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Bauern am Pranger: „Raus aus der Opferrolle!“

Lesezeit: 10 Minuten

Landwirte werden von Verbrauchern, Tierschützern und Medien immer öfter „an den Pranger“ gestellt. Unsere Autorin Elke Pelz-Thaller erklärt anschaulich, wie Bauern das Zepter übernehmen und besser auf die Verbraucher zugehen können.


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Was ist los in unserer Gesellschaft? Ein ganzer Berufsstand findet sich seit geraumer Zeit fast täglich in negativen Pressemeldungen. Fernsehsendungen mit fragwürdigem Format stellen alles Tun und Handeln unserer Landwirte infrage. Man braucht schon ein dickes Fell, um diskriminierende Kommentare über sich ergehen zu lassen.


Lange Liste der Missgunst:

Es trifft sie alle! Die Milcherzeuger, denen man vorwirft, sie würden ihre Tiere ausschließlich dem Profit geschuldet an Leib und Leben ausbeuten. Den Ackerbauer, der für die hohen Nitratwerte und giftigen Rückstände von Pflanzenschutzmitteln im Grundwasser allein die Verantwortung trägt. Den Schweinemäster, der mit der Gabe von Antibiotika für die MRSA-Misere in den Krankenhäusern verantwortlich gemacht wird. Die Liste könnte beliebig fortgesetzt werden.


Hinzu kommt, dass es vielen familiär geführten Betrieben kaum noch möglich ist, im weltweiten Wettbewerb mitzuhalten – zu hoch sind die Betriebskosten und zu niedrig der erzielte Gewinn. Sinkende Milch- und Fleischpreise erschweren das bäuerliche Leben zusätzlich und politische Lösungen sind in weiter Ferne.


Doch wen kümmert das heute noch? Solange die Teller der Verbraucher voll sind, scheint sich die Welt gegen die heimische Landwirtschaft zu drehen. Es sei denn, es handelt sich um einen Biobetrieb, der die Vorstellungen einer nicht allzu großen Verbrauchergruppe bedient, die auch bereit ist, dafür zu zahlen. Die Masse setzt auf viel und billig und am besten, wenn es geht, eben doch „Bio“ zum Schnäppchenpreis!


Es ist mehr als nachvollziehbar, wenn sich in diesen Zeiten so mancher Landwirt entscheidet, andere Wege zu gehen, weil er mit diesen Entwicklungen nicht mehr mithalten möchte oder gar kann. Politik ist die eine Sache, die fehlende gesellschaftliche Anerkennung seiner Arbeit und indirekt auch das Preisdumping für sein Produkt, die andere.


Sie können es ändern:

Eine große Frage aber bleibt zurück. Habe ich als Landwirt Möglichkeiten, an der derzeitigen Situation etwas zu ändern? Diese Frage muss klar mit einem „Ja“ beantwortet werden!


Große Konzerne leisten sich Seminare zur Kommunikationsschulung, Marketingabteilungen werden mit Erfolgstrainings für den Wettbewerb fit gemacht und Persönlichkeitstrainer coachen Führungskräfte, um sie psychisch für ihre Aufgaben zu stärken und ihren Auftritt und ihre Wahrnehmung in der Öffentlichkeit zu optimieren.


Auch Landwirte können sich dieses Wissen aneignen und selbst das Zepter in die Hand nehmen, um aus der „Opferrolle“ aktiv herauszukommen und somit die eigene Situation zu verbessern. Das Fachwissen der Landwirte ist unbestritten, jedoch in der heutigen Zeit längst nicht mehr alleine ausreichend, um die Herausforderungen zu meistern.


Es braucht in erster Linie Basiswissen in der Kommunikationspsychologie, Erfolgsstrategien und nicht zuletzt Werkzeuge zur eigenen psychischen und da- raus resultierenden physischen Stabilität. Dazu sind einige Grundregeln wichtig:


Eines dürfte klar sein, der Landwirt braucht den Verbraucher und der Verbraucher benötigt den Landwirt – ein gutes Miteinander wäre also beiden dienlich und dieses steht und fällt mit der Art der Kommunikation und wie man aufeinander zugeht. Der derzeitige Dialog ist sicher noch verbesserbar!


Man stelle sich vor, jeder Mensch lebt auf seiner eigenen „Insel“. Auf dieser befindet sich jede Sekunde seines Lebens, alles, woran er sich erinnert, oder auch nicht. Zusätzlich beheimatet diese alle seine Wünsche für die Zukunft, seine Ängste und den täglichen „Stresshormontopf“, der sich je nach Situation verändert. Jeder Mensch liebt seine Insel, da kennt er sich aus, hat das Gefühl der Sicherheit.


Aus dieser „Insel“ heraus trifft er für sich folgerichtige „Entscheidungen“ und etabliert für sich folgerichtige „Meinungen“, die er vertritt. Das ist solange kein Problem, solange er quasi „alleine“ ist und nicht auf die „Inseln“ anderer trifft. Es liegt in der Natur der Sache, dass wir am einfachsten mit den Menschen klarkommen, die ähnliche „Inselinhalte“ ihr Eigen nennen, wie wir sie haben. Man hat sozusagen „Schnittmengen“ zum Thema, „man versteht sich“.


Schnell abgestempelt:

Hat man keine erkennbaren „Schnittmengen“ zu einem Thema, neigt der Mensch dazu, den anderen in seiner ganzen Person abzulehnen, ihn vielleicht sogar als Spinner abzuwerten und den Kontakt, wenn möglich, zu vermeiden. Man ist sozusagen meilenweit von einer Wertschätzung und von Vertrauen entfernt.


So betrachtet, ist es nicht verwunderlich, wenn das Vertrauen zwischen Landwirtschaft und Verbraucher kaum noch gegeben ist. Denn welcher Verbraucher hat heute noch direkten Kontakt zu einem Bauernhof? Sein Wissen bezieht er aus den Medien, die oft ein verzerrtes Bild zeichnen, denn „bad news“ verkaufen sich gut und erhöhen Auflagen und Einschaltquoten.


Schnittmengen finden.

Es ist an uns Landwirten, eine Brücke zu der Insel der Verbraucher zu bauen und sie auf unsere einzuladen, um ihnen diese zu erklären und Schnittmengen herzustellen. Erst wenn der Verbraucher wieder Einblick in den Arbeitsaufwand und die Qualität der Arbeit erlangt, kann er es mit Wertschätzung für den Berufsstand und das Produkt quittieren. Sich dem nicht zu widmen, ist ein fataler Fehler, dann übernehmen fachfremde Personen diese Aufgabe und wohin das führt, kann man derzeit gut beobachten.


In der Erfolgspsychologie gibt es das Modell von „Aktion = Reaktion“. Ein Schweizer Ökonom und Persönlichkeitstrainer hat einmal sinngemäß folgendes Bild beschrieben. Er sagte: „Die Landwirte sind die schlauesten Menschen auf dieser Welt, denn sie wissen, wenn ich Weizen ernten möchte, dann muss ich Weizen säen!“


Wenn ich also als Landwirt eine Wertschätzung ernten möchte, muss ich zuerst den Verbraucher wertschätzen. Wenn ich will, dass der Verbraucher sich für mich interessiert, so habe ich dies als Erster zu tun.


Eigenlob stinkt nicht!

Die Realität sieht derzeit oft anders aus. Kein Mensch hat uns bisher beigebracht, wie wichtig es ist, mit sich selbst gut klarzukommen. Im Gegenteil! Wie oft wurde uns erzählt, dass man sich selbst nicht loben darf. Jeder kennt den Spruch „Eigenlob stinkt“. Das ist der größte Unsinn, den man uns mit auf den Weg gegeben hat. Dies hätte ja zur Folge, dass ich nicht stolz sein darf auf meine Leistung, meine Arbeit, mein Produkt. Wenn ich nicht stolz darauf sein darf, wie sollte ich es dann dem Verbraucher erklären können, dass er meine Arbeit und mein Produkt schätzen soll?


Wenn wir uns als „Opfer“ präsentieren, werden wir als „Opfer“wahrgenommen. Auch die „Kampfeshaltung“ mit Trillerpfeifen und Traktorenkorso, verspricht gemäß diesem Modell keinerlei Besserung im Bestreben nach Vertrauen und Wertschätzung für den Landwirt und sein Produkt. Im Gegenteil, denn Druck erzeugt immer Gegendruck. Machen Sie den Test und halten sie ihre Hand mit der Innenfläche ohne weitere Angaben einem anderen Menschen entgegen. Er wird automatisch dasselbe tun. Üben Sie nun Druck aus. Ohne Aufforderung wird Ihr Gegenüber versuchen, mit Gegendruck standzuhalten.


Den Teufelskreis brechen:

Vielleicht denkt sich jetzt so mancher: „Ja wie denn jetzt? Hab ich denn nicht allen Grund, mich als „Opfer“ zu sehen, bei all der Misere, die ich auszuhalten habe? Jetzt soll ich mich noch um die Verbraucher kümmern, die mich ohnehin nicht genügend wertschätzen und nicht bereit sind, für gute Produkte gutes Geld zu bezahlen? Und wie, wenn nicht mit Trillerpfeifen und einer Portion Wut im Bauch, soll ich auf diese Situation aufmerksam machen?“ Doch, Sie haben allen Grund und auch das Recht dazu! Doch die Frage ist: Wie durchbrechen wir den Teufelskreis? Denn dass dieses Denken und Empfinden nicht zum Erfolg führt, liegt auf der Hand. Deshalb lautet die Devise „Selbstbewusstsein durch Selbstverantwortung“.


Werden wir uns unserer Person und unserer Situation bewusst. Jeder Landwirt entscheidet nach bestem Wissen und Gewissen über die Art seines Betriebes, über die Produktion, über die Schwerpunkte. Dafür übernimmt er zumeist auch die volle Verantwortung. Es gibt kaum Landwirte, die ihren Beruf nicht mit Leib und Seele ausüben.


Der Mensch trifft bis zu 10000 Entscheidungen am Tag, er hat also viel „Macht“. Macht über das, was er tut und nicht tut, über das, was er denkt und nicht denkt, über das, was er sagt und nicht sagt. Zu behaupten, man könne nichts machen, ist nicht nur eine Abgabe von Verantwortung, sondern auch von Macht und Handlungsspielraum, die bedauerlicherweise Fremdsteuerung und Misserfolg zur Folge haben kann. Gerade Kompetenzen wie Flexibilität, Durchhaltevermögen, Fleiß, auch Frustrationstoleranz und Konfliktlösung sind vielen Landwirten über familiäre Prägung und Wertevermittlung in die Wiege gelegt. Was hindert uns daran, diese Ressourcen nicht auch im Umgang mit dem Verbraucher einzusetzen, ihn auf unsere „Insel“ einzuladen. Nehmen wir mit Freude den Verbraucher mit in unser Boot. Der wichtigste Schritt zum Erfolg ist es, zu seinem Handeln und seinen Entscheidungen zu stehen. Sich „seiner selbst bewusst zu sein“.


Lachen hilft.

Der Ackerbauer, der Geflügelhalter, der Milchbauer, der Biobauer, der konventionelle Landwirt – jeder hat seinen Schwerpunkt und seine Vorlieben und hat diese Entscheidung selbst getroffen. Es ist ein großer „Erfolgsfaktor“, zu dem zu stehen, wofür man sich entscheidet. Kein Mensch hat Vertrauen zu einem anderen Menschen, der nicht hinter seinen Entscheidungen steht und diese erklären kann.


Immer, wenn ich geneigt bin, alles negativ zu sehen, so nehme ich mir fünf Minuten Zeit, um mir das genaue Gegenteil vorzustellen. Streichen Sie das Wort „Problem“ aus Ihrem Kopf und ersetzen Sie es durch das Wort Herausforderung. Binnen Sekunden werden Sie andere Gedanken haben und sich statt auf das Problem, auf Lösungen konzen- trieren. Das wiederum wird Sie in einen besseren Gefühlszustand versetzen als die Konzentration auf das Problem.


Sollten Sie damit nicht gleich zurechtkommen, hier noch eine weitere Technik, die Sie einzeln oder unterstützend anwenden können. Lachen tut in der Regel gut. Es muss im Vorfeld etwas in unserem Großhirn so verarbeitet worden sein, dass wir Freudehormone ausschütten. Auch wenn Ihnen in der Situation nicht nach Lachen zumute ist, so ziehen Sie sich für eine Minute zurück und grinsen Sie, was das Zeug hält. Sie kommen sich vielleicht die ersten paarmal blöd vor, aber was solls; Sie hatten vorher auch kein besseres Gefühl.


Nun geschieht Folgendes: Durch das Komprimieren der für das Lachen zuständigen Muskeln, werden Nervenbahnen stimuliert. Diese melden an Ihr Gehirn die Information, dass Sie lachen. Darauf reagiert nun Ihr Gehirn mit der Produktion von Freudehormonen. Bereits nach einer Minute fühlen Sie sich schon besser und werden einen anderen Aufritt haben als vorher.


Wertvoll und lebensnotwendig:

Es ist an der Zeit, dass sich die Landwirtschaft bewusst mit ihrem Auftritt beschäftigt, ohne sich von Werbeagenturen schöner zeichnen zu lassen, als sie in Wirklichkeit ist oder von fragwürdigem Journalismus an den Pranger gestellt zu werden, um Auflagenzahlen zu erhöhen. Landwirtschaft ist so, wie sie ist – wertvoll, lebensnotwendig und vielfältig!


Mit der Bewusstmachung über all diese Werte, in Kombination mit der eigenen Leistung und dem Sachverstand, kann sich das gegenseitige Vertrauen Schritt für Schritt in die Richtung entwickeln, wie es die Landwirtschaft verdient. Sie ist „voller Wert“ für den Menschen, die Gesellschaft und auch für die Umwelt. Nehmen wir die neuen Herausforderungen mit gutem Gefühl an und laden den Verbraucher ein, sie mit uns zu teilen.

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