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"Ein vernünftiger Landwirt hätte das nicht gebaut!"

Im Folgenden lesen Sie die Geschichte von Landwirt Harders Streit mit dem Bauamt um die Solarhalle. Am Ende finden Sie Ratschläge eines Rechtsanwalts, der den Fall begleitet hat.

Lesezeit: 8 Minuten

 Ein skurriles Baugerippe steht in Grevenkop bei Itzehoe (Schleswig-Holstein): Auf 20 m langen, schräg aufgestellten Stahlträgern sind ab einer Höhe von 2 m Solarmodule montiert. Darunter stehen Maschinen sowie einzelne Heu- und Strohballen. Der norddeutsche Wind pfeift durch die offene Konstruktion, die nur bedingt den Regen abhält. „Eigentlich hätte das einmal eine Lagerhalle für Maschinen und Rundballen werden sollen“, seufzt Landwirt Carsten Harder. Doch statt es eines lukrativen Nebenverdienstes für den Milchviehbetrieb kam alles anders. Im Büro türmen sich riesige Aktenberge mit Klageschriften, Widerspruchsbescheiden und Anwaltspost. Harder hat die Milchviehhaltung aufgeben, ist nervlich am Ende und hat den Glauben an die Gerechtigkeit verloren.

 

So passierte es

 

Was war geschehen? Wie mehrere Hundert Berufskollegen auch will Harder eine Pultdachhalle mit nach Süden gerichteter Dachfläche und darauf montierter Photovoltaikanlage bauen. Diese „Solarhallen“ dienen nicht nur als Wetterschutz für Maschinen und Futter, sondern bieten dank der Photovoltaikanlage auch einen Erlös über den Verkauf von Strom. Dieser reichte zur damaligen Zeit meistens aus, um die Halle zu finanzieren.

Harders Milchviehbetrieb mit 40 Kühen platzt im Jahr 2009 aus allen Nähten. Die neue Halle ist vor allem zum Lagern für Heu und Stroh und zum Unterstellen von Maschinen gedacht. Nach verschiedenen Gesprächen mit Beratern und Architekten entscheidet sich der Landwirt für eine Pultdachhalle mit den Abmessungen 60 mal 30 Meter ohne Traufe, das Dach sollte bis auf die Erde herunter gezogen werden – ein Bautyp, der auch in Schleswig-Holstein vielerorts anzutreffen ist. Die Photovoltaikanlage mit polykristallinen Modulen soll eine Leistung von 240 kW haben. Kostenpunkt für Halle inklusive Photovoltaikanlage: 900.000 €.

 

Traufhöhe zu gering

 

Doch das Bauamt Itzehoe hält eine Traufhöhe mit weniger als zwei Meter für nicht zulässig, heißt es im Vorgespräch. Denn in dem unteren Bereich sei keine landwirtschaftliche Nutzung möglich, was einer Privilegierung im Außenbereich entgegensteht. „Unser damaliger Architekt riet uns daraufhin, die Halle erst einmal nur mit einer Teilbelegung zu beantragen, um die Traufhöhe einhalten zu können. Später könnten wir dann den Antrag auf Nachgenehmigung stellen “, blickt Harder zurück.

Anfang 2010 erhält er die Baugenehmigung, den ersten Strom von der fertigen Halle speist er im August des Jahres ein. Vier Monate später stellt er den Antrag auf Nachgenehmigung: Denn ein gutes Drittel der Halle ist ja noch nicht belegt. „Wir hatten ja auch schon die komplette Halle einschließlich Module dafür gekauft, außerdem lief der Kredit bereits“, berichtet der Landwirt.

Allerdings hat er die Rechnung ohne das zuständige Bauamt gemacht. Die Behörde aus der Kreisstadt Itzehoe lehnt den Antrag zwei Monate später gleich mit einer Fülle von Gründen ab:


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•       Eine Pultdachhalle ohne Traufe sei ortsfremd und regional untypisch.

•       Die Halle entfalte „negative Vorbildwirkung“.

•       Bei der Fläche unterhalb des heruntergezogenen Daches sei keine landwirtschaftlich sinnvolle Nutzung

        möglich, weshalb die Halle in dem Bereich als reine Aufstellfläche für die Solaranlage anzusehen sei.

•       Die Halle sei außerdem 2 m niedriger als genehmigt, weshalb die unteren 2 m noch weniger nutzbar seien.

•       Ohne Privilegierung sei der Bau nicht zulässig, weil er u.a. gegen den Denkmalschutz verstößt. Denn in der Nähe befindet sich eine alte „Burganlage“ (ein Erdwall mit Bäumen). Die Verlängerung des Daches vergrößert die Dach- und Photovoltaikfläche, womit dem „Bauvorhaben denkmalschutzrechtliche Bedenken entgegenstehen“.

 

„Gründe nicht plausibel“

 

Landwirt Harder kann es nicht fassen. Viele der Gründe erschienen ihm vorgeschoben und nicht plausibel. „Es ist eine Frechheit zu behaupten, die Fläche unter dem Dach sei landwirtschaftlich nicht nutzen“, macht er seinem Ärger Luft. Dazu dokumentiert er per Kamera einen Versuch, den er kurzerhand durchführte: Allein 400 kleine Hochdruckballen ließen sich bequem in dem Raum stapeln.

Genauso wenig akzeptiert er die „denkmalschutzrechtlichen Bedenken“: So ist die „historische Burganlage“ nur eine Ruine, von der aus man die Halle gar nicht sieht.

Das bestätigt auch der von Harder eingeschaltete Rechtsanwalt: „ Weder die Halle selbst noch die Erweiterung haben keine Auswirkungen auf das Denkmal“, heißt es in seinem Widerspruchsschreiben, den er am 17. Januar 2011 an das Bauamt schickt.

Auch die anderen Ablehnungsgründe hält der Anwalt für nicht stichhaltig: Die Erweiterung sei ein „mitgezogener Betriebsteil“ der Halle und damit genauso privilegiert wie die Halle auch. „Ansonsten könnte man jede Photovoltaikanlage in der Landwirtschaft ablehnen, da sie ja eigentlich landwirtschaftsfremd ist“, begründet er.

 

Auch hält er die Behauptung für falsch, die Halle hätte negative Vorbildwirkung: „In  Grevenkop gibt es mehrere Solarhallen mit ähnlichem Baustil, allein in unmittelbarer Nähe befinden sich drei Solarhallen, ebenfalls an der Hauptstraße“, führt er an. Genauso seien Hallen ohne Traufe nicht ortsfremd, sondern mehrfach vorhanden.

 

Keine Reaktion vom Amt

 

Nach dem Versand des Widerspruchs hörte Harder jedoch nichts mehr vom Bauamt.

Dabei war er unter Zeitdruck: Während die Bank die Kreditzinsen einfordert, lagern die gekauften, aber noch nicht montierten Module für das untere Drittel der Halle im Freien neben dem Gebäude. „Wir bemühten uns um persönliche Gespräche, die aber abgelehnt wurden“, schildert der Landwirt. Erst am 30. Mai, also 4,5 Monate später, erhält er endlich ein Schreiben vom Landrat, der aber nur die ablehnende Haltung bestätigt und Harder bittet, den Widerspruch zurückzuziehen.

Harder setzt alle Hebel in Bewegung, er schreibt sogar an den Petitionsausschuss des schleswig-holsteinischen Landtages – ohne Erfolg. „Der Ausschuss will sich nicht über die Genehmigungsbehörde hinwegsetzen“, muss Harder erfahren. Im Gegenteil: Die Eingabe bringt das Innenministerium auf den Plan, das feststellt, dass für die Halle angeblich keine geprüfte Statik vorhanden sei. „Ich fiel von einer Ohnmacht in die nächste“, schildert der langsam verzweifelnde Landwirt. Mitte Oktober beauftragt der Landkreis einen Prüfstatiker, ob der Bau einsturzgefährdet sei. Doch dieser kann keine Baufehler feststellen und hält die Halle für unbedenklich.

 

Krise spitzt sich zu

 

Die Krise zog sich weiter hin. Weil sich nichts bewegt, wechselt er Ende 2012 Rechtsanwalt und Architekt. In der Zwischenzeit erhält er sogar eine Abrissverfügung, die er nur knapp abwenden kann. Außerdem lösen sich bei dem Großflächenmodul einzelne Paneele im Sturm, weil der Kleber mangelhaft ist. Im Rechtsstreit mit der Baufirma unterliegt Harder vor Gericht mit der Begründung, dass Solaranlage und Hallenbauwerk keine Einheit bilden. Daher seien für die Module eine Gewährleistungsfrist von lediglich zwei Jahren anzusetzen. Im Zusammenhang mit der Halle hätte Harder fünf Jahre gehabt. „Dabei hatte ich eine Solarhalle als Einheit gekauft.“

Zusammen mit dem neuen Anwalt Dr. Mischa Färber aus Kiel erreicht er im September 2013 aber immerhin eine nachträgliche Baugenehmigung zumindest für die bestehende Halle. „Ich musste dafür das gesamte Genehmigungsverfahren neu bezahlen, auch die Statik“, blickt Harder zurück.

 

Landwirt kämpft weiter

 

Jetzt geht es ihm darum, den unteren Teil der Fläche auch mit Modulen nachträglich genehmigen zu lassen, um die untere Fläche endlich auch belegen zu dürfen. Alles begann wieder von vorn. Auch hier zieht er letztlich vor Gericht – und unterliegt. Das OVG Schleswig folgt in vielen Punkten dem Bauamt. Immer wieder fällt der Satz: „Ein vernünftiger Landwirt hätte so eine Halle nicht gebaut.“

Wegen der fehlenden Modulfläche von 430 m²  ändert sich die Finanzierung der Halle. Glücklicherweise kann er nach sechs Jahren endlich einen neuen Kreditvertrag abschließen. Allerdings steht jetzt schon fest: Wegen der vielen Kosten und der Verzögerung beim Bau wird die Halle niemals einen Gewinn abwerfen. „Ich kann froh sein, wenn ich nach zwanzig Jahren mit einer schwarzen Null herauskomme“, sagt der Landwirt, der heute nur noch im Nebenerwerb Jungrinder hält und Heu an Pferdehalter verkauft.

„Ich habe den Fehler gemacht, darauf zu vertrauen, dass die Nachgenehmigung ohne Probleme durchgeht. Jetzt steht mir das Wasser bis zum Hals“, gesteht Harder zwar Fehler ein. Dennoch ist für ihn unverständlich, dass eine Behörde mit so fadenscheinigen Gründen die Solarstromproduktion und damit einen Teil der vielbeschworenen Energiewende verhindern kann. Auch wenn er jeden Tag beim Anblick der Halle noch hofft, das unvollendete Bauwerk, so zu bauen, wie er geplant hatte: Er hat den Glauben an Gerechtigkeit, Politik verloren.  

 

 

Kasten

Die Lehren aus dem Fall Harder

Folgende Tipps hat Rechtsanwalt Dr. Mischa Färber für andere Landwirte, die über den Bau einer Solarhalle nachdenken:

-Beim Bauen im Außenbereich ist aus Sicht der Behörden ein Mißbrauchsrisiko relativ hoch. Wie die Rechtsprechung aus Bayern zeigt, gelten Pultdachhallen mit komplett nach unten gezogenen Dachflächen für eine landwirtschaftliche Nutzung als ungeeignet. Daher sollten Sie schon bei der Form der Halle darauf achten, dass die landwirtschaftliche Nutzung z.B. als Maschinenhalle oder Stroh- und Heulager problemlos möglich ist.

-Auch sollten Sie kommunizieren, dass der landwirtschaftliche Nutzungszweck der Halle im Vordergrund steht und die Stromererzeugung nur ein Nebeneffekt ist.

-Wollen Sie die Dachfläche zur Solarstromnutzung verwenden, kann es helfen, zunächst die Halle zu beantragen und erst im zweiten Schritt die Photovoltaikanlage zu errichten.

 

 

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