Landwirtin Miriam Boyens lebt seit 2017 in Neuseeland.
Deutschen Junglandwirten ermöglicht sie, als Erntehelfer auf neuseeländischen und australischen Farmen zu arbeiten.
„International Harvest Hands“ heißt ihr eigenes Unternehmen.
Gute Leute mit guten Betrieben hier vor Ort zusammenzubringen, das ist mein Ziel“, sagt Miriam Boyens und lächelt in die Laptop-Kamera. Bei ihr in Neuseeland, genauer auf der Südinsel nahe Christchurch, ist es Viertel nach acht am Freitagabend. Und dennoch keine Spur von Müdigkeit oder Sehnsucht nach dem Wochenende. Im Gegenteil: Die Begeisterung, mit der die gebürtige Kielerin von ihrer Arbeit mit „International Harvest Hands“ erzählt, ist förmlich greifbar.
Erntehelfer, Lkw-Fahrer und Nannys
Allein in der Saison 2024/2025 hat sie mit ihrem Unternehmen zahlreiche „Matches“ herbeigeführt. 48 Junglandwirtinnen und -landwirte aus Deutschland erleben aktuell das Abenteuer „Arbeiten im Ausland“ – entweder als Erntehelfer, neuerdings aber auch als Lkw-Fahrer und manchmal als Nanny. Dabei sind die Personen, die Miriam Boyens gegen eine Gebühr für mindestens drei Monate auf Familienbetriebe in ihre Wahlheimat oder das nebenan gelegene Australien vermittelt, zwischen 22 und 31 Jahre alt. Denn mit Anfang 20 habe man einige Lebenserfahrung gesammelt; 31 ist die obere Altersgrenze für das Working-Holiday-Visum.
Die richtige Einstellung
Worauf Miriam Boyens bei der Vermittlung achtet? Ob nach der Ausbildung, im Studium oder danach: Was die Erntehelfer angeht, sei die richtige Einstellung entscheidend. „Man muss sich darauf einlassen können, dass die Dinge anders laufen als zu Hause. Ständig mit Deutschland zu vergleichen, bringt nichts“, meint die Landwirtin. Seit 2017 lebt sie permanent in Neuseeland und wird im Frühling 2025 offizielle Staatsbürgerin. Auf der anderen Seite der Welt sei es nicht besser oder schlechter, sondern einfach anders.
Neuseeland in drei Worten? Entspannt, lebenswert, attraktiv.“
Persönliche Kontakte
Perfekt Englisch sprechen müsse man übrigens nicht. Man sollte gute Grundlagen haben und Dinge umschreiben können – etwas, das Miriam Boyens schon beim Kennenlernen abklopft. „Wenn ich mit Interessierten telefoniere, sie nach ihren Erfahrungen und Erwartungen frage, switche ich meist kurz auf Englisch. Dann merke ich schnell, ob es passt oder nicht“, sagt sie. Absagen musste sie bisher selten.
Die Betriebe, mit denen die Agrarwissenschaftlerin Junglandwirte vernetzt, kennt sie allesamt persönlich – über Freunde, Bekannte und Nachbarn. Sie bieten Familienanschluss und faire Behandlung. „Wer nur Stone Picker sucht, also Steineaufsammler, ist bei mir an der falschen Adresse“, stellt Miriam Boyens klar. Die Bezahlung liegt bei ca. 27 Dollar/Stunde in Neuseeland und 35 Dollar/Stunde in Australien. Das sind aktuell ungefähr 14 bzw. 20 €.
Rund 90 Farmen mit Ackerbau und Milchvieh sowie Lohnunternehmen in Neuseeland zählen derzeit zum Netzwerk der 34-Jährigen. Nach Australien hat sie ca. 35 Kontakte. Darunter befindet sich auch der Hof, auf dem sie selbst vor gut zehn Jahren gejobbt hat.
Hürden abbauen
„Nach dem Abi habe ich eine Weltreise gemacht. Während und nach meinem Studium war ich für landwirtschaftlich geprägte Reisen und als Erntehelferin in Russland, Argentinien, Australien und Neuseeland“, erzählt Miriam Boyens und strahlt. Persönlich habe sie viel davon mitgenommen.
Gleichzeitig hätten undurchsichtige Angebote im Netz, lückenhafte Informationen und zähe Kontaktaufnahmen sie bei der Organisation Nerven gekostet. „Diese Hürden möchte ich für andere abbauen“, sagt die Unternehmerin. „Außerdem macht es mir Freude, zu sehen, wie die Junglandwirte hier ihren Alltag aufbauen und Erinnerungen fürs Leben schaffen.“
Der persönliche Kontakt zu den Erntehelfern vor Ort ist Miriam Boyens besonders wichtig. So telefoniert sie mit den „Australiern“. Die „Neuseeländer“ klappert sie alle auf mehrstündigen Touren mit dem Auto ab. Dann ist z. B. bei einer Fahrt auf dem Drescher Gelegenheit, sich mit den Junglandwirten und den Betriebsleitern auszutauschen. Letztere trifft sie auch außerhalb der Saison auf eine Tasse Kaffee.
Good old Germany
Aber wie wird man überhaupt auf „International Harvest Hands“ aufmerksam? „Viel läuft über Mundpropaganda von Ehemaligen. Zudem halte ich Online-Vorträge an deutschen Unis, stehe für Podcasts und Interviews zur Verfügung und bin auf Instagram aktiv“, erklärt Miriam Boyens.
Alle anderthalb bis zwei Jahre besucht die Wahl-Neuseeländerin Familie und Freunde in Deutschland. Dann hofft sie, auch mal eine Drückjagd, einen Polterabend oder ein Dorffest mitzunehmen. Ihr Wunsch für dieses Jahr: neuseeländische Betriebsleiter über die Agritechnica zu führen.