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Engagement für Menschen mit Handicap: Der Ökohof St. Josef setzt auf Inklusion

Inmitten von Ackerflächen und Gewächshäusern funktioniert der Biohof St. Josef als inklusives Projekt. Was macht ihn so besonders? Ein Einblick in die Arbeit und die Chancen für alle Beteiligten.

Lesezeit: 4 Minuten

Infokasten

Entstanden aus einer kirchlichen Initiative gegen Jugendarbeitslosigkeit in den 1980er-Jahren, hat sich der „Soziale Ökohof St. Josef“ in Papenburg, Niedersachsen, zu einem vielseitigen Betrieb entwickelt. Ökologische Landwirtschaft, soziale Arbeit und Inklusion sind hier das Tagesgeschäft.

„Gewächshaus“, „Büro“, „Besprechung“: Ein Pfeiler mit bunten Schildern weist in verschiedene Richtungen und zeigt den Weg über den Ökohof St. Josef in Papenburg, Niedersachsen. Rechts vom Eingang stehen Tomatenpflanzen im Gewächshaus und zur linken Seite geht es zur Küche, dem Hühnerstall und der Scheune. Erst einmal nichts Ungewöhnliches, würde man meinen. Doch der Biolandbetrieb ist eine sogenannte trägerunabhängige soziale Unternehmung und eine Arbeitsstätte für Menschen mit Beeinträchtigungen oder Menschen, die aus anderen Gründen keine Anstellung auf dem ersten Arbeitsmarkt finden.

Eike Hornbostel ist seit fünf Jahren Geschäftsführer des Biobetriebes und sagt: „Ich denke, dass unsere Mitarbeiter aus unterschiedlichen Bereichen kommen, fällt erst relativ spät oder auch gar nicht auf. Auf unserem Hof sind schließlich nicht nur Menschen mit Einschränkungen beschäftigt und wir haben auch kein Schild mit ‚Inklusionsbetrieb‘ am Tor.“ Der 56-Jährige ergänzt: „Richtige Inklusion ist die, die auf sowas verzichten kann.“ Durch den Ökolandbau gebe es viele Chancen für die Menschen, sich ihren Möglichkeiten und Neigungen entsprechend zu entwickeln.

Durch den Ökolandbau gibt es viele Chancen für die Menschen, sich ihren Möglichkeiten und Neigungen entsprechend zu entwickeln.“
Eike Hornbostel

Ein starkes Team

Der Biohof besteht aus drei Bereichen: dem ehrenamtlich tätigen Verein aus dem Jahr 1989 mit ca. 850 Mitgliedern, der sich um die Gebäude auf dem Hof kümmert; der GmbH, die unter anderem zuständig für den Fahrdienst und den Bioladen ist sowie zuletzt einer gGmbH, die die Flächen pachtet und bewirtschaftet und für alle Beschäftigten verantwortlich ist. „Wir sind ein großes Team aus knapp 110 Mitarbeitern“, erzählt Hornbostel. Davon arbeiten 75 Menschen mit körperlicher und geistiger Behinderung auf dem Hof. Der Rest besteht aus Produktionshelfern, Bereichsleitern, Verwaltungsmitarbeitern sowie dem Sozialen Dienst. „Jeden Morgen treffen wir uns alle und sprechen darüber, was an dem Tag Phase ist“, sagt Hornbostel. Die tägliche Organisation sei wichtig, damit alle Mitarbeiter möglichst unterbrechungsfrei arbeiten und in diesem Rahmen selbstbestimmt handeln können.

Vielseitiger Alltag

Auf insgesamt 40 ha Acker werden 36 verschiedene Gemüsekulturen angebaut. Die Ware geht in den eigenen Hofladen mit Café, in Restaurants aus der Umgebung, auf den Wochenmarkt, zum Bio-Großmarkt oder als Gemüsekiste direkt zum Kunden. Darin können auch die Eier der über 2.800 Legehennen enthalten sein. Die Teams arbeiten aber nicht ausschließlich in der Landwirtschaft. Etwa 15 Personen sind im Garten- und Landschaftsbau tätig. Andere Beschäftigte sind in der Hauswirtschaft und Küche aktiv – täglich werden hier 60 bis 90 Mahlzeiten gekocht. Auch Haushaltsauflösungen, Entrümpelungen, Gartenpflege und kleinere handwerkliche Projekte übernehmen die Mitarbeiter der Tagesarbeitsstätte. Etwa 10 Personen arbeiten dauerhaft auf anderen Betrieben, z. B. in einer Tankstelle, einer Bildungsstätte oder im Bauhandwerk. Hier übernimmt der Soziale Ökohof die Betreuung und bereitet diese Mitarbeitenden auf den nächsten Schritt vor: Die Übernahme in ein sozialversicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis außerhalb des Hofes.

Empathisch und erfahren

Nicht nur im warmen Gewächshaus, sondern auf dem ganzen Hof arbeiten Beschäftigte mit Beeinträchtigungen im Team mit Anleitern zusammen. Die Anleiter haben dabei mindestens eine Meisterqualifizierung oder einen vergleichbaren Abschluss. „Wichtig ist, dass sie viel Fachwissen und Geduld mitbringen“, sagt Hornbostel. Außerdem müssten sie gut erklären können, wie die einzelnen Arbeitsschritte funktionieren. Empathie gehöre ebenfalls dazu und auch eine 500 Stunden lange sonderpädagogische Zusatzqualifikation ist verpflichtend.

Handarbeit

Doch nicht alles läuft so automatisiert wie auf anderen Betrieben – viele Handgriffe übernehmen die Mitarbeiter noch selbst. „Wir fassen ein Ei bestimmt dreimal an, bevor es in der Verkaufsverpackung ist“, sagt Eike Hornbostel. Den Menschen mit Beeinträchtigung gibt das die Chance, eine sinnstiftende Tätigkeit auszuüben. „Einer unserer Mitarbeiter hat am Anfang nur auf dem Hof gestanden und den Trecker bewundert. Jetzt schicke ich ihn mit dem 125-PS-Schlepper alleine los“, sagt Eike Hornbostel stolz. Für den Geschäftsführer ist der Hof in erster Linie ein Arbeitsplatz – und zwar einer, an dem Fähigkeiten wichtiger sind als Einschränkungen.

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