Auf landwirtschaftlichen Betrieben wird durchaus offen über Geld gesprochen – meist im Kontext von Investitionen und Erlösen. Eher gehemmt verläuft das Gespräch, wenn es um persönliche oder familiäre Finanzen geht. In der Tendenz benachteiligt das die Frauen. Denn sie haben die höhere Lebenserwartung. Nicht selten hängt ihre Altersvorsorge von Hof und Ehe ab. Bedenkt man, welchen Wert Frauen für den finanziellen Erfolg des Hofes haben und welchen Einsatz sie im Betriebsbüro zeigen, ist das umso bemerkenswerter. Anne Dirksen, sozioökonomische Beraterin bei der Landwirtschaftskammer (LWK) Niedersachsen, erklärt, wie gute Absicherung gelingt.
Frau Dirksen, wieso ist es manchmal so schwer, Geld in die eigene Absicherung zu investieren?
Dirksen: Leider haben Gespräche darüber das Stigma, unwillkommen oder sogar egoistisch zu sein. Dazu kommt, dass es viele Menschen gibt, die Themen wie Altersarmut sowie Risiken durch Krankheit oder Tod gedanklich lieber zur Seite schieben. Viele haben Angst, dass ein Unglück geschieht, sobald sie ein Testament aufsetzen.
Wie begegnen Sie solchen Ängsten?
Dirksen: Mit Realismus. Die Gebäude haben ja auch alle eine Feuerversicherung – und zwar nicht, weil jemand die Absicht hätte, die Bude abzufackeln. Dabei ist die Wahrscheinlichkeit, dass der Betrieb abbrennt, niedriger als das Risiko, dass jemand berufsunfähig wird oder verstirbt.
Sozioökonomische Beratung
Den Menschen und dem Betrieb dabei helfen, Entscheidungen zu treffen, bei denen wirtschaftliche Leistungen und soziale Lebensumstände gleichermaßen eine Rolle spielen: das ist sozioökonomische Beratung. Sie berücksichtigt soziale und wirtschaftliche Faktoren. Das betrifft beispielsweise die Arbeitsbelastung in der Familie, Generationenkonflikte, soziale Absicherung, Hofübergabe oder die Lebensqualität und Zukunftsperspektiven.
Angenommen, ich will daran heute etwas ändern. Wo fange ich an?
Dirksen: Die Absicherung kann man sich als Pyramide vorstellen. Die Basis ist die Existenzsicherung, also alles, was nötig ist, um zu verhindern, dass man ruiniert ist, wenn der Partner arbeitsunfähig wird oder verstirbt. Die Altersvorsorge kommt erst, nachdem die unmittelbaren Risiken abgesichert sind. Dann kann man gucken, welche Wege es gibt, Vermögen aufzubauen –ohne sich dabei zu sehr zu knebeln.
Wie geht man dabei vor?
Dirksen: Mein Tipp wäre, möglichst flexibel zu bleiben. Man sollte sich also einen Weg suchen, bei dem man nicht monatlich zahlen muss, sondern auch mal mehr oder weniger einzahlen kann, je nachdem, wie die Situation ist. Und wo es möglich ist, sollte man staatliche Unterstützung in Anspruch nehmen, also z. B. Riesterzulagen.
Alle Ehen enden irgendwann: entweder durch Tod oder durch Scheidung."
Nicht alle Frauen haben Einkommen, das sie nach den eigenen Vorstellungen ausgeben können.
Dirksen: Dann sollten sie sich im Klaren darüber sein, dass sie finanziell
abhängig sind. Was passiert, falls ihre Ehe endet? Denn alle Ehen enden irgendwann: entweder durch Tod oder durch Scheidung. Sind sie im Testament begünstigt? Können sie sich eine Wohnung leisten? In vielen Eheverträgen steht auch viel Unfug.
Wieso sprechen Sie das so deutlich an?
Dirksen: Ich erlebe häufig, dass der Hof in Eheverträgen als privilegiertes Vermögen des Mannes ausgewiesen wird, das nicht dem Zugewinnausgleich unterliegt. Bei einer Scheidung hätte die Frau daher keinen Anspruch auf das zugewonnene Vermögen des Hofes – egal, wie viel Arbeit sie in den Betrieb gesteckt hat. Natürlich ist es richtig, den Hof abzusichern, aber genauso richtig ist es, die Partnerin und die Familie abzusichern.
Ein anderes Thema sind Darlehensverträge. Wo liegt hier der Knackpunkt?
Dirksen: Wenn ich meine Ersparnisse in den Betrieb gebe, dann ist das eine Schenkung. Bei einer Scheidung hätte ich keinen Anspruch mehr auf das Geld. Falls mein Partner verstirbt, bekomme ich – wenn überhaupt – nur Anteile davon zurück. Das eigene Vermögen abzusichern, ist nur vernünftig.
Meine Arbeit hat Wert, ich erbringe für den Betrieb und für die Familie eine Leistung. Das muss honoriert werden.“
Wie gelingt es, das Gespräch über die Absicherung zu beginnen?
Dirksen: Meine Oma hat immer gesagt „Wer sick för’n Pannkoken uitgift, de wird auk dovör upgetten.“ Wer sich als Pfannkuchen ausgibt, wird auch als Pfannkuchen aufgegessen. Es ist nicht leicht, als Bittsteller aufzutreten. Aber genau darum geht es ja: Meine Arbeit hat Wert, ich erbringe für den Betrieb und für die Familie eine Leistung. Das muss honoriert werden. Mache ich mich selbst klein oder rede ich mir ein, dem Betrieb nicht zur Last fallen zu wollen? Dann kann ich die Wichtigkeit meiner eigenen Absicherung auch nicht meinem Partner gegenüber vertreten.
Viele Betriebsleiterpaare betrachten das Betriebsvermögen und damit ihr Altenteil als gute Absicherung für die Rente. Ist das ein Irrglaube?
Dirksen: Keineswegs, falls der Hof
finanziell stark genug ist. Aber letztlich setzt man damit alles auf eine Karte, nämlich den Betrieb. Sich über die Risikoabsicherung Gedanken zu machen, ist auch für den Hof etwas Ökonomisches. Wenn ich mich um eine hofunabhängige Rente bemühe, hat mein Nachfolger mehr Kapital für Investitionen. Außerdem muss ich dann später nicht als Bittsteller auftreten. Wer 40 Jahre lang gearbeitet hat, sollte diese Rolle nicht einnehmen müssen.
Was ist finanzielle Unabhängigkeit?
Dirksen: Finanzielle Unabhängigkeit ermöglicht selbstbestimmtes Handeln. Außerdem gibt sie die Sicherheit, bei Katastrophen oder Rückschlägen nicht ausschließlich auf den Hof angewiesen zu sein. Niemand muss alles wissen oder können. Aber Beratung anzunehmen, die unabhängig von Verkaufsinteressen ist, oder eine der zahlreichen Informationsquellen zu dem Thema zu nutzen, ist für mich eine lebenslange Verantwortung. Es ist Zeit, das Schweigen zu brechen und über finanzielle Sicherheit zu sprechen. Sie bringt jedem Familienmitglied und auch dem Betrieb viele Vorteile.