Hühner sind in meinen Augen die Beamten der Landwirtschaft“, sagt Rudolf Platen und lacht. „Alles muss seine Ordnung haben.“ Dabei lehnt er sich gegen den Zaun und beobachtet seine neueste Hühnerschar, die lautstark aus dem Mobilstall turnt und ihr künftiges Areal in Augenschein nimmt. Die ersten inspizieren die Weihnachtsbäume des Landwirts und fangen fleißig an zu scharren. Er zeigt auf ein besonders freches Huhn, das gerade mit einer anderen Henne diskutiert: „Sie brauchen ihr geregeltes Umfeld, sonst sind sie nicht glücklich“, erklärt Platen mit einem Augenzwinkern.
Ich bin eigentlich immer der Verrückte, der wieder mit einer neuen Idee um die Ecke kommt.“
Für den Landwirt hingegen darf es ruhig mal unkonventionell sein: „Ich bin eigentlich immer der Verrückte, der wieder mit einer neuen Idee um die Ecke kommt“, so der 52-Jährige. Er lebt mit seiner Frau Yvonne und den drei Kindern auf einem Ackerbaubetrieb in Tönisvorst (NRW), den er von seinen Eltern übernommen hat.
Bereits während der Ausbildung zum Landwirt kam ihm die Idee, auf den heimischen Flächen Weihnachtsbäume anzupflanzen. „Mein Lehrbetrieb hat mich inspiriert. Mir gefiel die Arbeit dort mit den Bäumen. Ich mag die Ruhe, die man damit hat: Bäume sind nämlich nichts für Hektiker“, erklärt er und spaziert durch seine Weihnachtsbaumkultur. Hier wechseln sich unterschiedlich große Nordmanntannen und Blaufichten ab, wie in einem kleinen Wald. Seit 30 Jahren sind sie fester Bestandteil des Betriebes, jedoch nicht das einzige Standbein.
Breit aufgestellt
Rudolf Platen bewirtschaftet 70 Hektar Acker, mästet Schweine und Hähnchen. Bereits 2005 ließ er eine Photovoltaikanlage installieren. Im Laufe der Jahre kamen eine eigene Website, eine Streuobstwiese mit Schafen und die mobile Hühnerhaltung mit Tannenhühnern inklusive Eiervermarktung ab Hof hinzu.
„Ich vergleiche den Betrieb gerne mit einem Stuhl: Je mehr Beine er hat, desto stabiler steht er. Ich möchte das Risiko splitten, so wie man es früher gemacht hat. Und ganz ehrlich: Ich brauche einfach regelmäßige Veränderungen und Herausforderungen“, erklärt der Landwirt, der von seiner Familie tatkräftig unterstützt wird. „Zum Glück“, ergänzt er lächelnd.
Seine Frau Yvonne erdet ihn bei allen Vorhaben und verhilft ihm oft auch zu einer anderen Perspektive. „Sie hat ein super Bauchgefühl und nimmt die feinen Zwischentöne wahr, gerade im Umgang mit Kunden. Gemeinsam sind wir ein tolles Team“, freut sich der Niederrheiner.
Gefiederte Betriebshelfer
Die Idee mit den Tannenhühnern kam ihm, als er in einem Artikel darüber stolperte, dass das Bankivahuhn, Urahn der heutigen Hühnerrassen, aus dem Dschungel stammt. „Ich habe mir meine Bäume angeschaut und gedacht: Unter ihnen müsste sich das Federvieh doch wohlfühlen“, erinnert sich Rudolf Platen.
Ich bin nun eben der mit den Tannenhühnern."
So wurde kurzfristig ein alter Wohnwagen umfunktioniert, den der Landwirt direkt neben den Weihnachtsbäumen platzierte. Nach einem erfolgreichen Testlauf ohne nennenswerte Greifvogelübergriffe folgte 2020 dann das professionelle Hühnermobil. „Ich mag die Hennen. Bei ihrem Umgang untereinander denke ich aber manchmal: Ihr seid echt gemein zueinander“, sagt der Hühnerfan und schmunzelt.
Auch bei seinen Kunden kommen die Tiere gut an. „Man kann schon sagen, dass das Ganze publikumswirksam ist. Ich bin nun eben der mit den Tannenhühnern“, erklärt er und zeigt auf den auffälligen Schriftzug auf seinem Hühnermobil. Interessierte können übrigens ein Abo abschließen: Jede Woche im Jahr gibt es dann sechs Eier und am Ende der Saison ein Suppenhuhn.
Doch, bei aller Begeisterung, ist der Arbeitsbedarf natürlich nicht zu unterschätzen: Eine Person müsse mindestens eine Stunde pro Tag in die Hühner investieren, inklusive Eiersammeln und Bestückung des Selbstbedienungsladens auf dem Hof.
Ein wichtiges Fest
In den Wochen vor Weihnachten ziehen die aktuell 349 Hühner von der Schonung auf eine Wiese nebenan um. Denn dann gehört das Terrain den Kunden, die über die Fläche streifen und sich einen Baum aussuchen. Die Ausrichtung des Betriebes auf Weihnachtsbäume hat für Rudolf Platen neben der Diversifizierung auch einen anderen Reiz: Er liebt Weihnachten. „Für mich ist es das wichtigste Fest im Jahr“, stellt er klar. Und damit ist er nicht allein: „Der Weihnachtsbaum ist auch für unsere Kunden etwas Besonderes und sie nähern sich dem Thema auf eine gewisse Art und Weise“, berichtet er. „Jeder von uns hat seine Geschichte und eigene Erinnerungen an das Fest. Das macht es emotional.“
Und deshalb will Platen das Abholen der Bäume zu einem Erlebnis machen. So ist der „Bauernhof mit viel Herz“, wie es auf der Website der Familie heißt, für die Feiertage festlich geschmückt. Für das passende Ambiente gibt es an den Wochenenden zudem Glühwein, Waffeln und Bratwurst.
Eine Weihnachtsbaum-App erleichtert die Abwicklung der Reservierung. Wer möchte und in der Nähe wohnt, bekommt den Baum sogar nach Hause geliefert. Dass hierbei eine gute Abgrenzung wichtig ist, lernte der Baumexperte mit den Jahren: „Ich versuche, die Wünsche meiner Kunden zu erfüllen, möchte mich selbst dabei aber auch nicht vergessen. Bei einer Anfrage für die 4,5 m hohe Tanne in den achten Stock eines Altbaus sage ich also auch schon mal Nein“, schmunzelt er.
Platens selbst feiern das christliche Fest ausgiebig. „Es ist mir wichtig, dass die Bedeutung von Weihnachten nicht verloren geht“, erzählt der Landwirt. Mit Heiligabend kommt für alle gleichzeitig das Ende der Saison. Die letzte Amtshandlung: den eigenen Baum aussuchen. Dafür ist immer ein anderes Familienmitglied zuständig. „Ich bin gespannt, welcher Baum es dieses Jahr wird“, sagt Rudolf Platen und verschwindet wieder zwischen den Nadeln.