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topplus Zwischen Fürsorge und Überforderung

Pflege der Altenteiler: Hilfe anzunehmen, ist kein Tabu

Die Pflege der eigenen Eltern oder der Schwiegereltern bedeutet oft Jahre der Selbstaufopferung. Hinzu kommen Erwartungen und familiäre Spannungen. Ein Blick auf die Situation der Pflegenden.

Lesezeit: 5 Minuten

Opa kam zum Sterben nach Hause. Dass er danach noch fast zwei Jahre leben würde, damit habe ich gar nicht gerechnet“, sagt eine Bäuerin im Gespräch. Viele Altenteiler haben das Glück, bis zum Tod auf dem Hof leben zu können. Oft dank ihrer (Schwieger-)Töchter, die viele Freiheiten in dieser intensiven Familienphase aufgeben. Jeder wird gern zu Hause alt. Doch dank der Pflegeklausel im Übergabevertrag haben die Altenteiler auf den Höfen dazu auch eine schriftliche Absicherung. „Die Frauen werden nicht immer in die Verhandlungen zur Hofübergabe einbezogen. Später liegt dennoch eine große Verantwortung für die Pflege bei ihnen“, beobachtet Constanze Brinkmann, Geschäftsführerin des landwirtschaftlichen Sorgentelefons und der ländlichen Familienberatung in Oesede, Niedersachsen.

Intensive Familienzeit

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Problematisch muss das nicht immer sein. Viele Frauen übernehmen diese Aufgabe fast selbstverständlich und füllen sie gut aus. So auch die Landwirtin vom Anfang: „Unser Opa konnte nach dem Schlaganfall nicht mehr sprechen. Aber das Leuchten in seinen Augen, als er durch die Tür geschoben wurde, das war echte Freude“, sagt sie. Auch ihre Kinder hätten in dieser Zeit eine stärkere Verbindung zu beiden Großeltern aufgebaut, sei es beim Spaziergang auf dem Hof oder durch kleinere Pflege­arbeiten, die sie ihrer Mutter abnehmen konnten. „Ich bin froh, dass sie diese Zeit so nah miterleben konnten“, sagt sie. Alle drei Teenager hätten dabei viel fürs Leben gelernt.

Wird ein Senior zum Pflegefall, richtet sich der Tagesrhythmus oft nach seinen Bedürfnissen. „Wir waren immer eine Stunde eher wach, um dem Pflegedienst die Tür zu öffnen“, sagt eine Bäuerin am Telefon. Neben der Hilfe bei der Morgentoilette schätzte sie auch die Gespräche mit dem Pflegepersonal. „Nach dem Tod war nicht nur unsere Omi nicht mehr da, auch der Kaffee mit den Damen vom Pflegedienst hat mir richtig gefehlt“, sagt sie.

Hilfe: Ja bitte!

Hilfe anzunehmen, ist langsam kein Tabu mehr. Auch Brigitte Seeberger vom Dorfhelferinnendienst in Gerolfingen am Hesselberg in Bayern registriert immer mehr Kurzzeit-Einsätze. „Ab dem ersten Pflegegrad stehen den Familien monatlich 125 € zur Entlastung zur Verfügung“, erklärt sie. „Das sind ca. drei Stunden pro Woche, die man übers Jahr ansparen kann.“ Die Dorfhelferinnen unterstützen im Haushalt oder verbringen Zeit mit den Senioren. Je nachdem, was die Familie braucht.

Doch bei all der Hilfe – Pflege ist und bleibt eine große Aufgabe. Eine(r) muss den Überblick wahren, Medikamente kontrollieren, Termine koordinieren, alle Handgriffe kennen und da sein. Diese „Care-Arbeit“ wird bestenfalls in der Familie gewürdigt. Denn politisch hapert es hier noch. Das weiß auch Ursula Braunewell, Vizepräsidentin der Landfrauen. Deshalb fordert der Verband, häusliche Pflege auch im Zusammenhang mit Altersarmut von Frauen zu betrachten. Während der Pflegezeit fehlen den Frauen ein eigenes Einkommen und Rentenpunkte. Die Landfrauen setzen sich zudem dafür ein, den Entlastungsbeitrag anzuheben und die Wegpauschale für Pflegekräfte an die weiteren Wege auf dem Land anzupassen.

„Niemand kann Pflege allein leisten“

Dr. Jana Toppe ist Psychologin und Systemische Therapeutin. Sie arbeitet für das Angebot  pflegen-und-leben.de  der gemeinnützigen Gesellschaft „Zentrum Überleben“. Pflegende Angehörige erfahren hier kostenfrei und anonym Unterstützung per Text- oder Videochat.

Frau Dr. Toppe, mit welchen Problemen kann man sich an Sie wenden?

Toppe: Wir helfen Angehörigen, die sich durch die Pflege belastet fühlen. Wir wollen nicht die Pflegearbeit optimieren. Stattdessen überlegen wir, was der Pflegende gerade braucht, um wieder zurechtzukommen.

Und was kann das sein?

Toppe: Viele managen die Pflegearbeit großartig. Aber in Familien gibt es oft Dinge, die nicht ausgesprochen werden. Das kann Ekel sein, wenn man jemanden waschen muss. Andere entwickeln eine Abneigung gegen den Pflegebedürftigen und stehen im Konflikt mit sich, weil sie diese Person ja eigentlich wertschätzen. Irgendwann müssen solche Gefühle einfach ausgesprochen werden. Bei uns geht das.

Pflegende nehmen viel auf sich …

Toppe: Man will es können, traut es sich zu und dann kommt das schlechte Gewissen, diese Aufgabe nicht bewäl­tigen zu können. Die Pflegenden beißen die Zähne zusammen. Doch jeder hat Bedürfnisse und niemand kann eine solch aufopfernde Rolle ohne Unterstützung einnehmen.

Was wäre Ihr wichtigster Tipp?

Toppe: Pflegebedürftige sind manchmal aggressiv und verschlossen. Das macht es zuweilen schwer, mit ihnen umzugehen. Doch man muss das nicht mit sich selbst ausmachen. Überlegen Sie: Wer kann unterstützen? Braucht die Person ein Medikament vom Hausarzt, kann ein Pflegedienst beim Anziehen und Zähneputzen helfen, während ich die Kinder fertig mache? Wer kann mit dem Senior einen Spaziergang durch den Stall oder Garten machen?

In der Theorie klingt das praktikabel. Aber was, wenn der Senior oder die Seniorin die Hilfe strikt ablehnt?

Toppe: Dann ist das erst einmal für die Pflegenden schwer, die sich Entlastung erhofft haben und am Limit laufen. Wir neigen dazu, alte Menschen wie Kinder zu behandeln. Das tut ihnen nicht gut, ist aber auch ein Ausdruck unserer Hilflosigkeit. In der Schule lernen wir ja nicht, mit Pflegebedürftigkeit umzugehen. Manchmal hilft es, die Gefühle zu benennen: „Ich verstehe, dass das für Dich nicht einfach ist, aber ich mach mir Sorgen“ oder „Ich möchte, dass es Dir hier so gut wie möglich geht. Ich muss aber mal Pause machen.“ In der Beratung können wir individuelle Tipps geben, um auch die Kommunikation mit Demenzerkrankten wieder in Gang zu bringen.

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