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topplus Schöne digitale Welt?

Digitale Medien im Familienalltag

Die Digitalisierung verändert den Alltag und das Familienleben. Welche Konflikte entstehen? Was ist praktisch, was macht Spaß? Wir haben mit Bäuerinnen und Fachleuten diskutiert.

Lesezeit: 10 Minuten

Alexa, spiel Bibi und Tina.“ Ein Satz, den man noch vor wenigen Jahren kaum je aus einem Kinderzimmer gehört hat. Doch nicht nur Sprachassistenten haben Einzug in die Haushalte gehalten. Auch Laptops, Tablets und Smartphones sind in vielen Familien heute Gebrauchsgegenstände für Groß und Klein. Daneben werden Streamingdienste, Spielekonsolen und smarte (Fitness-)Uhren eifrig und mit Begeisterung genutzt. Das zeigt: Für die meisten Kinder ist die digitale Welt heute ein selbstverständlicher Teil ihres Lebensraums geworden.

Die Onlinezeit fast aller Bundesbürger ist in den beiden Pandemiejahren weiter gestiegen. „Durch Corona sitzen die Kinder noch länger am Rechner“, hat auch Petra Bohnsack aus Einbeck-Erzhausen, Niedersachsen, beobachtet. Sie ist Mutter von vier Kindern zwischen 11 und 21 Jahren.

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Nicht wenige Jugendliche würden auf die Frage, wie oft sie online sind, wohl antworten: „Immer.“ Und so unrecht hätten sie nicht, denn ihr Smartphone IST immer online. Es wird selten länger als 10 Minuten vom jugendlichen Besitzer aus den Augen gelassen. Das gilt auch für viele Erwachsene.

Immer und überall online?

Moritz Becker, Medienpädagoge aus Hannover, ist sich sicher: „Es wird in Zukunft immer schwieriger, Onlinezeit in Minuten oder Stunden zu messen.“ Vielfach werden sich Online- und Offlinebereiche noch stärker vermischen“, sagt er.

Das ist schon jetzt oft der Fall: Podcast hören auf dem Trecker? Mit der ­internetfähigen Küchenmaschine nach Anweisung kochen? Oder während der Doppelkopfrunde die Spotify-Playlist laufen lassen? Das ist inzwischen so normal, dass es uns kaum noch auffällt.

Doch nicht nur die Bereiche des Lebens, in denen wir online sind, haben sich vervielfacht. Auch die Beurteilung dieser Onlinezeit hat sich gewandelt: Drei 12-Jährige, die einträchtig TikTok-Videos schauen und sich darüber kaputtlachen. Eine Familie, die gern gemeinsam auf Geocaching-Schatzsuche geht. Eine junge Frau, die über einen Onlinekurs das 10-Finger-Schreiben lernt. Wer in sich geht, stellt fest, dass ihm kaum etwas davon problematisch erscheint. Im Gegenteil. Vieles gilt als wertvoll, praktisch und unterhaltsam.

Ich bin rund 4 bis 6 Stunden pro Tag online. Meine liebste App ist TikTok.“ – Josephine, 14 Jahre

Verhaltensweisen, die vor der Coronapandemie als abgedreht oder ungesund galten, sind heute im Alltag vieler Menschen notwendig. Viele Haushalte haben sogar technisch aufgerüstet, um Homeschooling und Videokonferenzen zu ermöglichen. Doch ob Zoom-Call mit Opa oder virtueller Mädelsabend – einige dieser Nutzungen werden auch wieder im Sande verlaufen, ist Becker sicher. „Der Mensch ist gesellig und braucht Kontakt zu anderen.“

Familien, deren Internetanschluss und Datenleitungen für so viele Internetaktivitäten nicht ausreichen, hatten es in den letzten Jahren schwer. Denn das ist auf einigen Höfen noch immer Realität. „Mit dem Internet sieht es bei uns eher schlecht aus. Deshalb nutzen wir meistens den Fernseher“, sagt Landwirtin Sabine Kapp (34) aus Rietheim-Weilheim in Baden-Württemberg.

Kontrolle ist besser?

Doch dort, wo es technisch möglich ist, sorgen die überall verfügbaren Medien zwischen Eltern und Kindern für jede Menge Zündstoff. Die Kernfragen: Wie lange darf der Nachwuchs online sein, welche Inhalte sind altersgerecht und welche Geräte braucht ein Kind? Da­rüber haben wir mit vielen Landwirts­familien gesprochen. Die Meinungen gehen weit auseinander. Sie reichen von „Wir nutzen kaum Medien“ bis hin zu „Ach, wir sehen das eher locker“.

Viele Familien bemühen sich, einen Mittelweg zu finden – die Kinder weder von den Medien fernzuhalten, noch ihnen unbegrenzten Zugang dazu zu gewähren. Denn: Kinder lernen den Umgang mit den sozialen Medien ganz in­tuitiv von ihren Eltern, wenn sie ihn im Alltag erleben. Da wird das gemalte Bild der 3-Jährigen abfotografiert und an Oma geschickt. Oma schickt eine liebe Sprachnachricht zurück – das Kind hat erste, gute Erfahrungen online gemacht.

Doch wie viel ist zu viel? Das ist zunächst stark vom Alter der Kinder abhängig. „Wenn die Serie zu lang oder zu aufregend war, bekommen wir dafür ­direkt die Quittung“, berichtet Sandra Benne, 34 Jahre und Mutter einer ­4-Jährigen Tochter und eines 1-Jährigen Sohnes aus Frittlingen, Baden-Württemberg. Eine andere erklärt: „Man muss sich auch dafür interessieren, was kleine Kinder schauen. Nicht jede Serie, die ein FSK0-Siegel trägt, ist auch geeignet.“

Ich mag die Belohnungsspiele für bearbeitete Aufgaben in der Anton-App.“ – Julia, 8 Jahre

Mit dem Alter der Kinder verändert sich auch die Art der Mediennutzung. Während kleine Kinder auf das Fernsehen und Streamingdienste fokussiert sind, beginnt oft schon im Grundschulalter die Begeisterung fürs „Zocken“, für Spiele und Konsolen. „Wir feilschen ständig über Medienzeiten. Dürfen wir noch ein bisschen länger spielen? Gestern waren wir doch kaum am Handy“, beschreibt Simela Link, 42 Jahre alt, aus Tuningen in Baden-Württemberg die Gespräche mit ihren Söhnen.

Damit die Onlinezeit nicht überhand nimmt, nutzen viele Familien die ­Jugendschutz-App „FamilyLink“ als Kontrollinstrument. Mit ihr kann man Nutzungsdauer und Ruhephasen eines Geräts über das eigene Smartphone steuern. Auch die Inhalte, die die Kinder konsumieren, lassen sich damit überprüfen. „Ich finde es wichtig, dass die Kinder abends ab 19 Uhr nicht noch ständig bei Whatsapp reinschauen“, sagt Stella Bossow aus Pegestorf, Niedersachsen. Ihren 9- bzw. 11-jährigen Kindern gewährt sie eine bis eineinhalb Stunden Online- und Fernsehzeit am Tag. Doch auch wenn die Kindergeräte gesperrt sind, sind viele Kinder und Jugendliche versucht, noch mal „eben kurz“ etwas auf dem elterlichen Tablet oder Laptop nachzugucken. „Deshalb ist unser Betriebsrechner tabu“, erklärt auch Stella Bossow.

Ich hoffe, dass ich zum Geburtstag ein Tablet bekomme.“ – Elias, 8 Jahre

Moritz Becker zufolge bringen Jugendschutz-Apps vielen Familien eine gute Entlastung. Es müsse nicht diskutiert werden, weil das Gerät ohnehin irgendwann ausgehe. Doch genau das sieht er auch kritisch: „Kinder müssen sich reiben und lernen, zu diskutieren. Sind die Medienzeiten außen vor, suchen sie sich andere Bereiche, z. B. das Essen.“ Irgendwann stelle sich zwangsläufig die Frage: Wann ist der richtige Zeitpunkt, um vom regulierten auf den eigenverantwortlichen Medienkonsum umzustellen? Gunda Sälzer aus Bad Gandersheim, Niedersachsen, ist Mutter von drei Söhnen. Sie sagt: „Wir sind da recht locker. Die Jungs haben auf dem Hof ihre Pflichten und verbringen viel Zeit draußen. Da können wir beim Spielen auch mal ein Auge zudrücken.“

Der Hof ist Ausgleich

Auch Experten zufolge ist die Alltagsgestaltung der Kinder ein guter Indikator, wie entspannt Eltern mit der Mediennutzung umgehen dürfen. Gehen die Kinder gern einem Hobby nach? Treffen sie sich mit Gleichaltrigen? Kommen sie in der Schule gut mit, gehen mit dem Hund raus und erledigen Pflichten im Haushalt und auf dem Hof? Dann dürfe man sie ruhig mal länger Medien konsumieren lassen. Auch, wenn man selbst die Serie, die geguckt wird, schwachsinnig oder das Spiel zu schnell und zu hektisch findet. „Die Kinder haben ein Recht auf ihre eigene Jugendkultur“, sagt Moritz Becker.

Fast alle Mütter, mit denen wir gesprochen haben, sehen dabei den Hof und die Landwirtschaft als starkes Gegenwicht zur virtuellen Welt. „Sicherlich ist es in einer kleinen Stadtwohnung viel schwerer, die Kinder anderweitig zu beschäftigen“, glaubt Sabine Kapp. Der Platz und die Action, aber auch die Pflichten, die mit dem Hof einhergehen, erden die Kinder in der Realität, hat sie beobachtet.

och immer ist das Konsolen- und Onlinespiel „Landwirtschaftssimulator“ bei Kindern und Jugendlichen (nicht nur) vom Hof beliebt. „Unser Sohn hat darüber Freundschaft zu einem gleichaltrigen Jungen aus der Eifel geschlossen, der uns im Sommer für zwei Wochen besucht hat. Die beiden wollten nicht nur virtuell, sondern auch real gemeinsam dreschen“, berichtet Petra Bohnsack. Auch im Hause Sälzer ist „LS“ nach wie vor das Nonplus­ultra. „Zum Glück. Es ist nicht brutal und nicht hektisch. Außerdem verbindet es die Kinder mit der Landwirtschaft. Das macht auch mir viel Freude“, ergänzt die Bäuerin.

Die Uhr zum Tracken?

Ein weiterer Trend, an dem Eltern jüngerer Kinder kaum vorbeikommen: Smartwatches. Die Uhren können telefonieren, Nachrichten schreiben und – für viele Eltern besonders wichtig – ein GPS-Signal aussenden. Im Zweifel weiß man also, wo der Nachwuchs herumstromert, wenn er nicht zu Hause ist. So beliebt die Uhren bei Kindern und teilweise auch ihren Eltern sind, so pro­blematisch bewerten Pädagogen die Tracking-Funktion.

Moritz Becker kann kaum Argumente für die Nutzung finden. Vielleicht eines: „Sie befriedigen ein Sicherheitsbedürfnis der Eltern.“ Doch: Sie würden den Kindern mehr schaden, als dass sie ihnen nutzen. Becker erläutert: „Wenn ein Kind den Schulweg allein bewältigt, ist es selbst dafür verantwortlich, dass es pünktlich und ohne nasse Füße ankommt. Das ist anfangs eine Herausforderung. Aber daran wächst das Kind und wird selbstbewusster.“ Durch die Uhr habe es nie die Möglichkeit, sich ganz auf sich selbst zu verlassen.

Verstörende Inhalte

Als Herausforderung sehen Pädagogen den Umgang mit verstörenden Inhalten aus dem Netz an. Denn, so die Erfahrung: Jeder Mensch, der sich im Internet bewegt, kommt zwangsläufig mit Inhalten in Berührung, die er gar nicht sehen möchte, die ihn verstören oder beunru­higen. Ob das nun ein Gewaltvideo aus ­einem Kriegsgebiet ist, Pornografie, die ungefragt in der Whatsapp-Gruppe geteilt wird, oder der Kontakt zu Er­wachsenen, die sich in Plattformen oder Onlinespielen als Jugendliche ausgeben. „Ganz klar: In allen drei Fällen sind die Kinder die Opfer und erst einmal unschuldig“, sagt Moritz Becker.

Er rät Eltern, Kinder nicht zu bestrafen, wenn es dazu kommt. Wichtiger sei es, darüber zu sprechen, sie zu trösten, zu erklären und das Gesehene einzuordnen. „Wer von den Eltern hört, dass er nicht mit fremden Erwachsenen im Netz sprechen darf, vertraut sich ihnen vermutlich nicht so leicht an wie jemand, den die Eltern auf Augenhöhe über die Gefahren aufgeklärt haben.“

Ist offline der neue Luxus?

Und wie sehen die Eltern ihr eigenes Medienverhalten? Durchaus kritisch, zeigen unsere Gespräche. Sie berichten von ähnlichen Abgrenzungsproblemen wie ihre Kinder. „Manchmal ertappe ich mich dabei, dass ich neben meinem Mann auf dem Sofa sitze und durch Facebook scrolle. Dann packe ich das Handy schnell weg“, sagt eine Bäuerin.

Viel Zeit verwenden die Frauen für Whatsapp, das vielen als unverzichtbar für die Kommunikation mit der Landfrauengruppe und den Freundinnen gilt. Aber gleichzeitig stellt es auch oft eine lästige Störung dar, die dazu führt, dass man immer wieder Tätigkeiten unterbrechen muss. „Nachmittags, wenn ich eigentlich mit den Kindern spiele und dann doch das Handy zur Hand nehme, weil es ja wichtig sein könnte, bin ich oft genervt von mir selbst“, berichtet eine Bäuerin.

Doch die App hat auch im Betrieb und bei der Arbeit an Bedeutung gewonnen. Kundenbestellungen für den Hofladen oder die Nachricht von der Werkstatt – alles landet auf dem Smartphone. „Manchmal schicke ich sogar die Mittagessenszeit per Whatsapp rum. Dann kommen wenigstens alle pünktlich“, schmunzelt Michaela Heß, 28, aus Balgheim, Baden-Württemberg.

Auch unseren Gesprächspartnerinnen helfen hier feste Regeln. „Zu den Mahlzeiten ist handyfrei“, erklärt Sandra Benne. Diese Medienpause haben viele Landhaushalte etabliert – und sie gilt für alle, auch für die Azubis.

Wenn man sich mit Freunden trifft oder gemeinsam Kaffee trinkt, ver­suchen viele, das Handy wegzulegen. Nur in Gegenwart des Partners sieht das so mancher etwas lockerer – zur eigenen Unzufriedenheit.

Zudem ist das Smartphone für das abendliche Ausgehen inzwischen un­verzichtbar geworden. Eintrittskarten, Wegbeschreibung, das digitale Impfzertifikat? Alles auf dem Telefon. „Klar ist das praktisch. Aber das Handy ist inzwischen wichtiger als das Portemonnaie. Das stört mich manchmal doch“, fasst es eine Bäuerin zusammen. Gilt also für die Landwirte und Landwirtinnen „Offline ist der neue Luxus“? Zumindest können viele diesem Spruch etwas Wahres abgewinnen. Doch längst nicht nur. Podcast hören, an Webinaren aus dem Betriebsbüro heraus teilnehmen, den Sprachassistenten für die Seniorin im Altenteil nutzen: „Viele Anwendungen sind richtig klasse“, sagt eine Gesprächspartnerin mit Begeisterung. Und fügt hinzu: „Dann muss ja nur noch die Leitung und das Datenvolumen im Betrieb stimmen, damit man sie auch alle nutzen kann.“

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