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Zu mir oder zu Dir?

Lesezeit: 8 Minuten

Verliebt zu sein, ist schön. Doch wenn zwei Hoferben eine Beziehung führen, sind die Reibungspunkte vorprogrammiert. Wie gelingt das und wie stark wirkt das Spannungsfeld aus Liebe, Tradition und Familie? Wir haben uns umgehört.


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Verlieben sich zwei Menschen und wollen gemeinsam ihre Zukunft gestalten. Sagen beide: „Ich will zu Hause den Hof weitermachen.“ Ist das schon das Ende der Geschichte? Nein. Denn immer wieder finden junge Paare ihren ganz eigenen Weg durch dieses stürmische Fahrwasser. Vielleicht entscheiden sie sich, zu pendeln und beide Betriebe weiterzuführen – auch wenn sie weit voneinander entfernt sind. Womöglich liegen die Höfe im selben Dorf und bieten sich für eine Kooperation an. Eventuell bleibt aber auch ein Betrieb ohne Bewirtschafter zurück. Weitergehen kann es dort dennoch, wenn auch möglicherweise mit einem anderen Zukunftskonzept.


Dass sich zwei Hoferben kennen- und lieben lernen, die vielleicht sogar in unterschiedlichen Bundesländern leben, kommt mittlerweile immer häufiger vor. Töchter treten heute ganz selbstverständlich die Hofnachfolge an. Eine eigene Familie zu gründen und gleichzeitig den Hof zu übernehmen, ist für sie durchaus realistisch. Auch dank der Hilfe ihrer Eltern, die die Wünsche der Kinder immer stärker in die Zukunftsplanung der Betriebe einbeziehen.


Mit dem Auto oder im gut ausgebauten Bahnnetz sind die Hoferben heute mobiler denn je. Sie erkunden die Welt und haben zahlreiche Ideen, die sie umsetzen wollen. Viele beginnen zu studieren oder besuchen nach der Ausbildung bundesweit Fortbildungen und Kurse. Dafür verlassen sie die heimische Scholle für ein paar Monate oder sogar Jahre. Fernab vom Hof lernen sie dann nicht selten den Partner fürs Leben kennen. Dass der Freund oder die Freundin zu Hause auch einen Betrieb übernehmen möchte, ist da schon lange keine Seltenheit mehr. Zwei Menschen, die sich lieben und die eine starke Leidenschaft zur Landwirtschaft verbindet. Was auf den ersten Blick wie das perfekte Zukunftsmodell aussieht, hat bei genauem Hinsehen aber auch seine Schattenseiten.


Denn wie geht der alte Spruch noch gleich? „Heiratet man einen Landwirt, heiratet man seinen Hof und die Familie gleich mit.“ Stehen dann durch die Beziehung auf einmal zwei Höfe vor einem großen Fragezeichen, macht das die Sache ungleich komplizierter. Es ändert den Lebensweg der beiden Erben, aber auch die Zukunft der Höfe und ihrer Bewohner. Beide Familien werden erst einmal ordentlich durchgeschüttelt und müssen sich neu sortieren. Da ist es nicht selten, dass Eltern, Großeltern und Geschwister zunächst wenig begeistert sind und erst mal dichtmachen.


Zukunft ungewiss


Die zukünftigen Senioren sehen ihren Wunsch in Gefahr, mit den Enkeln auf dem Schoß den Ruhestand im Hoftrubel zu verbringen. „Jetzt haben wir den Betrieb so gut aufgestellt und Du willst das alles aufgeben“, ist eine Frage, der sich viele Hoferben stellen müssen. Sie zeigt die Verletzung der Übergeber. Ob die Eltern wirklich so denken und sprechen oder ob die Hoferben es im Inneren so empfinden, hat denselben Effekt. Es entstehen Unsicherheit, Sorgen und Konflikte. Das Gefühl, Entscheidungen treffen zu müssen, die den Frieden wahren und die eigene Familie versöhnt stimmen, kommt da leicht auf.


Segel setzen


Mit diesem Unmut im Bauch kann es schwer sein, den Blick von sich aus wieder positiv auf die Zukunft zu richten. Die Erben haben Angst, die Eltern zu enttäuschen oder sogar dem Betrieb und der Familientradition nicht gerecht werden zu können. Auf ihren Schultern lastet eine extreme moralische Verpflichtung.


Wer gegen selbstbewusste und fordernde Eltern bestehen möchte, muss in seine „Erwachsenenrolle“ finden. Das gelingt nur, wenn man auch dem Bauchgefühl Beachtung schenkt. Denn der Schwebezustand, bevor man überhaupt Entscheidungen treffen kann, hat auch Auswirkungen auf den Betrieb. Wozu investieren, wenn die Zukunft doch nun ungewiss ist? Die Verpflichtung gegenüber den Eltern und dem Erbe wird auch für das Paar zu einer Zerreißprobe.


Diese Last kann so erdrückend werden, dass eigentlich glückliche Beziehungen daran zerbrechen. Ob man das Hoferbe nach so starken Familienkonflikten noch mit Energie und Begeisterung für die Landwirtschaft antritt oder ob die Beziehung zwischen Erben und Eltern womöglich jahrelang gestört bleibt, sei mal dahingestellt.


„Ich möchte vor allem anderen Paaren Mut machen“, sagte Isabell Neumann* beim ersten Gespräch am Telefon. Sie ist vor einem Jahr zu Ehemann Anton* auf den 250 km entfernten Hof mit Ackerbau gezogen. Die Angst, die eigenen Eltern mit ihren Entscheidungen zu enttäuschen, hat sich für die beiden nicht bewahrheitet. Ganz im Gegenteil. Ihre Eltern haben das Paar vor den verletzenden Äußerungen der Großeltern in Schutz genommen, die ihr Lebenswerk bedroht sahen.


Es kommt, wie es kommt


Der Schritt von „wir probieren es“ zu „wir ziehen zusammen“ brachte dennoch drei Jahre voll schwerer Entscheidungen mit sich. „Die Entscheidungen fühlten sich erst dann gut an, als wir sie getroffen und ausgesprochen hatten“, erinnert sich Anton. „Schließlich saßen wir alle im Restaurant und haben darauf angestoßen, dass wir uns für einen Weg entschieden haben.“


Was beim Finden der eigenen Richtung helfen kann, ist Abstand vom Hof zu haben. Zum Beispiel bei einem Seminar oder im Urlaub. Ein wichtiger Schritt und ein gutes Werkzeug zur Orientierung sind Fragen, die die eigenen Gedanken und die persönliche Motivation verdeutlichen. Das Ziel: Die eigenen Bedürfnisse klar formulieren können. (Eine Auswahl solcher Fragen finden Sie in der Checkliste links.)


Natürlich sind all die sozialen Bande nicht einfach zu überblicken. Wer sich aber die Zeit nimmt, sich selbst zu hinterfragen, kann die Entscheidung treffen, die ihm oder ihr am stärksten entspricht. Wenn das am Ende dazu führt, sich für einen Betrieb zu entscheiden, heißt es nicht gleichzeitig, sich vom anderen Hof abzuwenden. So sieht es auch Isabell: „Bis meine Eltern in Rente gehen, bleiben noch einige Jahre. Was sich bis dahin alles verändert, müssen wir jetzt noch nicht vorhersagen.“


Anders war es bei Anna Müller*. Sie hat sich von vornherein dazu entschieden, zu Hause weiterzumachen. Und das, obwohl sie seit sechs Jahren auf dem 400 km entfernten Betrieb von Ehemann Paul* lebt. „Das gelingt nur, weil unsere Eltern eine starke Unterstützung sind“, sagt die Landwirtin.


Mehrere Wochen im Jahr verbringt sie komplett auf dem Betrieb, den sie bald vom Vater übernehmen möchte. Die Buchhaltung macht sie für beide Höfe digital. Anna und Paul Müller nehmen die Hürden, wie sie kommen. Aktuell machen sie sich Gedanken, wie sie das Familienleben, wenn die Kinder in die Schule kommen und Annas Vater in einigen Jahren kürzer treten möchte, managen können.


Trauer um den Hof


Die Entscheidungen über das Wie und Wo liegen immer bei den Paaren. „Paul und ich haben viel gesprochen, für uns war alles klar. Aber was wir häufig versäumt haben, ist unseren Eltern und Geschwistern von den Plänen zu erzählen“, sagt Anna Müller.


Dieser offene Austausch mit allen Familienmitgliedern kann dabei helfen, dass sich niemand zurückgelassen fühlt. Auch gemeinsame Rituale, z.B. zum Ernteabschluss oder ein Frühlingsfest, stärken die in der doppelten Hofübergabe belasteten Familienbande. Das klingt zunächst einfach. Doch im Alltag mit zwei Höfen und den Kindern ist man schon froh, abends etwas Zeit mit dem Partner zu haben. Den Anruf bei der Schwester vergisst man in dieser intensiven Lebensphase locker tagelang. Auch am Telefon mit dem Vater geht es dann meist nur um Betriebliches.


Was oft in Vergessenheit gerät: Auch die Hoferben, die sich gegen den elterlichen Betrieb entscheiden, trauern um den Hof – genauso wie ihre abgebenden Eltern trauern.


„Wenn ich von Zuhause träume, dann laufe ich auch heute noch durch das Bauernhaus, in dem ich geboren wurde“, sagt Karin Wolf*. Obwohl die Betriebe von ihr und ihrem Mann Franz* nur 35 km auseinanderlagen, verkaufte sie den eigenen Hof vor über 15 Jahren, um mit dem Geld einen Betrieb in der direkten Nachbarschaft von Franz zu kaufen. Dass die Eltern von sich aus vom Hof gezogen sind, machte die Situation dabei deutlich einfacher. „Bei allen Entscheidungen, die wir getroffen haben, dachten wir immer zuerst an die Zukunft unserer eigenen Kinder“, sagt sie. Doch eine junge Familie kostet Zeit und Energie. Das weiß auch Karin Wolf. „Ich hatte immer fest damit gerechnet, wieder voll in den Betrieb einzusteigen, sobald die Kinder in die Schule gehen“, sagt sie. Beiden Partnern war es immer wichtig, die gemeinsame Augenhöhe zu bewahren.


Ohne Konflikte findet man jedoch keinen gemeinsamen Weg. Familien, in denen alles harmonisch läuft, sprechen Tabus nicht an. „Ich hätte mich aber mehr geärgert, mein Leben lang ‚was wäre wenn‘ zu denken“, bringt Anna Müller ihre Gedanken auf den Punkt.


katharina.meusener@topagrar.com


katharina.meusener@topagrar.com


*Namen von der Redaktion geändert

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