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Lesezeit: 5 Minuten

Warum nicht Wolle herstellen und verkaufen? Landwirtin Carina Reso hat auf ihrem konventionellen Schweinemastbetrieb nahe Hannover eine Spinnerei eröffnet.


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Cremeweißes langes Fell, die Hufe auf sattem Grün. An der Spitze der 18-köpfigen Truppe läuft – selbstbewusst meckernd – die kleine Anneliese. Die Kaschmirziegen sind das Aushängeschild der „kleinen Spinnerei“ von Carina Reso in Alvesrode, südlich von Hannover in Niedersachsen. Neben den Energiebündeln aus Osnabrücker Züchtung versorgen zwei schokobraune Alpakas die Spinnerei mit Wolle. Der Rest wird in der Region zugekauft oder kommt per Auftrag herein, z.B. von privaten Schafhaltern aus dem norddeutschen Raum und Hessen. Seit Beginn des Jahres trudeln täglich drei bis vier solcher Anfragen in Carina Resos E-Mail-Postfach ein.


Etwas neues ausprobieren


Gemeinsam mit Ehemann Jens war sie schon länger auf der Suche nach einer Nische für den konventionellen Betrieb mit 160 Sauen und Ferkelaufzucht, 1500 Mastplätzen, 85 ha Ackerbau und Biogasanlage. Zunächst hatten sie an die Direktvermarktung ihres Schweinefleischs gedacht, die Idee dann aber wegen der umfassenden Hygienevorschriften wieder verworfen.


Weil sie gerne von Hand spinnt, blieb Carina Reso an dem Thema „Wolle und Wollmühlen“ hängen: „‚Warum probieren wir das nicht‘, habe ich Jens irgendwann in der Küche gefragt. ‚Ja. Machen!‘, war seine Reaktion.“ Eine derartige Investition erschien den beiden Agrarwissenschaftlern sicherer, als die Sauenhaltung zu erweitern.


Recherche, Kalkulation, Umbau-Planungen: Ein Jahr brauchte es, dann standen die Spinnmaschinen von „Belfast Mini Mills“, einem Familienbetrieb aus Kanada, der kleinere Unternehmen beliefert. In der ehemaligen Autogarage fehlten zu diesem Zeitpunkt, im Spätsommer 2019, noch die Fenster. Heute werden die Maschinen täglich angestellt, auch für Kleinstmengen von z.B. 500 g. Schon anderthalb Jahre nach der Eröffnung hat sich die kleine Spinnerei am Deister zu einem zukunftsfähigen Betriebszweig entwickelt.


Aus Fell Mach WollknÄuel


Im Frühjahr, wenn die Kaschmirziegen zu haaren beginnen, heißt es für die sechsköpfige Familie Reso-Fritzler: Die Tiere über einige Wochen immer mal wieder fixieren und mit Hundebürsten auskämmen. Weil die Schutzhaare stehen bleiben und lediglich die Unterwolle verwendet werden kann, kamen dabei im letzten Jahr insgesamt „nur“ 300 g zusammen – in Kombination mit Maulbeerenseide genug für zwei weißlich schimmernde Schals. „Dauerhaft möchten wir die Herde ausbauen, sodass genug für zehn solcher Schals anfällt“, sagt die vierfache Mutter und streicht über das weiche Material.


Bei der Verarbeitung der Ziegenwolle wird sie von einer 450-Euro-Kraft und manchmal auch vom Azubi unterstützt: Zuerst steht die Qualitätskontrolle an. Ist die Wolle frei von Fremdkörpern oder Schädlingen? Dann folgt die Reinigung. In mehreren Waschgängen (60 bis 70°C, organisches Waschmittel) entfernt die 3 kg fassende Maschine Dreckreste und einen Großteil des Lanolins (Wollfett), ohne die Wolle zu verfilzen. Zum Trocknen wird sie auf den Regalbrettern im Nebenraum ausgebreitet – praktisch, dass der Wärmetauscher der Biogasanlage hier herläuft.


Weil die Wolle nach dem Waschen leicht verklebt ist, wandert sie daraufhin in den „Picker“. Die Maschine pickt die Wolle auf, reißt sie auseinander und pustet sie in einen Holzverschlag. Von dort geht es in den „Separator“, der sowohl die dicken, harten Grannenhaare als auch Staub entfernt.


Was als Abfall anmutet, wird aufgefangen und später geschreddert. „Das ist Wolldünger. Den verteile ich auf unseren Beeten oder verkaufe ihn“, so die Landwirtin, die durch die Arbeit in der Spinnerei kaum noch in den Stall oder auf den Acker kommt.


Anschließend kämmt der „Karder“ die Wolle im Vlies in eine Richtung. Hinten kommen „Karderbänder“, sozusagen „Wollwürste“, heraus. In Paaren laufen sie durch den „Strecker“, der die Fasern noch einmal parallelisiert. An der Spinnmaschine werden die breiten Bänder schließlich mithilfe von acht Spulen zu Garn versponnen. „Vorschub und Drehzahl entscheiden über die Stärke des Garns. Die Maschine kann ich individuell einstellen – je nachdem, ob ich Ziegen-, Alpaka- oder Schaffasern verarbeite“, erklärt die 39-Jährige.


Die letzten Arbeitsschritte sehen dann wie folgt aus: Der Verzwirner dreht zwei bis vier Fäden zusammen, um das Garn reißfester zu machen und den Drall rauszunehmen. Der Dämpfer versprüht Wasserdampf, um es weiter zu entspannen; auf dem Strangwickler wird das Garn entweder automatisch in je 50- oder 100-g-Stränge abgemessen oder auf dem Knäuelwickler zu Knäueln zusammengefasst.


Ein Herz für die Region


Aktuell verkauft Carina Reso ihre Wolle hauptsächlich vor Ort. Ein Knäuel Schafwolle gibt es ab 12 Euro, Alpakawolle kommt auf 15 bis 18 Euro pro 100 g.


In der Spinnerei hängt auch aus, was Oma, Mutter, Schwiegermutter und Freunde der Familie mit den teils gefärbten Wollen (Säurefarben) gestrickt haben. Besondere Hingucker: die fröhlich-bunten Strickjacken für Babys und Kleinkinder. Carina Reso testet selbst, wie alltagstauglich die Stücke sind und wie sie sich waschen lassen.


Außerdem finden sich in der Spinnerei Decken, die eine Weberin aus der Gegend angefertigt hat. „Menschen aus der Region, die mit ihren Berufen sonst keinen reißenden Absatz finden, möchte ich gerne unterstützen“, sagt die Unternehmerin. Eine ihrer Ideen: Einen Hinweis à la „Mit dem Kauf dieser Wolle unterstützen Sie Schäfer xy“ im geplanten Onlineshop platzieren. So könnte sie dazu beitragen, dass die Schäfer ihre Schurkosten decken können.


Und es gibt weitere Überlegungen: „Mit der Spinnerei ziehen wir eine bestimmte, umweltbewusste Klientel an. Ich würde mir wünschen, die Spinnerei noch enger mit unserem konventionellen, landwirtschaftlichen Betrieb verknüpfen zu können. Zum Beispiel könnten wir mit Milchziegen und der Lohnschlachtung einiger Schweine am Ende doch noch in die Direktvermarktung gehen“, so die Landwirtin. Aber das sei noch Zukunftsmusik. Aktuell gelte es, überhaupt gegen die viele Arbeit anzukommen.


melanie.suttarp@topagrar.com

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