der Darm die Nährstoffe nicht oder kaum mehr aufnehmen. Erkrankte fühlen sich schlapp und müde, sind blass, apathisch, manchmal depressiv. Auch Muskelschwäche und verzögertes Wachstum bei Kindern können die Folge einer unerkannten Zöliakie sein. Der Verdacht lässt sich mittels erhöhter Antikörper im Blut nachweisen und mit einer Gewebeuntersuchung per Dünndarmbiopsie bestätigen.


Bei der Weizenallergie handelt es sich dagegen um eine klassische Allergie, also eine überschießende Reaktion des Immunsystems auf Weizen und Weizenprodukte. Nicht nur der Verzehr, auch das Einatmen von Getreidestaub oder Hautkontakt kann zu Reaktionen führen, von tränenden Augen bis zum allergischen Schock.


Seit einigen Jahren wird zudem die Glutenunverträglichkeit beschrieben, die Unwohlsein, Bauchweh und Blähungen verursacht. Anhand von Laborwerten ist sie derzeit nicht nachweisbar. Von Zöliakie und Weizenallergie ist je rund 1% der Bevölkerung betroffen. Als „weizensensitiv“ gelten weitere 6%.


Gluten – Wo ist es Drin?


Im Prinzip enthalten fast alle einheimischen Getreidesorten Gluten. Dazu gehören Weizen, Gerste, Roggen und Dinkel, aber auch Urgetreide, wie z.B. Kamut, Emmer oder Einkorn. Die einzige Ausnahme ist Hafer. Hafer ist natürlicherweise glutenfrei, kann aber bei der Ernte, Lagerung und Verarbeitung mit anderen Getreidesorten vermischt werden. Inzwischen haben einzelne Anbieter, z.B. Kölln, zertifiziert glutenfreien Hafer auf den Markt gebracht.


Auch Produkte, die aus Getreide bestehen, wie z.B. Nudeln, Brot, Brötchen oder Kuchen, enthalten Gluten. Betroffene weichen auf glutenfreie Ersatzprodukte aus, die aus Mais, Reis, Tapioka oder den Pseudogetreiden Buchweizen, Quinoa und Amaranth hergestellt sind. Doch der Weizenkleber versteckt sich auch in Produkten, die auf den ersten Blick glutenfrei erscheinen.


Glutenfreie Produkte im SuperMarkt


In den letzten Jahren ist das Sortiment an glutenfreien Ersatzprodukten förmlich explodiert. Zurückzuführen ist das auf den Trend zu „frei von“- Produkten sowie die Skepsis gegenüber „überzüchtetem Weizen“. Auch wenn dieser Trend dazu führt, dass die Zöliakie weniger ernst genommen wird, sind die meisten Betroffenen doch froh über die wachsende Auswahl. Sie reicht heute von Fertigbackmischungen für glutenfreie Brownies über TK-Pizza bis hin zu Brot- und Brötchenersatz oder glutenfreien Nudeln, die man inzwischen auch beim Discounter bekommt. ▶


Doch der Teufel steckt im Detail. So finden sich Weizenstärke, Weizenmehl oder z.B. Gerstenmalzextrakt in vielen Fertiggerichten. Gekörnte Brühe, Fix-Tüten oder Süßigkeiten enthalten Getreidebestandteile. Auch Soja- und Worcestersoße sind nicht glutenfrei. Selbst in klassisch unverdächtigen Produkten, wie fertigem Kartoffelpüree, Pommes frites oder Chips, ist Gluten zu finden. Auch Angedicktes, wie Milchreis, rote Grütze und wenige Wurstwaren, z.B. Blutwurst, enthalten es. Und wurde der handelsübliche Kirschjoghurt auf der gleichen Anlage abgefüllt wie Joghurt mit Butterkeks- oder Käsekuchengeschmack, ist auch dieser für die Betroffenen tabu.


WORAN ERKENNE ICH GLUTENFREIE WARE?


In Deutschland gibt es keine einheitlichen Regelungen zur Kennzeichnung. Sehr sicher sind Produkte, die mit einer durchgestrichenen Ähre gekennzeichnet sind. Sie sind zertifiziert glutenfrei. Doch nicht alle glutenfreien Produkte sind auch gekennzeichnet. Mancher Hersteller schreibt glutenfrei auf die Packung, mal besser, mal schlechter lesbar. Bei vielen Produkten muss man sich durch die Zutatenliste arbeiten. Seit einigen Jahren müssen alle Allergene ausgewiesen und fett gedruckt werden, also auch Getreideauszüge, wie zum Beispiel Weizenmehl, Weizenstärke oder Gerstenmalzextrakt.


Daneben gibt es Produkte, die zwar per se glutenfrei sind, jedoch mit dem Zusatz „Kann Spuren von glutenhaltigem Getreide enthalten“ versehen sind. Dieser Satz dient in erster Linie als Rückversicherung für die Hersteller. Wird in ihren Betrieben Glutenhaltiges verarbeitet, können (und wollen) sie die Rückstandsfreiheit nicht garantieren. Auch Spuren sind für Betroffene relevant: Schon 1/4 Gramm Weizen kann Entzündungsprozesse im Darm wieder anfachen.


Unbedenklich sind Zutaten wie modifizierte Stärke oder Stärke. Sind diese aus glutenhaltigem Getreide gewonnen, muss das gekennzeichnet sein.


Das zeigt: Von den Betroffenen ist hier Augenmaß und Expertise gefragt. Wer sich das nicht zutraut, kann auf Informationen der Deutschen Zöliakie-Gesellschaft zurückgreifen oder auf Apps, die den Barcode scannen.


WIE BACKWAREN SCHMACKHAFT machen?


Trotz aller Produktvielfalt kommen Betroffene und ihre Familien nicht drum herum, viel selbst zu backen. Doch glutenfreies Mehl und Mehlmischungen schmecken im Kuchen oft krümelig, sandig oder trocken. Damit das Backergebnis gut wird, kann man mit Zusatzstoffen arbeiten. Vor allem bei Süßspeisen klingt das Rezept mitunter wie aus dem Chemielabor. Denn Zusätze, wie gemahlene Flohsamenschalen, Xanthan, Guarkernmehl und Johannesbrotkernmehl, vermögen es auf unterschiedliche Weise, die Backwaren fluffiger, lockerer und saftiger zu machen. Sie sind im Reformhaus erhältlich. Auch der Austausch eines Mehlanteils durch gemahlene Mandeln oder Nüsse verbessert das Backergebnis deutlich.


Bei glutenfreien Broten kann man sich z.B. durch den Zusatz von geraspelten Möhren und Saaten behelfen.


ZÖLIAKIE AUF DEM BAUERNHOF


Viele Weizenallergiker reagieren stark auf Getreidestäube und Hautkontakt mit Weizen. Für Zöliakie-Kranke ist nur die Nahrungsaufnahme von Weizen und Weizenprodukten schädlich. Derzeit gibt es keine Empfehlung dafür, mit der Erkrankung den Bauernhof zu meiden. Direkter Kontakt mit den Weizenkörnern, z.B. bei der Ernte oder Lagerung, sollte jedoch vermieden werden. Gerade bei Kindern ist er problematisch, wenn sie die Hände anschließend in den Mund nehmen.


Betroffenen wird außerdem geraten, sich bei der Ernte mit einem Mundschutz vor dem Getreidestaub zu schützen.


kathrin.hingst@topagrar.com

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