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„Als kleines Start-up legen wir die Preise fest“

Lesezeit: 6 Minuten

Die Allgäuer Hof-Milch will sich mit Heumilchprodukten einen Premium-Markt erschließen. Ein Lichtblick für die leidgeprüfte Milchregion. Wie sieht das Unternehmenskonzept aus?


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Im Allgäu eine neue Molkerei bauen und Frischmilch-Produkte herstellen? Was für eine verrückte Idee, mag sich so mancher Milchbauer denken, der das Schicksal der Allgäuland Käsereien und von Arla noch deutlich vor Augen hat. Die beiden Molkerei-Fachmänner Johannes Nussbaumer und Matthias Haug wagten es: „Es kann doch nicht sein, dass hier im Allgäu keiner mehr Frischmilch und Jogurt produziert, haben wir uns gesagt“, schildert Nussbaumer die Geburtsstunde der Allgäuer Hof-Milch GmbH in Missen-Wilhams (Lkr. Oberallgäu). Im Dezember 2014 fassten die beiden Freunde innerhalb von nur vierzehn Tagen den Entschluss, sich mit frischen Heumilch-Produkten aus dem Allgäu einen Markt zu erschließen. „Mit unserem Rohstoff bieten wir unseren Kunden nicht nur einen regionalen Mehrwert, sondern auch mehr Nachhaltigkeit in der Erzeugung“, sagt Nussbaumer. Der Molkerei-Fachmann mit Meistertitel stammt selbst aus einem Allgäuer Heumilch-Betrieb.


Rohstoff gesucht:

Seit Ende 2016 ist die neue Molkerei, die ausgerechnet auf dem ehemaligen Betriebsstandort des berühmten Allgäuer Käsers Carl Hirnbein entstand, in Betrieb. Was mit 2000kg Heumilch pro Tag von einem Landwirt begann, ist im ersten Jahr auf 10Mio. kg von etwa 60 Bauern angestiegen. Davon sind ca. 3,2Mio. kg Bio-Heumilch. Tendenz steigend: „Wir suchen weitere Erzeuger von konventioneller Heumilch, weil der Absatz steigt und wir noch freie Kapazitäten haben.“


Ihr Sortiment:

Erst zur Hälfte ausgelastet ist derzeit ihr zweiter Standort im 40 km entfernten Sonthofen. Ein Werk, das sie vor Kurzem von Arla Foods abgekauft haben: „Das war eine günstige Gelegenheit, da mussten wir zugreifen, geplant war das nicht“, erklärt Molkerei-Techniker Matthias Haug. Vor allem das dortige Fachpersonal sei ein Pfund, mit dem man wuchern könne. Derzeit stellen sie in Sonthofen mit ca. 53 Mitarbeitern aus rund 20 Mio.kg Milch Butter sowie Bergbauern- und Bio-Käse her, den Großteil davon noch für Arla. In Missen-Wilhams werden frische ESL-Heumilch in zwei Fettstufen – in konventioneller und in Bio-Qualität – sowie neun verschiedene Jogurts produziert. H-Milch lassen sie vom Milchhof Adam Albert im fränkischen Scheßlitz abfüllen. Die gepachtete Sennerei in Wertach und die Bergkäserei in Diepolz steuern Heumilch-Käse bei. Im ersten Jahr 2017 nahmen Frischprodukte und Käse jeweils etwa die Hälfte des Umsatzes in Höhe von insgesamt 6,5Mio. € ein.


Garantierter Milchpreis:

Beeindruckend ist der Milchpreis von 40ct/kg bei 4,2% Fett und 3,4% Eiweiß, den die Molkerei ihren Bauern fünf Jahre lang garantiert. Bio-Milcherzeuger erhalten 53ct/kg. „Diesen Preis brauchen die Milcherzeuger, damit sie auf den Mindestlohn kommen. Auf dieser Basis haben wir unsere Produktpreise kalkuliert, denn schließlich sollen alle in der Kette etwas verdienen. Als kleines Start-up ohne Mengendruck können wir das“, erklären die beiden Unternehmer selbstbewusst. Im Gegenzug verlangen sie ihren Bauern auch einiges ab (siehe Kasten).


Rewe als verlässlicher Partner:

Dass sie mit ihrem Konzept und ihrer Kalkulation beim Lebensmitteleinzelhandel letztlich nur bei Rewe Süd offene Türen einrannten, war für die Molkereichefs zunächst ernüchternd: „Die meisten Einkäufer sind sehr preisorientiert. Rewe Süd dagegen geht unseren Weg von Anfang an mit. Und dass, obwohl wir damals noch gar kein fertiges Produkt in der Tasche hatten, sondern nur eine Idee und Baupläne!“, so Haug.


Man arbeite auf Augenhöhe offen und verlässlich zusammen. Ihre Lieferverträge mit Rewe haben eine Laufzeit von acht Jahren. Mittlerweile setzen sie 90% ihrer Ware über diese Schiene ab. Dafür haben sie exklusiv das markante pinke Logo mit der Kuh entworfen. Die große Abhängigkeit von einem Kunden macht den Molkeristen keine Sorgen: „Das spart Zeit und Kraft. Zudem besteht dann ein größeres Eigeninteresse daran, dass auch unsere Marke vorwärtskommt.“


Expansion nach Norden:

Bei Rewe Süd und Rewe Südwest sind sie inzwischen mit allen Produkten gelistet, in Rewe-Märkten in Hessen oder im Saarland dagegen nur vereinzelt. „Weil wir diese Märkte in Zukunft aktiver bearbeiten wollen, haben wir gerade einen Mitarbeiter für den Außendienst eingestellt“, berichtet Haug.


Im Kühlregal finden sich die Produkte im mittleren bis höheren Preissegment. Die ESL-Frischmilch gibt es aktuell für 1,35€/l, die Biomilch für 1,69€/l. Der Schnittkäse kostet zwischen 18 und 19€/kg. „Wir haben mit Rewe feste Preise für die nächsten Jahre kalkuliert. Bei gewissen Marktschwankungen können natürlich Anpassungen erfolgen“, sagen die Molkeristen. Das gelte allerdings auch umgekehrt: So sei es z.B. für Rewe kein Thema gewesen, den neuen Weidezuschlag bis zum Kunden durchzureichen.


Viel in Bewegung:

Eineinhalb Jahre nach dem Start ihrer Molkerei ist für Johannes Nussbaumer und Matthias Haug noch keine Zeit zum Luftholen. Die größte Herausforderung sei aktuell, die für das schnelle Wachstum nötigen Strukturen zu schaffen.


Kurzfristig wollen sie in ihr Werk in Sonthofen rund 1 Mio.€ investieren, langfristig einen deutlich höheren Betrag. „Möglicherweise werden wir für eine bessere Auslastung weiterhin die Großkunden, die wir von Arla übernommen haben, mit Industrieware beliefern.“


Eine Milchverarbeitung im Lohn sei ebenso denkbar. „Unter der eigenen Marke wollen wir aber nur Heumilchprodukte herstellen und vermarkten“, betonen die Unternehmer einhellig.


Das eigene Sortiment wollen sie weiter ausbauen: Potenzial habe besonders die von Arla übernommene traditionelle Allgäuer Käsesorte „Weißlacker.“ Zudem liebäugeln sie mit der Herstellung von Buttermilch, Rahm oder Schlagsahne aus Heumilch.


Am Herzen liegen den Molkereichefs aber auch ihre Bauern: „Wir wollen mit unseren Landwirten regelmäßig Gespräche führen und mit ihnen gemeinsam langfristige Ziele stecken.“ Ab Oktober haben sie einen Erzeugerberater angestellt.


Die Aussichten:

Den beiden Gründern wurde der Start nicht leicht gemacht. An Fördermittel für die Investition in Höhe von 5,5Mio. € zu kommen, war zäh. „Viele haben uns von unserem Vorhaben abgeraten. Doch wir waren frech und naiv genug, es trotzdem zu probieren“, blicken sie heute zurück.


Bisher geht ihr Plan auf und die Aussichten seien gut: „Das Thema Heumilch ist jung, da gibt es noch viele neue Kunden für uns.“ Den aktuellen Marktanteil schätzen sie auf über 2%. „Hilfreich wäre allerdings wie in Österreich ein landesweit einheitliches Logo für deutsche Heumilch-Produkte.“


Kontakt: silvia.lehnert@topagrar.com

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