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Wir müssen reden…

Lesezeit: 6 Minuten

Sprachlos oder schweigend Konflikten aus dem Weg zu gehen, gefährdet schnell den Familienfrieden. Dr. Silvia Riehl erklärt, warum es manchmal so schwer ist, wieder ins Gespräch zu kommen.


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Immer die richtigen Worte parat zu haben, ist beinahe unmöglich. Mal stocken wir, um nachzudenken, mal gibt es keine Worte, um z.B. einem Trauernden beizustehen. So weit, so normal. Daneben gibt es ein problematisches Schweigen, das hemmt und belastet. Wenn jemand verstummt, steckt oftmals Angst dahinter – Angst, sich verletzbar zu machen oder den Familienfrieden in Gefahr zu bringen. Manch einer resigniert, fühlt sich oft unverstanden und gibt es schließlich auf, zu sprechen.


Doch das Schweigen ist keine Lösung. Im Gegenteil, viele Probleme resultieren daraus (Beispiele auf S. 118). Nichtreden als Verweigerung eines Dialogs kann sowohl ein Machtinstrument sein als auch Ausdruck eigener Angst. In jedem Fall isoliert es uns von Bindungen und Beziehungen.


Kein Kontakt zu anderen


Dabei ist es per se nichts Schlimmes, schweigsam zu sein. Stille Charaktere gibt es genauso wie Personen, die ohne Punkt und Komma sprechen. Problematisch wird das Schweigen, wenn man etwas zu sagen hat, aber stumm bleibt. Wer schweigt, isoliert sich und seine Gedanken von der Familie und dem Umfeld. Beziehungen zu führen, ist so nahezu unmöglich. Paare, die nicht sprechen, entfremden sich. Geschwister leben sich auseinander. Väter und Söhne schweigen sich an und konservieren so die Konflikte.


Denn das Schweigen ist nicht nur kräftezehrend für den Schweigenden. Auch der Angeschwiegene muss einen Weg finden, damit umzugehen. Er versucht, die Botschaft hinter der Sprachlosigkeit zu deuten. Schweigen kann Distanz oder Einsamkeit hervorrufen. Vielleicht ist es auch ein Zeichen der Überforderung oder hat die Absicht, jemanden auszuschließen.


Miteinander zu reden, ist ein elementares, menschliches Bedürfnis. Das macht das Schweigen zur Wurzel vieler Streitereien. Über Jahre wird man immer stiller, hat sich weniger zu sagen. Manch einer gibt es vielleicht sogar auf, über Themen wie den Bau des Altenteils oder die Sanierung des maroden Stalls zu sprechen. Etwas deutlicher wird die allbestimmende Wucht des Nichtredens, wenn man es ganz bewusst und aktiv einsetzt. Wer in einer Debatte die Arme verschränkt, sich zurücklehnt und schweigt, bezieht eine starke, fast schon bedrohliche Position. Man zeigt die kalte Schulter. Das Gegenüber steht mit dem Rücken zur Wand – reden hilft nicht mehr. Die Höchststrafe.


Gefühle aussprechen


Zugegeben: Aus dem Bauch heraus und zielgenau zu sagen, welches Gefühl da gerade in mir herrscht, ist alles andere als einfach. Ist das Wut oder Angst? Fühle ich mich bloßgestellt oder alleingelassen? Doch genau an dieser Stelle kann man schon ansetzen, um zurück ins Gespräch zu finden. Wer unausgesprochene Gefühle formulieren möchte, muss zuerst wahrnehmen, was im eigenen Inneren vor sich geht. „Ich habe Angst, dass wir in einen großen Streit geraten, wenn ich Dir meine Meinung zu den Bauplänen und der Zukunft der Schweinehaltung sage“, könnten z.B. die Worte einer bedrückten Hoferbin lauten. Das zu sagen, bedeutet aber auch, Familientraditionen aufzugeben und womöglich die Eltern und ihr Lebenswerk infrage zu stellen.


Gerade in der Familie kann es schwer fallen, offen zu reden. Sie hat Einfluss auf das Sprachvermögen aller Mitglieder. Sprechen die Eltern nicht miteinander, oder herrscht Kühle zwischen Mutter und Großmutter, lernen die Kinder nicht, Konflikte auf Augenhöhe auszudiskutieren.


Ebenso ist es mit Tabus. Zum Beispiel: Dass Papa oft Bier trinkt, darf niemand wissen! Und dass sich am Küchentisch niemand auf den Stuhl des verstorbenen Seniors setzt, ist jedem klar – seine Gefühle oder Sorgen dazu äußern, darf aber niemand. Vor allem in der Kommunikation schauen sich die Kinder vieles von ihren Eltern ab und übertragen die Gesprächsmuster in Teilen auf ihr eigenes, erwachsenes Leben. Aber auch die junge Frau, die einheiratet, muss sich mit den Sprachgepflogenheiten auf dem Hof vertraut machen.


Schweigen ist die schlechteste Option


Die gute Nachricht: So muss es nicht bleiben. Zu lernen, eigene Gefühle in Worte zu fassen, kann man auch noch nach der Jugendzeit. Das klappt nicht direkt. Ein Satz wie „Ich weiß auch nicht, was mich bedrückt, aber im Moment fühle ich mich zu sehr unter Druck gesetzt, das richtig zu benennen“, ist besser, als nichts zu sagen. Auch „Ich will hier nicht der Spielverderber sein. Aber ich fühle mich, als stünde ich zwischen den Stühlen, wenn Du mich mit Schweigen strafst, weil ich am freien Wochenende einen Anruf vom Mitarbeiter annehme“, ist völlig legitim.


Womit wir bei einem weiteren Punkt sind, der das Reden erschweren kann: Gefühle und Gedanken auszusprechen, löst keine Konflikte auf. Zu erfahren, was den anderen bewegt, welche Sorgen ggf. im Raum stehen, schafft aber die nötige Grundlage, Probleme überhaupt lösen zu können. Die Alternative, zum Beispiel nach zwei Tagen aggressiven Schweigens nicht mehr über das Thema zu sprechen, ist tückisch. Zukünftig umschifft man den Konflikt in jedem Gespräch. Es kommen mehr ungelöste Konflikte hinzu. Sie gleichen einem „schwarzen Buch“, in das man alles notiert und es dann zuklappt. Ehe man sich versieht, kann man kein Wort mehr wechseln, ohne einen Streit zu riskieren. Denn dann holt man das Buch hervor, schlägt es auf und trägt Vorwürfe und Konflikte wieder vor. Dann finden die Parteien häufig nur durch die Hilfe eines Mediators oder Beraters wieder zusammen. Dieser hilft, die Gefühle und Bedürfnisse zu benennen, statt sich in Streitpunkten zu verlieren. Je eher man Hilfe sucht, desto höher ist die Chance, wieder zusammenzufinden.


Die Schweigenden brauchen keine konfrontativen Aufforderungen, um zu sprechen, sondern Ermutigung, um ihre Sorgen zu überwinden. Sätze wie „Jetzt sag’ doch mal endlich“ oder „Muss ich Dir denn jedes Wort aus der Nase ziehen“ sind in solchen Momenten eher demotivierend.


Schaffen Sie Situationen, in denen das Reden Ihnen und Ihren Gesprächspartnern leichter fällt. Nicht frontal am Tisch, sondern bei einem Spaziergang durch die Felder oder beim gemeinsamen Abwasch nach dem Essen. Achten Sie auf die Wortwahl. Ich-Botschaften wirken weniger bedrohlich und offener. „Mich interessiert, wie Du das siehst.“ „Ich kann schlecht damit umgehen, wenn Du nicht mit mir sprichst.“ „Ich merke, dass Dich etwas bedrückt.“ ▶


katharina.meusener@topagrar.com


Foto: Privat


◁ Unsere Expertin


Dr. Silvia Riehl, Coach und Mediatorin aus Ganderkesee in Niedersachsen.

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