"Wenn ich Migräne habe, ist das wie ein Loch, das meine ganze Energie aufsaugt. Der erste Vorbote ist ein dröhnendes Gefühl um den Kopf herum. Dann wird der rechte Arm wie gelähmt. Irgendwann verschwimmt alles vor meinen Augen. Ich werde extrem licht- und lärmempfindlich. Zuletzt setzt ein einseitiger Kopfschmerz ein.
Schlimm war vor allem die Heuernte: das Geschüttel, die Hitze in der Treckerkabine und die langen Arbeitszeiten."
Die erste Migräne hatte ich mit Anfang 30. Nach dem Studium steckte ich alle Energie in die Betriebs- und Familiengründung. Vorher hatte ich zwar mal Kopfschmerzen, aber nichts so Extremes wie die Migräne, die mich fortan mindestens zwei Tage im Monat wie ein Überfall traf.
Die Strategie, dagegen einfach Ibuprofen zu nehmen, war für mich völlig wirkungslos. Aber in einem dunklen Raum zu liegen und zu warten, bis es vorbeigeht, hat für mich auch nicht funktioniert. Ich habe mich immer übermäßig verantwortlich für den Betrieb, die Pensionspferde und die Ferienkinder gefühlt. Ich konnte es nicht über mich bringen, die Aufgaben abzugeben.
So stand ich mit Hut und dicker Sonnenbrille auf dem Hof und kämpfte mich durch. Damals habe ich gearbeitet, bis ich abends heulend vor Schmerz im Bett lag. Schlimm war vor allem die Heuernte: das Geschüttel, die Hitze in der Treckerkabine und die langen Arbeitszeiten.
Auch Ruhe half nicht
Ich habe viel versucht, um die Migräne in den Griff zu bekommen: Rehasport, eine Haushaltshilfe fürs Kochen, verschiedene Medikamente, Akupunktur. Wenn ich z. B. im Urlaub zur Ruhe kam, wurde es nur schlimmer. Rückblickend tut es mir vor allem leid, dass ich meine Energie in die Arbeit und nicht in die Familie gesteckt habe.
Statt zuvor an 28 Tagen im Monat, hatte ich jetzt bloß noch elf bis dreizehn Tage mit Migräne."
Schließlich bin ich für den Schmerzmittelentzug in eine Spezialklinik gegangen. Dort habe ich dann erst eine Cortison-Therapie begonnen und später Botox in den Haaransatz am Nacken gespritzt bekommen. Das war zum ersten Mal eine echte Erleichterung. Statt zuvor an 28 Tagen im Monat, hatte ich jetzt bloß noch elf bis dreizehn Tage mit Migräne.
Vor zwei Jahren fand ich dann durch einen neuen Neurologen die richtige Behandlung: eine Antikörperspritze. Ich bin sehr dankbar dafür, dass so viel in diesem Bereich geforscht wird. Auch dass die Krankheit gesellschaftlich anerkannter ist, gibt mir Hoffnung.
Ich muss zugeben, dass Selbstfürsorge wichtiger ist, als ich es damals wahrhaben wollte. Einfach mal auf der Wiese zu sitzen und den Kühen zuzusehen, das ging für mich nicht. Zwar weiß ich, dass Migräne erblich bedingt ist. Aus meiner Beobachtung heraus ist sie aber auch typenabhängig.
Es macht einen Unterschied, ob man sich Zeit für sich selbst nimmt. Manche trainieren für einen Marathon, andere lassen sich ein Bad ein. Mein Rat wäre in jedem Fall: Lass den Perfektionismus weg, schaffe Inseln und mache Pause.“