Dieser Artikel erschien zuerst in der top agrar 8/2020
Was treibt einen 30-Jährigen an, in Zeiten politischer Diskussionen und gesellschaftlicher Skepsis einen Betrieb zu übernehmen? Wie ticken die jungen Menschen? Wer ist die nächste Generation Landwirte? Wir haben mit fünf jungen Übernehmer/-innen gesprochen und schon am Telefon stellte sich heraus: Die Tradition des „ältesten Sohnes“ ist überholt. Wer heute den Weg in die Ausbildung zum Landwirt oder zum Agrarstudium einschlägt, tut das nicht aus einer Familientradition heraus, sondern trifft eine zuvor gut durchdachte Entscheidung.
Das Berufsbild ist vielfältig und der Mix aus Büroarbeit und Maloche genau das Richtige für die Jungen Wilden. Digitale Buchführung, Ackerschlagkartei und Precision Farming gehören für sie längst zum Standardwerkzeug. Die Übernehmer suchen nach kreativen Lösungen, stellen ausgetretene Pfade infrage und packen ordentlich an. Urlaub, Wochenende und Freizeit haben einen hohen Stellenwert. Die Gespräche zeigen aber auch: Der Hof bekommt ein hohes Maß an Energie und Aufmerksamkeit. Da bleibt man auch mal bis spät nachts am Computer.
Jan Peter Höft
Tierwohl, moderne Technik und digitales Arbeiten sind dem 31-jährigen Schweinebauern aus Brest bei Stade in Niedersachsen wichtig.
„Meine drei Geschwister leben teilweise noch auf unserem 145 ha großen Hof. Mit meiner Freundin Isabell bin ich deshalb ins Altenteil im Dorf gezogen. Zum Stall brauche ich nur fünf Minuten. Es tut trotzdem gut, ab und zu auch etwas Abstand zum Hof zu haben. Mit meinem Vater habe ich eine GbR gegründet. Das erleichtert mir den Einstieg in den Betrieb ungemein. Ich stehe in der Verantwortung, kann mich aber auf die Rückendeckung meines Vaters verlassen. Er kennt das Auf und Ab der Politik schon länger und gibt mir viel Ruhe, wenn bei mir angesichts der Entscheidungen zum Pflanzenschutz mal wieder alle Lichter ausgehen. Mit den aktuellen Krisen, Preiseinbrüchen und dem immer schlechter werdenden Bild der Landwirtschaft würde mir die Entscheidung, den Hof zu übernehmen, heute im Vergleich zur Zeit vor dem Studium wahrscheinlich etwas schwerer fallen.
Als Betriebsleiter muss man auch auf der sozialen Ebene fit sein.“ – Jan Peter Höft
Mittags sitzen wir alle gemeinsam bei meinen Eltern am Tisch. Meine Mutter ist auf dem Hof eine feste Instanz und für viele soziale Angelegenheiten oft die erste Ansprechpartnerin und Vermittlerin. Das habe ich gar nicht so sehr wahrgenommen, bevor ich in alle Abläufe mit eingebunden war. Vor allem im Umgang mit unserem Mitarbeiter oder den Saisonarbeitern kann ich noch viel von ihr lernen.
So etwas Kommunikatives wie Direktvermarktung wäre sicher nichts für mich. Dafür sind Zahlen meine Stärke. Die Büroarbeit liegt mir. Das war auch der erste Bereich, den mein Vater mir überlassen hat. Eine digitale Ackerschlagkartei braucht man in meinen Augen heute einfach. Von Ideen wie einem papierlosen Büro sind wir aber noch weit entfernt.
Bei Entwicklungen habe ich freie Hand. Klar stimme ich mich bei großen Investitionen mit meinem Vater ab, aber ich darf meinen Kurs einschlagen. Den Schweinestall mit 1900 Mastplätzen haben wir z.B. unseren Möglichkeiten entsprechend den Tierwohl-Richtlinien angepasst. Zusätzliches organisches Material zur Beschäftigung, mehr Platz: Als Schweinehalter sehe ich einen deutlichen Unterschied bei den Tieren. Das motiviert mich dazu, weiter in diese Richtung zu gehen.“
Gibt es eine Lebensweisheit, die Ihr Vater Ihnen mitgegeben hat?
Höft: Wir haben kein Familienmotto oder Ähnliches. Aber wenn ich von meinem Vater etwas mitgenommen habe, dann erst nachzudenken, bevor ich etwas sage oder tue.
Finden Sie die Zeit, um Urlaub zu machen und zu entspannen?
Höft: Absolut. Im Sommer machen meine Eltern, der Mitarbeiter und ich abwechselnd Urlaub. Im Winter fahre ich gewöhnlich auch weg. Am Wochenende mal abzuschalten, geht sonst auch einfach gut auf der Couch.
Was möchten Sie besser können?
Höft: Ich ärgere mich sehr, dass ich in der Ausbildung und im Studium sozialen Themen nicht mehr Aufmerksamkeit geschenkt habe. Bei der Mitarbeiterführung käme mir das jetzt womöglich zugute.
Was macht das Erfolgsmodell Familienbetrieb aus? Dem Thema haben wir im top-talk am vergangenen Donnerstag mit Vertretern aus Landwirtschaft und Agrar-Industrie auf den Zahn gefühlt. Hier sehen Sie das Video.