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Bestimmt bald der Kreis Pacht und Pächter?

Lesezeit: 9 Minuten

Niedersachsens Agrarminister Christian Meyer hat Eckpunkte für ein neues Bodenrecht vorgestellt. Mit massiven Eingriffen in den Pacht- und Kaufmarkt will er den Preisauftrieb in den Griff bekommen.


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Alle klagen über steigende Bodenpreise. Bundesweit legten sie zuletzt um über 10% zu, in Niedersachsen sogar um knapp 15%. Trotzdem packt die Politik das Thema nur zögerlich an. Das könnte sich jetzt ändern: Niedersachsens grüner Landwirtschaftsminister Christian Meyer hat Eckpunkte für ein „Gesetz zur Sicherung der bäuerlichen Agrarstruktur“ in seinem Bundesland vorgelegt.


Das ist mutig, denn zuletzt war Sachsen-Anhalts früherer Landwirtschaftsminister Dr. Hermann Onko Aeikens mit seinen Vorstellungen für ein strengeres Bodenrecht an juristischen Problemen und am Widerstand des Berufsstandes gescheitert (siehe top agrar 5/2015, Seite 36).


Meyer will mit seinem Gesetz für Niedersachsen das jetzige Grundstückverkehrs-, Landpachtverkehrs- und Reichssiedlungsgesetz ablösen. Kleinflächen bis zu 2 ha sollen genehmigungsfrei werden. Im Moment liegt die Grenze bei 1 ha. Für darüber hinausgehende Flächengrößen sollen aber zum Teil deutlich strengere Regeln gelten. Fünf Punkte haben es dabei besonders in sich:


1.Preisbremse zieht bei 130%


Grundstücksverkäufe sollen versagt werden, wenn der vereinbarte Preis 130% des innerlandwirtschaftlichen Verkehrswertes übersteigt. Bisher hat sich in der Rechtsprechung eine Preisobergrenze von 150% durchgesetzt. Zudem soll die Preisbremse für Nicht-Landwirte und Landwirte gelten.


Aber: Ein neues Urteil des Bundesgerichtshofes besagt (Az.: BLw 2/12, siehe top agrar 7/2016, S. 27), dass die Genehmigungsbehörden nicht mehr den innerlandwirtschaftlichen Verkehrswert, sondern den Marktwert eines Grundstückes ermitteln müssen, um zu entscheiden, ob der in einem Vertrag vereinbarte Preis im Vergleich dazu überhöht ist.


An diese höchstrichterliche Rechtsprechung wird sich wohl auch Niedersachsen halten müssen. Dann ist jedoch fraglich, ob die definierte Preisobergrenze noch häufig greift.


2.Sehr enge Wachstumsgrenzen


Größere Betriebe, insbesondere, wenn sie in kleinen Gemarkungen liegen, sollen nach dem Entwurf keine weiteren Flächen mehr kaufen dürfen. Sobald einem Betrieb 25% oder mehr der Flächen einer Gemarkung gehören – egal, ob vor oder erst nach dem Kauf – versagt der Landkreis den Kauf weiterer Parzellen. Das träfe z.B. auch schon einen arrondierten Betrieb, der mehr als 25 ha Eigentum in einer Gemarkung besitzt, wenn diese nur 100 ha groß ist.


Hat hingegen ein gleich großer Betrieb diese Flächen auf mehrere Gemarkungen verteilt oder in einer z.B. 400 ha großen Gemarkung liegen, hätte er kein Problem. „Gemarkungen sind als Bezugseinheit ungeeignet“, ist deshalb für Prof. Dr. Enno Bahrs von der Universität Hohenheim klar. Und auch juristisch gibt es ein Problem: „Gleich große Betriebe werden je nach Lage der Flächen ungleich behandelt. Das ist mit dem Gleichheitsprinzip des Grundgesetzes nicht vereinbar“, urteilt Rechtsanwalt Andreas Dehne aus Elze.


Aber auch Betriebe, die fünfmal so groß wie der landesweite Durchschnitt sind, sollen nicht mehr kaufen dürfen. Aktuell wäre dann bei einer Betriebsgröße von 330 ha Schluss, da die Betriebe in Niedersachsen im Schnitt 66 ha groß sind (2015). „Das wäre ein massiver Eingriff in die Berufsfreiheit der Landwirte und eigentlich nur kartellrechtlich zu begründen“, gibt Dehne zu Bedenken. Ob ein Betrieb, der fünfmal so groß ist wie der Durchschnitt, schon eine marktbeherrschende Stellung hat und damit einen kartellrechtlichen Eingriff rechtfertigt, erscheint fraglich.


„Eine pauschale Größenbegrenzung unserer Betriebe in Niedersachsen ist nicht sinnvoll“, meint auch das Landvolk Niedersachsen. Eine solche pauschale Größe bleibt immer zu einem gewissen Maße ungerecht, weil sie z.B. die unterschiedliche Ertragskraft der Böden ignoriert.


3.Direkter Vorkauf möglich


Landwirte, die in der gleichen oder einer unmittelbar angrenzenden Gemarkung ihren Betriebssitz haben, sollen ein direktes Vorkaufsrecht haben, ohne dass das Siedlungsunternehmen zwischengeschaltet ist.


„Das klingt in der Theorie gut, um die doppelte Grunderwerbsteuer sowie die doppelten Notarkosten zu vermeiden, die fällig werden, wenn zunächst die Landgesellschaft erwirbt und dann der Landwirt“, kommentiert das Landvolk. In der Praxis sähe das allerdings so aus: Landwirte können für Flächen in ihrer und den Nachbargemarkungen das Vorkaufsinteresse für die kommenden fünf Jahre anmelden. Steht ein Verkauf an, der nicht genehmigt wird, muss die Behörde alle registrierten Interessenten über die Möglichkeit des Vorkaufs informieren. Melden daraufhin entweder kein Landwirt oder direkt mehrere, dass sie ihr Recht in Anspruch nehmen wollen, soll doch wieder das Siedlungsunternehmen die Ausübung des Vorkaufsrechts übernehmen. Am Ende wüsste also womöglich die komplette Umgebung über sämtliche Details anstehender Verkäufe Bescheid und trotzdem wäre nichts gewonnen.


Hinzu kommt, dass der Entwurf das Vorkaufsrecht mit der Preisobergrenze von 130% verknüpft. Stellt die Genehmigungsbehörde also fest, dass der vereinbarte Preis die Obergrenze von 130% übersteigt, kann sie den Kauf mit der Auflage genehmigen, den Preis zu senken, ihn komplett versagen, um dem Verkäufer die Gelegenheit zur Neuverhandlung zu geben oder aber sie lässt einen Vorkäufer zu einem niedrigeren Preis in den Vertrag einsteigen.


„Beim Vorkauf steigt der Vorkäufer eins zu eins in den Vertrag ein. Mit der geplanten Möglichkeit, das Vorkaufsrecht zu behördlich vorgeschriebenen Preisen auszuüben, würde eine neue Regelung geschaffen, die einen massiven Eingriff in die Eigentumsrechte des Verkäufers darstellt und stark in die Vertragsfreiheit eingreift“, kritisiert Anwalt Dehne. Immerhin: Steigt ein Vorkäufer zu einem niedrigeren als dem vereinbarten Preis ein, kann der Verkäufer vom Vertrag zurücktreten.


4.Pachtmarkt wird reguliert


Am stärksten greift das geplante Gesetz in den Pachtmarkt ein. Zum einen soll über hohe Strafen erreicht werden, dass Pachtverträge auch angezeigt werden. Das ist bisher eher die Ausnahme. Künftig drohen Bußgelder bis zu 100000 € bei Nicht-Anzeige oder Vollzug des Vertrages ohne Genehmigung. Zum anderen soll es ähnliche Versagungsgründe geben wie beim Verkauf von Flächen.


Demnach wird der Pachtzins auf 130% der „durchschnittlichen Pacht für vergleichbare Pachtflächen in der Gemeinde“ gedeckelt. Zudem sollen nur Landwirte pachten dürfen, die weniger als 25% der Flächen in einer Gemarkung im Eigentum oder in Pacht bewirtschaften. Schon Betriebe, die z.B. in einer 100 ha-Gemarkung mehr als 25 ha bewirtschaften, könnten somit weder pachten, noch – je nachdem wie viel davon eigene Fläche ist – kaufen. Selbst Pachtflächen, die sie bereits bewirtschaften, könnten sie verlieren, sobald neu verhandelt wird.


Darüber hinaus sieht der Entwurf vor, dass Landwirte der gleichen oder direkt angrenzenden Gemarkung ein Vorpachtrecht bekommen. Vorpachtberechtigte Landwirte können für die Flächen in ihren oder angrenzenden Gemarkungen ihr vorrangiges Pachtrecht anmelden. Diese Absichtserklärung gilt dann für die nächsten fünf Jahre.


Zeigt nun der Verpächter dieser Flächen an, dass er z.B. an einen Landwirt aus der übernächsten Gemarkung verpachten möchte, kann die Behörde ihn auffordern, entweder den Vertrag aufzuheben oder an einen der Vorpachtberechtigten zu verpachten.


Liegt die vereinbarte Pacht zudem um mehr als 30% über der durchschnittlichen Pacht, könnte der Vorpächter zu einem niedrigeren als dem vereinbarten Pachtpreis in den Vertrag einsteigen. Kommt es dazu, darf der Verpächter aber immerhin noch vom Vertrag zurücktreten.


Betroffen wären womöglich auch Verträge, die sich automatisch verlängern. „Vertragstreue und persönliches Vertrauen würden nichts mehr zählen“, befürchtet das Landvolk Niedersachsen. Und die Betriebswirtschaft wäre auf den Kopf gestellt, weil „nicht mehr sichergestellt ist, dass die Flächen zum besseren Landwirt wandern“, befürchtet der Agrarwissenschaftler Bahrs. „Das ist Planwirtschaft und in jedem Fall verfassungswidrig“ urteilt Anwalt Dehne.


5.Anteilskäufe werden genehmigungspflichtig


Auch den Erwerb von Gesellschaftsbeteiligungen will Niedersachsen genehmigungspflichtig machen. Keine Genehmigung gibt es, wenn eine „agrarstrukturell nachteilige Verteilung von Grund und Boden“ befürchtet wird.


Betroffen sind Gesellschaften mit landwirtschaftlichen Flächen, die mindestens 40% des Gesellschaftsvermögens ausmachen, wenn davon mehr als 10ha in Niedersachsen liegen und der Erwerber nach dem Erwerb zu mehr als 40% an der Gesellschaft beteiligt ist. Gesellschaften, deren Vermögen zu mindestens 90% aus landwirtschaftlichen Flächen besteht, ohne dass die Gesellschaft landwirtschaftlich tätig ist, müssen Anteilserwerbe grundsätzlich genehmigen lassen. Allerdings nur, wenn der zu veräußernde Anteil rechnerisch mehr als 5ha Fläche in Niedersachsen entspricht. Bewertet werden die Flächen mit dem Verkehrswert, bei gepachteten Flächen mit dem Ertragswert.


Auch wenn Beteiligungen an Treuhänder übertragen werden oder Gesellschaftsanteile über Verschmelzungen oder Spaltungen den Eigentümer wechseln, soll das künftig genehmigungspflichtig sein. Gleiches gilt, wenn das Vermögen einzelner Gesellschafter anwächst, weil andere ausscheiden.


Anteilserwerbe ohne Genehmigung müssen rückabgewickelt werden. Erfolgt dies nicht, fallen hohe Strafen an, die bis zu 1 Mio. € betragen sollen. Das wirft viele Fragen auf: Was geschieht mit austrittswilligen Gesellschaftern? Werden Landwirte künftig gezwungen, dauerhaft in einer Gesellschaft zu bleiben, um ihren Mitstreitern drohende Strafgelder zu ersparen. Und was passiert, wenn der Gesellschafter stirbt?


Auch der Eintritt in oder die komplette Neugründung einer landwirtschaftlich tätigen Gesellschaft würde genehmigungsbedürftig. Die Aufnahme der landwirtschaftlichen Tätigkeit zu versagen, widerspräche den Grundsätzen der Berufsfreiheit, gibt Rechtsanwalt Andreas Dehne zu Bedenken.


Hinzu kommt, dass der Entwurf zwei entscheidende Ausnahmen vorsieht: Aktiengesellschaften und Genossenschaften sollen von der Genehmigungspflicht ausgenommen werden. Dafür gibt es zumindest bei börsenorientierten Unternehmen, die in sekundenschnelle Anteile veräußern, nachvollziehbare Gründe (siehe top agrar 2/2015, Seite 44). „Es widerspricht aber dem Gleichheitsprinzip und regt geradezu zur Umgehung an“, meint Dehne.


Zudem sind es gerade diese beiden Gesellschaftsformen, die in größerem Umfang Flächen besitzen. Aber nicht unbedingt in Niedersachsen. Das niedersächsische Landvolk rät deshalb: „Man sollte zunächst untersuchen, inwieweit die Agrarstruktur Niedersachsens tatsächlich gefährdet ist und ob eine Genehmigungspflicht samt einzelner Ausnahmen rechtlich zulässig ist.“


Landkreise überfordert?

Zuständig für die Durchführung des Gesetzes sollen weiterhin die Grundstückverkehrsausschüsse der Landkreise sein. Auf diese käme ein deutlich höherer bürokratischer Aufwand zu als bisher. Schließlich müssen z.B. alle interessierten Vorkäufer und Vorpächter in Register aufgenommen und im Falle des möglichen Vorkaufs oder der Vorpacht informiert werden. Und zwar kurzfristig.


Noch aufwendiger dürfte die Prüfung der Anteilserwerbe sein. Dafür müssen die Landkreise alle Vermögenswerte der Gesellschaften im Detail ermitteln. Ob die Kommunen in der Lage sind, das umzusetzen, ist fraglich.


Dr. Johanna Garbert

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