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Abfindung: Was ist gerecht, was verkraftet der Hof?

Lesezeit: 8 Minuten

Viele Betriebe verkraften keine umfangreichen Abfindungen. Je nach wirtschaftlicher Ausgangslage gibt es enorme Unterschiede, wie unsere Kalkulationen zeigen.


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Egal ob der Betrieb nach der nordwestdeutschen Höfeordnung, einem Anerbengesetz oder dem BGB-Erbrecht übergeben wird: Im Ergebnis wird ein aktiver landwirtschaftlicher Betrieb geschlossen an einen Hoferben übergeben, während die weichenden Erben mit einem Geldbetrag vom Hof abgefunden werden. Dabei wird der Hofnachfolger in gewisser Weise privilegiert, weil er seine Miterben nicht nach dem Verkehrswert des landwirtschaftlichen Betriebes abfinden muss, sondern nach einem deutlich niedrigeren Wert. So billigt die Höfeordnung den weichenden Erben lediglich eine Abfindung auf der Basis des 1,5-fachen Einheitswertes, dem sogenannten Hofeswert zu. Davon können noch die vorhandenen Verbindlichkeiten bis zu maximal zwei Drittel des Hofeswertes abgezogen werden. Der verbleibende Betrag ist die rechnerische Vermögensmasse, die unter den gesetzlichen Erben (also meist dem Ehepartner und den Kindern einschließlich des Hofübernehmers) aufzuteilen ist.


Nach dem landwirtschaftlichen Sondererbrecht in Baden-Württemberg, Bremen, Hessen und Rheinland-Pfalz werden die weichenden Erben auf Grundlage des Reinertrages bzw. des Ertragswertes abgefunden. Und selbst bei der Vererbung eines Betriebes als Landgut nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch muss der Hofnachfolger seine Geschwister nicht nach dem Verkehrswert abfinden, sondern nach dem (niedrigeren) Ertragswert. Dieser Wert errechnet sich als kapitalisierter Reinertrag eines durchschnittlichen, ordnungsgemäß bewirtschafteten Betriebes.


Allen diesen Bestimmungen liegt der (richtige) Gedanke zugrunde, dass ein Hof zwar u.U. ein erhebliches Vermögen darstellt, das aber für den Hoferben nicht zu realisieren ist, da es sich um seinen Arbeitsplatz handelt.


Ausgangslage unterschiedlich:

Ein vorsorgender Landwirt wird sich bei der Abfindung der weichenden Erben aber nicht einfach auf das Gesetz verlassen, sondern individuelle Regelungen anstreben, die zu Betrieb und Familie passen. Um gute Lösungen zu finden, sollten die Eltern rechtzeitig Gespräche mit dem Hofnachfolger und den weichenden Erben führen. Faustformeln helfen dabei nicht weiter und sind auch für die weichenden Erben kaum nachvollziehbar. Sinnvolle Regelungen lassen sich nur aufgrund konkreter Zahlen des einzelnen Betriebes finden.


Am Anfang steht somit die gründliche Analyse des Unternehmens. Dafür sollten Sie die wirtschaftlichen Daten Ihres Betriebes über drei Wirtschaftsjahre, besser fünf -jahre zusammenstellen und diese als Grundlage für Diskussionen über die Höhe einer möglichen Abfindung nutzen. Wie die Übersicht 1 anhand einiger repräsentativer Kennzahlen für spezialisierte viehhaltende Betriebe der Sauen-, Mastschweine- und Milchviehhaltung im Schnitt der Wirtschaftsjahre 2012/13 bis 2016/17 zeigt, gibt es hier je nach Betrieb erhebliche Unterschiede der wirtschaftlichen Ausgangslage bzw. der Leistungsfähigkeit.


Im Schnitt halten spezialisierte Sauenhalter etwa 278 Sauen und verkaufen Schweinemäster durchschnittlich 3759 Mastschweine. Auf Milchvieh ausgerichtete landwirtschaftliche Betriebe halten 86 Kühe (Beispielszahlen im Schnitt der Wirtschaftsjahre 2012/13 bis 2016/17 in Nordrhein-Westfalen).


Im Ergebnis konnte über die Betriebe hinweg ein bereinigter Gewinn von knapp 69400 € erzielt werden – mit Schwankungen von 57889 € für die Milchviehhalter bis 76609 € für die Ferkelerzeuger. Während das untere Viertel jährlich etwa 28000 € an Substanz verloren hat, konnte das obere Viertel das Eigenkapital jährlich um fast 40000 € steigern. Würde bei diesen Betrieben die Hofübergabe anstehen, ließen sich aufgrund der Betriebsanalyse folgende Aussagen ableiten:


  • Der durchschnittliche Betrieb hat Potenzial. Er bietet für einen jungen, unternehmerisch handelnden Hofnachfolger eine solide Existenzgrundlage und die Möglichkeit, moderate Abfindungsleistungen zu zahlen.
  • Das obere Viertel erzielt über Jahre hinweg herausragende wirtschaftliche Ergebnisse. Der jährlich erwirtschaftete Geldüberschuss lässt neben einer Weiterentwicklung deutlichen Spielraum für Abfindungsleistungen erkennen.
  • Das untere Viertel hat erhebliche wirtschaftliche Probleme. Trotz annähernd gleicher Kapazitäten ist das Ergebnis völlig unbefriedigend. Bei deutlich höherem Fremdkapitalbesatz scheint die mittel- und langfristige Exis-tenzfähigkeit nicht gegeben zu sein. Die bisherige Bewirtschaftung konnte nur durch erhebliche Einlagen gesichert werden. Abfindungsleistungen sind gar nicht finanzierbar.


Gesetzliche Ansprüche:

Die Betriebe haben also ganz unterschiedliche Möglichkeiten, Abfindungen an die weichenden Erben zu zahlen. Um sich im Einzelfall über die Höhe der Abfindung zu einigen, können die gesetzlichen Abfindungsregeln nach Höfeordnung bzw. BGB-Erbrecht als Orientierung dienen. Ein Beispiel: Der Hofübergeber lebt mit seiner Ehefrau in Zugewinngemeinschaft und hat zwei Kinder. Die Tochter übernimmt den Hof und muss den Bruder abfinden. Die Übersicht 2 zeigt, wie viel Abfindung die Hofnachfolgerin ihrem Bruder – je nach Situation des Betriebes – zahlen müsste, zunächst nach den Regeln der Höfeordnung auf Grundlage des Hofeswertes und dann nach den Regeln des BGB-Erbrechts auf Grundlage des Ertragswertes. Die Berechnungen zeigen:


  • Der Einheitswert, der häufig jahrzehntealt ist und sich neben dem Wohnwert im Wesentlichen auf Grundlage der Eigentumsfläche über den Wirtschaftswert errechnet, ist unabhängig von der tatsächlichen Wirtschaftlichkeit des Betriebes. So ergeben sich auf Basis des Einheits- bzw. Hofeswertes und unter Berücksichtigung der Verbindlichkeiten relativ niedrige Abfindungsbeträge. Gerade bei den erfolgreichen Betrieben erscheinen solche Abfindungen als zu niedrig.
  • Geht man vom Reinertrag aus, ergeben sich selbst nach Abzug der betrieblichen Verbindlichkeiten sowie der Altenteilsleistungen im Schnitt der Betriebe und insbesondere bei den erfolgreich wirtschaftenden Betrieben erhebliche, teilweise überhöht erscheinende Abfindungssummen. Bei weniger erfolgreichen Betrieben ergibt sich dagegen unter Umständen eine Abfindung von null.
  • Hilfsweise können Sie auch den „Pachtwert“ als Maßstab für den Ertragswert und als Grundlage für die Diskussion um die Abfindung heranziehen. Der „Pachtwert“ errechnet sich aus der Summe des Mietwertes des Wohnhauses (hier 7200 € jährlich) und der bei einer Verpachtung des Betriebes erzielbaren Nettopacht (hier 500 € je ha). Er gibt Hinweise darauf, welche Erträge aus dem reinen Vermögen nach Rückführung des Fremdkapitals zu erzielen wären. Die Heranziehung des Pachtwertes bietet sich insbesondere dann an, wenn sich nur ein negativer oder geringer Reinertrag ermitteln lässt und der Betrieb in Zukunft auslaufen wird.


Was verkraftet der Betrieb?

Die Ergebnisse zeigen, dass die gesetzlichen Bestimmungen – Höfeordnung oder auch BGB-Erbrecht – bei der Erbabfindung leicht zu einer Schieflage führen können: So erscheint z.B. die Abfindung für einen erfolgreich geführten Betrieb nach dem Hofeswert unangemessen niedrig, nach Reinertrag bzw. Ertragswert dagegen eher überhöht. Deshalb haben wir als Nächstes noch die Belastbarkeit der Betriebe durch Erbabfindungen berechnet. Konkret: Wie viel kann der Hofnachfolger aus dem erwirtschafteten Einkommen an seine Geschwister zahlen, ohne die Substanz angreifen zu müssen oder die künftige Entwicklung des Betriebes zu gefährden? Dabei haben wir, ausgehend vom bisherigen ordentlichen Ergebnis, neben den Entnahmen für den Hofnachfolger und seine Familie, auch eine notwendige Eigenkapitalbildung berücksichtigt.


Die Berechnungen zeigen, dass selbst bei sparsamster Lebensweise das untere Viertel nicht in der Lage ist, überhaupt eine Abfindung aufzubringen. Im Schnitt der Betriebe errechnet sich immerhin ein Barwert für die Abfindung in Höhe von etwa 22800 €. Der Wert liegt etwa in der Mitte der nach den verschiedenen gesetzlichen Vorgaben ermittelten Grenzen. Gut laufende Betriebe haben selbst unter der Annahme höherer Lebenshaltungskosten und Berücksichtigung einer sehr guten Eigenkapitalbildung Luft für höhere Abfindungsbeträge. Die Einzelheiten zeigt Übersicht 3.


Individuelle Lösungen:

Die Praxisbeispiele machen deutlich, dass die gesetzlichen Vorgaben zur Berechnung der Abfindung über alle Betriebe hinweg die tatsächliche wirtschaftliche Situation zu wenig berücksichtigen. Am ehesten trifft die hilfsweise Kalkulation über mögliche Pachterlöse die Realität. Eine wirklich „gerechte“ Abfindung zu finden, ist daher nur möglich, wenn alle Beteiligten, also auch die weichenden Erben, die wirtschaftliche Situation des Betriebes kennen und auch die betriebswirtschaftlichen Zusammenhänge verstehen. Nur dann können Hofübergeber und Hofnachfolger Verständnis von den weichenden Erben erwarten und angemessene Lösungen in der Abfindungsfrage finden. Am besten dabei ist es, wenn die Eltern schon frühzeitig für die Abfindung vorsorgen, damit nicht die volle Belastung den Hofnachfolger zum Zeitpunkt der Übernahme trifft.


Auch eine andere Frage sollte nicht tabu sein: Wird überhaupt ein Betrieb übergeben, der noch Existenzgrundlage für Sohn oder Tochter sein kann? Bei den weniger erfolgreichen Betrieben wäre in vielen Fällen die Betriebsaufgabe der bessere Weg. Denn Vermögens-erhaltung sollte vor Hoferhaltung stehen. Auch hier sollten Sie den Übergang möglichst rechtzeitig in Angriff nehmen und mit allen Familienmitgliedern individuelle Lösungen finden.


Auch wenn bei Aufgabe des Betriebes die Privilegierung des Hofübernehmers hinsichtlich der Vermögensaufteilung wegfällt, kann auch ein auslaufender Betrieb oft noch geschlossen an ein Kind übergeben werden und die weichenden Erben mit einer höheren Abfindung z.B. auf Grundlage der tatsächlich erzielten Nettopacht nach Abzug betrieblicher Festkosten abgefunden werden. Wichtig dabei ist, dass Sie auch bei Auslaufen des Betriebes nicht zu lange mit der Übergabe warten und diese aktiv gestalten. Kontakt:


anne.schulze-vohren@topagrar.com

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