Landwirte sind augenscheinlich deutlich stärker von Burnout gefährdet als andere Berufsgruppen. Das legen aktuelle Studien nahe. Die Uni Salzburg stellte fest, dass mehr als jeder vierte Bauer Burnout-gefährdet ist. Und das Bundesagrarministerium mahnt, dass mindestens ein Fünftel der Landfrauen betroffen ist.
Viele Landwirte und Landwirtinnen stehen demnach am Rande der völligen Erschöpfung, berichtet der SWR. Das bestätigt auch Landwirt Stefan Leichenauer aus Tengen-Uttenhofen (Kreis Konstanz). Er spricht offen darüber, dass ihn vor einigen Jahren ein Burnout in die Knie zwang. Heute würden ihn gestandene Männer anrufen, die er kennt, von denen er nie dachte, dass auch sie unter Burnout leiden.
Plötzlich der Bauer auf dem Hof
Bei Leichenauer war der Tod des Vaters der Beginn des Leidens. Plötzlich musste er den Hof alleine bewirtschaften und war damit zusehends überfordert, sagte er dem SWR. An einem Sommertag sei er dann mit dem Mähdrescher auf dem Feld gewesen und wollte das Schneidwerk anhängen. Als er ausstieg sei er plötzlich zusammengebrochen. "Der Akku war leer." Ein bis zwei Stunden lag er bewusstlos halb unter der laufenden Maschine. Dann entdeckte ihn sein Cousin.
Leichenauer meinte damals, er habe einfach zu wenig geschlafen. Doch dann sei ihm schmerzhaft klar geworden, dass er am Ende ist. "In dieser Nacht, sag ich ehrlich, hab' ich Selbstmordgedanken gehabt", berichtet der 46-Jährige in dem TV-Beitrag.
Erst dann habe er seiner Frau seine Gefühlswelt offenbart. Die sei wenig überrascht gewesen, weil ihr Mann schon seit Langem gereizt, launisch und bisweilen antriebslos gewesen sei. Zu diesem Zeitpunkt sei sie selbst bereits völlig erschöpft gewesen und habe nur noch funktioniert, schildert Nicole Kopp.
Hof verkleinern und Hilfe suchen
Stefan Leichenauer holte sich therapeutische Hilfe, nahm an einem einwöchigen Anti-Stress-Seminar teil und beschloss, den Betrieb zu verkleinern. Das Milchvieh haben die beiden verkauft, sie konzentrieren sich jetzt ganz auf Mastbullen und Ackerbau. Nicole hat einen Job in einer Tengener Arztpraxis angenommen. So kommen sie gut über die Runden und haben seitdem deutlich weniger Stress.
Zuzugeben, dass man mit den Kräften am Ende ist, gehört nicht unbedingt zum Selbstbild eines zähen Bauern, sagt der Bauer.
Hohe Selbstmordrate
"Die Suizidrate in der Landwirtschaft ist leider recht hoch", weiß Stefan Leichenauer, der auch Vorsitzender des BLHV-Kreisverbands Konstanz ist. Allein in seinem Umfeld habe es in den letzten Monaten drei Fälle gegeben. Damit es nicht so weit kommt, hat die Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau (SVLFG) eine 24-Stunden-Krisenhotline eingerichtet. Und die wird von den Landwirten immer häufiger genutzt. Etwa 150 Menschen rufen dort inzwischen pro Monat an. Jeder Dritte hat psychische Probleme, erfuhr der SWR.
Die Gründe
Die hohe Arbeitsbelastung liegt laut Hans-Martin Schwarz vom Landwirtschaftsamt des Schwarzwald-Baar-Kreises an strengen Auflagen, immer mehr Bürokratie und ständig schwankenden Marktpreise. Durch weniger Personal laste viel Arbeit und Verantwortung auf den Familien. Nicht zuletzt seien auch die Ansprüche der Gesellschaft groß.