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Geruch

Geruch: Das muss Ihr Nachbar dulden

Mit wie viel Geruch muss Ihr Nachbar leben? Darüber gibt es immer wieder Streit. Damit Sie zu Ihrem Recht kommen, sollten Sie diese Gesetze kennen.

Lesezeit: 15 Minuten

Konflikte immer häufiger

Die Frage, ob es dem Nachbarn stinkt, kommt aufgrund der Spezialisierung der landwirtschaftlichen Betriebe mit Tierhaltung immer wieder auf. Dies ergibt sich zwangsläufig, zumindest in den dicht besiedelten Bundesländern, aus zwei Ausgangsfragestellungen: Wenn der Landwirt einen Stallneubau oder eine Erweiterung seiner Tierplatzzahlen plant, beschwert sich der Wohnnachbar. Anders herum beschwert sich der aktive Landwirt, wenn auf den Nachbarhofstellen Gebäude zu Wohnraum umgebaut werden sollen.

 

Recherchiert man in der Rechtsprechung der letzten Jahre, stellt man fest, dass Nachbarbeschwerden gegen Stallneubauten wegen der damit verbundenen Geruchsbelastungen an der Tagesordnung sind. Leider ergibt sich aus der Rechtsprechung nach wie vor kein vollständig einheitliches Entscheidungsbild.

 

Rücksichtnahme wichtig

Geht der Nachbar gegen die Genehmigungsbehörde mit der Behauptung vor, eine Genehmigung sei wegen unzumutbarer Geruchsbelästigungen zu Unrecht ausgesprochen, ist Anknüpfungspunkt immer das sogenannte Gebot der Rücksichtnahme. Dieses ist sowohl im Baugesetzbuch wie auch im Bundesimmissionsschutzgesetz verankert und dient den Gerichten als Ausgangspunkt für die Prüfung, ob Geruchsbelästigungen erheblich sind. Dabei wird auf die konkrete Schutzwürdigkeit und Schutzbedürftigkeit der betroffenen Rechtsgüter abgestellt, die sich ihrerseits nach der bebauungsrechtlichen Prägung der Situation und nach den tatsächlichen oder planerischen Vorbelastungen bestimmen.

Wenn man allerdings ein Gebäude ohne die erforderliche Genehmigung zur Wohnnutzung umgebaut hat, kann man selbst bei jahrelanger Duldung nicht erwarten, die gleiche Rücksichtnahme fordern zu können, wie jemand, der legal wohnt (OVG Lüneburg, Urteil vom 6.3.2014 – 1 ME 205/12).

Andersherum darf man von vornherein allein aus Geruchsgründen in Wohngebieten keine Kühe halten (VG Karlsruhe, Urteil vom 6.11.2008 – 9 K 1660/07). Rücksichtnahme gilt also immer gegenseitig.

 

Vorbelastung zu berücksichtigen

Bereits vorhandene Vorbelastungen eines Grundstücks können dazu führen, dass dem Schutz des Wohnens ein geringerer Stellenwert zukommt und Beeinträchtigungen in einem weitergehenden Maße zumutbar sind, als sie sonst in dem betreffenden Baugebiet hinzunehmen wären. Außerdem wird unterschieden, ob das Wohnhaus des sich beschwerenden Nachbarn in einem Dorfgebiet, am Rand des Außenbereichs oder sogar selbst im Außenbereich liegt, ob es landwirtschaftlich vorgeprägt ist und welchen Personen es zum Wohnen dient. Dabei ist allerdings nur der Wohnteil des Grundstücks von Interesse. Bei sehr großen Grundstücken ist es deshalb unerheblich, wenn in der hintersten Gartenecke Geruchsgrenzen überschritten werden, am Wohnhaus selbst oder an der Terrasse aber nicht ( VGH München, Beschluss vom 7.2.2013- 15 CS 12.743).

 

Rechtslage kompliziert

Für die Beurteilung der Erheblichkeit durch Geruchsimmissionen durch Tierhaltung gibt es keine Rechtsgrundlage. Die Gerichte greifen auf die TA-Luft als Anhaltspunkt sowie auf verschiedene Orientierungs- bzw. Entscheidungshilfen zurück. Früher erfolgte eine grobe Einschätzung für die Schweine- und Geflügelhaltung nach VDI-Richtlinien, die speziell Abstände für diese beiden Tierhaltungen festlegten.

Diese alten VDI-Richtlinien wurden ersetzt durch die im November 2012 veröffentlichte Richtlinie VDI 3894, Blatt 2 „Emissionen und Immissionen aus Tierhaltungsanlagen – Methode zur Abstandsbestimmung Geruch“. Mit der Richtlinie ist das Verfahren präziser, aber auch komplizierter geworden.

 

GIRL als Regelwerk

Daneben ist in den meisten Bundesländern die Geruchsimmissionsrichtlinie (GIRL) in der Fassung vom 29.02.2008 mit Ergänzung vom 10.09.2008 per Ländererlass als Orientierungshilfe eingeführt, auf die bei der  Bewertung der Erheblichkeit von Geruchsbelastungen in der Regel zurückgegriffen wird. Die GIRL enthält technische Normen, die auf den Erkenntnissen und Erfahrungen von Sachverständigen beruhen und insofern die Bedeutung von allgemeinen Erfahrungssätzen und antizipierten generellen Sachverständigengutachten haben.

Anfänglich war umstritten, ob die GIRL, die auf einer Zeitbewertung beruht und die Geruchsstundenhäufigkeit pro Jahr ermittelt, tatsächlich ein dienliches Beurteilungsinstrument ist. Mittlerweile, so auch das Bundesverwaltungsgericht (im Beschluss vom 28.07.2010 – 4 B 29.10), findet die GIRL als Regelwerk tatsächlich Anwendung Sie stellt jedoch nur ein Kriterium zur Bewertung von Geruchsimmissionen dar. Namentlich darf sich die Beurteilung der Immissionen deshalb nicht in jedem Fall allein an den in der GIRL festgelegten Immissionswerten für die Geruchshäufigkeit orientieren. Darüber hinaus hat zur Frage der Zumutbarkeit immer eine umfassende Würdigung aller Umstände des Einzelfalls zu erfolgen (OVG Münster, Urteil vom 2.12.2013 – 2 A 2652/11).

 

Lage des Wohnhauses entscheidet

In der GIRL sind für verschiedene Nutzungsgebiete Werte für die Beurteilung der Geruchsimmissionen festgelegt. So dürfen hiernach in Wohn- und Mischgebieten in

10 % der Jahresstunden, in Gewerbe- und Industriegebieten sowie in Dorfgebieten in 15 % der Jahresstunden störende Gerüche wahrgenommen werden. Liest man die GIRL, hört sie sich an vielen Stellen nach einer sehr technischen Vorschrift an, die mit mathematischen Gleichungen versehen ist. Kurz gesagt zählt eine Geruchsstunde als belastet bewertet, wenn in mindestens 10 % der Zeit Geruch wahrgenommen wird.

In der Praxis wird also versucht, mit den Gutachten nach der GIRL aussagekräftige Prognosen zu erstellen. Im Wege einer Ausbreitungsrechnung wird so die Gesamtbelastung, bestehend aus der Vor- und Zusatzbelastung, ermittelt.

 

Gutachten sind teuer

Leider ist in der Praxis festzustellen, dass die Behörden im Vorfeld der Genehmigungserteilung oftmals auf ein Gutachten bestehen, obwohl das nicht notwendig wäre. Immerhin bedeuten die Gutachten für die Antragsteller einen nicht unerheblichen Kosten- und Zeitaufwand.

 

Auch die Gerichte greifen gerne auf diese Gutachten zurück. Dabei stellt die GIRL ausdrücklich fest, dass bei (nicht immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftigen) Tierhaltungsanlagen, also den Bauverfahren, die Genehmigung auch auf die Einhaltung der Abstände der o.g. VDI-Richtlinie gestützt werden kann.

 

Sonderfall: Wohnen im Außenbereich

In der GIRL sind die schon aufgeführten Immissionswerte für Wohn-/Mischgebiete (10 % der Jahresstunde) und für Gewerbe-/Industriegebiete/Dorfgebiete (15 % der Jahresstunden) für Geruchsimmissionen, die durch Tierhaltungsanlagen verursacht worden sind, festgelegt. Einen Immissionswert für den Außenbereich regelt die GIRL nicht ausdrücklich. Den Auslegungshinweisen (zu Nr. 3.1 der GIRL) ist zu entnehmen, dass das Wohnen im Außenbereich mit einem immissionsschutzrechtlich geringeren Schutzanspruch verbunden ist. Vor diesem Hintergrund ist es, so die Auslegungsvorschriften, möglich, im Außenbereich unter Prüfung der speziellen Randbedingungen des Einzelfalls bei der Geruchsbeurteilung einen Wert bis zu 25 % der Jahresstunden für landwirtschaftliche Gerüche heranzuziehen.

 

Zunächst ist also maßgeblich, ob und in welchem Plangebiet das Wohnhaus des gegen einen Stallneubau klagenden Nachbarn liegt. Die Gerichte unterscheiden sogar innerhalb eines Gebietes, z. B. des Dorfgebietes, danach, ob das Wohnhaus innerhalb des Dorfgebietes oder am Rand zum Außenbereich liegt. Innerhalb des Außenbereichs wird danach unterschieden, wer das Wohnhaus bewohnt. Ist der Nachbar selbst Landwirt, handelt es sich um einen aufgegebenen landwirtschaftlichen Betrieb, dient die Wohnung der Familie, dem Betriebsangehörigen oder unbeteiligten Dritten oder liegt eine Splittersiedlung vor, all dies spielt für die Gerichte eine Rolle.

 

Im Folgenden präsentieren wir Ihnen eine Auswahl interessanter gerichtlicher Entscheidungen, in denen jeweils die Zumutbarkeit von Gerüchen für Nachbarwohnhäuser Gegenstand waren:

 

 

 



Wohnen im Dorf

-Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (Beschluss vom 18.08.2010 – 22 ZS 10.1686) lehnte die Klage eines Wohnhauseigentümers im Dorfgebiet in 300 Meter Entfernung von einem geplanten Hähnchenmaststall mit 39.500 Plätzen ab, nachdem das Geruchsgutachten feststellte, dass Geruchsimmissionen das Wohnhaus des Klägers nur in 6 % der Jahresstunden belastete.

Wohnen am Rand zum Außenbereich

-Das Verwaltungsgericht Frankfurt (Urteil von 02.12.2010 – 4 K 1163/09.F) lehnte ebenso Ansprüche des Eigentümers eines Wohnhauses im Dorfgebiet am Rand zum Außenbereich ab. Das Wohnhaus lag in einem Abstand von 100 Meter zum Stall , 150 Metervom Güllebehälter eines Landwirtes entfernt, der einen neuen Jungviehstall in seinem Milchviehhaltungsbetrieb errichten wollte. Das Geruchsgutachten ermittelte einen Immissionswert von 6 %. Bei der Errichtung eines Jungviehstalls im bestehenden Milchviehhaltungsbetrieb des Landwirts, ohne Erweiterung der Plätze, handelt es sich um eine reine Betriebsverlagerung, die nicht zu einer Änderung der Emissionssituation führt, so das Gericht.

Zwischenwerte

-- Im Übergangsbereich zum Außenbereich bilden die Gerichte auch sogenannte Zwischenwerte, also zulässige Geruchsgrenzen zwischen den Werten für Dorfgebiete und Außenbereich. Beispielsweise hat das VG Aachen (Urteil vom 23.1.2013 – 3 K 2068/10) den geltenden Immissionswert für ein Haus am Rand zum Außenbereich auf 20 % erhöht. Ähnlich sind auch das OVG Münster ( Urteil vom 30.11.2012 – 2 D 95/11.ME) und der Hessische VGH (Beschluss vom 10.4.2014 – 9 B 2156/13) verfahren.



 

 

Höhere Belastungen im Außenbereich zumutbar

 

       Wohnen im Außenbereich

-Das Verwaltungsgericht Oldenburg (Urt. v. 10.03.2010 – 5 A 1375/09) war befasst mit der Klage eines Wohnnachbarn gegen die Genehmigung von zwei Hähnchenmaststellen mit insgesamt 83.880 Plätzen. Das Nachbarwohnhaus stand 160 Meter (250 Meter von der zentralen Abluftstelle) entfernt im Außenbereich, die Abstände der damals geltenden VDI-Richtlinie waren unterschritten. Ein Gutachten nach GIRL ermittelte eine Geruchsbelästigung des Nachbarn in 9,7 % der Jahresstunden. Das Verwaltungsgericht entschied, dass hiermit die zulässigen Werte der GIRL deutlich unterschritten wurden, die Klage des Nachbarn wurde abgelehnt.



Landwirtschaft ist Schicksalsgemeinschaft

-Interessant war auch die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichtes Lüneburg (Beschluss vom 27.01.2011 – 12 LA 68/09). Diese drehte sich um zwei landwirtschaftliche Betriebe:  der eine Landwirt hatte einen Hähnchenmaststall mit 35.000 Plätzen auf seiner Hofstelle, auf der er auch wohnt. Der andere Landwirt betrieb ebenfalls Hähnchenmast und wollte diese um 39.997 Plätze erweitern. Der Abstand dieses Neubauvorhabens zum Wohnhaus des ersten Landwirts betrug 210 Meter. Durch Gutachten wurde festgestellt, das am Wohnhaus des ersten Landwirts bereits 40 % durch die eigenen Hähnchenmastanlage „geruchsbelastet“ war und das Neubauvorhaben des Nachbarn lediglich eine Zusatzbelastung von 5 % verursacht.

Das Oberverwaltungsgericht stellte deutlich klar, dass für Landwirte untereinander andere Maßstäbe, auch für deren Wohnnutzung, gelten (sog. Schicksalsgemeinschaft). Da die Geruchsbelastung des Neubauvorhabens im Vergleich zu der eigenen Anlage nachrangig war und in sehr stark landwirtschaftlich geprägten Gebieten im Außenbereich auch höhere als die GIRL-Werte zumutbar seien, wurde der erste Landwirt aufgerufen, zunächst durch eigene Maßnahmen zur Verbesserung der Immissionssituation beizutragen.



Verbesserungsgenehmigung

-Gerade in neuester Zeit ist die Frage, ob eine spürbare Verbesserung der Geruchsimmission auf das Nachbargrundstück dazu führt, dass eine baurechtlicheGenehmigung für die Erweiterung von Tierhaltungsanlagen ausgesprochen werden kann, obwohl die Grenzwerte der GIRL noch immer überschritten sind. In der Regel geht dies mit der Errichtung leistungsfähiger Abluftreinigungsanlagen einher.

-In NRW hat das OVG ( Beschluss vom 23.4.2013 – 2 B 141/13) entschieden, dass solche „Verbesserungsgenehmigungen“ auch im Baurecht zulässig sind.

-In Niedersachsen sind die Gerichte sich da nicht so einig. Während das VG Hannover (Urteil vom 14.1.2013 -4 A 205/12) im Einzelfall solche Verbesserungen anerkenne wollte, will das OVG Lüneburg ( Beschluss vom 9.4.2014 – 1 LA 60/13) so etwas nur für immissionsschutzrechtlich genehmigte Ställe akzeptieren.

Absolute Obergrenzen

Ebenso wenig ist die Frage letztendlich geklärt, ob es sich bei den 25% zulässigen Geruchswerten im Außenbereich um eine absolute Obergrenze handelt.

Grundsätzlich geht man nämlich davon aus, dass ganz wenig zusätzlicher Geruch irrelevant sein kann.

Das VG Düsseldorf (Urteil vom 24.4.2012 – 3 K 6274/09) toleriert z B keinen weiteren, wenn auch noch so kleinen, zusätzlichen Geruchsbeitrag, wenn die Vorbelastung schon die Grenze erreicht. Ebenso kritisch sieht das auch das OVG Niedersachsen (Beschluss vom 8.11.2012 – 1 ME 128/12).

Der Bayrische VGH sieht das wiederum anders. In seinem Urteil (vom 27.3.2014 – 22 ZB 13.692) hielt er einen zusätzlichen Geruchsbeitrag für akzeptabel, obwohl die Vorbelastung bereits bei 37 % lag. Auch von absoluten Obergrenzen hält er nichts, solche ergeben sich nicht aus der GIRL.

 

-Ein Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes Mannheim (Beschluss vom 12.04.2010 – 3 S 2786/09) stellt klar: bei einer deutlichen Unterschreitung der Irrelevanzschwelle entsteht sicher keine unzumutbare Geruchsbelastung!  Und weiter: „eine Berücksichtigung der Ausbringung von Gärresten auf dem Feld hatnicht stattzufinden“.



Wohnen auf dem Resthof

-Ähnlich verhielt sich auch die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichtes Lüneburg (Beschluss vom 22.09.2010 – 12 ME 51/10). Hierin ging es um Nachbarn, die in einem zu Wohnzwecken umgebauten Resthof gegen eine Genehmigung für den Landwirt vorgingen, der bereits Puten- und Schweinemast auf seinem Betrieb hatte und nunmehr eine Biogasanlage hinzubauen wollte. Gutachterlich wurde festgestellt, dass durch die Biogasanlage weniger als 0,4 % am Wohnhaus der Nachbarn zusätzliche Geruchsbelastung ankam.

-Biogasanlage

Eine Anwendung der TA-Luft und der GIRL auf Biogasanlagen findet nicht statt, so das Gericht. Mit einer derart geringen Geruchsbelästigung von 0,4 % (sog. kleine Irrelevanzschwelle) könne es Ansprüche für die Wohnnachbarn nicht geben. Die Geruchsqualität von Biogasanlagen sei auch nicht  auffällig negativ.

Wohnhaus  in Splittersiedlung

-Eine weitere Entscheidung zu nachbarlichen Wohnhäusern im Außenbereich traf das Oberverwaltungsgericht Schleswig (Urt. v. 09.12.2010 – 1 LW 6/10). Hier bewohnte der Nachbar eine Doppelhaushälfte im Außenbereich in einer Splittersiedlung. Der Landwirt auf dem Nachbarhof beantragte eine Nutzungsänderung eines Sauen- und Abferkelstalls in einen Schweinemaststall mit 290 Plätzen in der Gewichtsklasse bis zu 120 kg/Schwein.

-Das Geruchsgutachten ermittelte einen Immissionswert von18 % im schlechtesten Fall (worst case). Tatsächlich verbesserte sich die Geruchssituation jedoch durch Erhöhung der Abluftkamine und durch eine bessere Ableitung der Geruchsfahne, indem auf dem angrenzenden Deich behindernde Bäume gefällt wurden. In dem Verfahren trug der Nachbar umfangreiche Argumente vor, die dazu dienen sollten, seine Ansprüche durchzusetzen. So behauptete er, auch im Außenbereich gelte der den Dorfgebieten entnommene Grenzwert von 15 %. Auch seien landwirtschaftliche und gewerbliche Tierhaltungsanlagen unterschiedlich zu behandeln. Die Geruchsart der Mastschweinehaltung sei ekelerregend und übelkeitsauslösend, so sei eine Nachbarin bereits durch die Ammoniakbelastung erkrankt. Auch handele es sich um ein Kurgebiet, das besonderen Schutz erfordert.

Das Oberverwaltungsgericht Schleswig sagte dazu – kurz zusammengefasst -:

Das Wohnen in einer Splittersiedlung, sog. nichtprivilegiertes Wohnen im Außenbereich, ist weniger schutzwürdig als die Wohnbebauung im Dorfgebiet, ein  Geruchswert über 15 % ist also regelmäßig in Ordnung. Im Außenbereich gelte für einen Immissionswert von kleiner als 25 %, insbesondere nach den Auslegungshinweisen zur GIRL, dass dieser nur ausnahmsweise unzumutbar ist. Die Art des Geruches, ekelerregend u.ä., würde bereits über die Gewichtungsfaktoren in der GIRL berücksichtigt. Ein Pflanzenbestand, hier eine Baumreihe auf einem Deich, als Geruchsfilter sei durch die Gutachten nicht haltbar. Privilegierte Vorhaben, sowohl die landwirtschaftlichen Bauvorhaben nach § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB wie auch die gewerblichen Tierhaltungsanlagen i. S. v. § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB, haben stärkere Positionen als die Wohnbebauung im Außenbereich, der schon allein aufgrund der Privilegierung der Vorhaben mehr Geruchsimmissionen zuzumuten sind, als dies in einem Dorfgebiet der Fall ist.



-Kein Wertverlust von Grundstücken

-Dieser Entscheidung schloss sich das Oberverwaltungsgericht Münster (Beschluss vom 21.09.2012 – 8 B 762/11) für ein Wohnhaus im Außenbereich an, welches ein Hobbylandwirt bewohnte. Dieser betrieb auf einer Hofstelle u.a. eine eigene Pferdehaltung. Der Landwirt nebenan betrieb Schweine- und Rindermast und plante die Erweiterung der Schweinemast auf 1.643 Plätze sowie die Errichtung eines weiteren Güllehochbehälters und einer Siloplatte. Inklusive des Güllebehälters ermittelte man eine Geruchsbelastung von 20 %. Der Hobbylandwirt behauptete, dadurch verlöre sein Grundstück erheblich an Wert.



Das Oberverwaltungsgericht stellte klar, dass aufgrund der Ortsüblichkeit oder für Nachbarn, die entweder selbst Tiere haben oder früher selbst Tiere gehalten haben und die nach wie vor im Außenbereich wohnen, höhere als die GIRL-Werte zulässig sein können. Im vorläufigen Rechtsschutzverfahren sei zumindest davon auszugehen.



Fremdvermietet oder familiär genutzt

-Den Ausführungen in einem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Münster (10 K 1875/11), welches mit einem Vergleich endete, waren folgende Hinweise zu entnehmen: Nach einer Umnutzung von Wirtschaftsgebäuden in freivermietbare Wohnungen ist eine Geruchsbelastung für den unbeteiligten Wohnnutzer von über 25 % im Außenbereich im Regelfall eine unzumutbare Belastung. Nutzt ein  Familien- oder Betriebsangehöriger (sog. beteiligtes Wohnen) dagegen die Wohnung, sind auch Werte von über 25 % im Außenbereich keine erhebliche Belästigung im Sinne der GIRL.

-Das weitestgehende Urteil für landwirtschaftliches Wohnen im Außenbereich (Betriebsleiter-, Altenteilerhäuser oder Landarbeiterhäuser) traf ebenfalls das Oberverwaltungsgericht Münster (Beschluss vom 16.03.2009 – 10 A 259/08). Es wurde klargestellt, dass ein Immissionswert von 20 % für das landwirtschaftliche Wohnen jedenfalls zulässig ist. Das Gericht teilte durch seinen 10. Senat auch mit, dass selbst eine durch tierhaltungsbedingte relative Geruchswahrnehmungshäufigkeit von mehr als 50 % eine Unzumutbarkeit für landwirtschaftliches Wohnen nicht ohne weiteres begründen kann.

-

Ganz nah dran

-Selbst bei ganz geringen Abständen, in einem vom Verwaltungsgericht Aachen (Beschluss vom 18.03.2013 – 3 L 128/12) zu entscheidenden Fall lediglich 37 Meter, sind Ansprüche der Nachbarn abgelehnt worden. In diesem geringen Abstand wollte ein Landwirt eine Melkhalle mit Melkkarussell neben das Wohnhaus der Nachbarin im Außenbereich bauen. Das Verwaltungsgericht Aachen geht davon aus, dass im Außenbereich eine Wohnnutzung grundsätzlich unzulässig ist und deshalb nicht zu beanstanden ist, dass im Außenbereich 25 % als Immissionsgrenze angesetzt werden. Vielmehr sei eine Grenze von 15 %, wie in einem Dorfgebiet, im Außenbereich zu streng, denn in Dorfgebieten seien den landwirtschaftlichen Betrieben von vorneherein höhere Maße an Rücksichtnahme gegenüber der Wohnnutzung gefordert als im Außenbereich. Außerdem stellte das Verwaltungsgericht klar, dass die Gutachten nach Hauptwindrichtungen, die typisch sind, erstellt werden dürfen.



Hauptwindrichtung

-In einem vorläufigen Rechtsschutzverfahren entschied auch das Oberverwaltungsgericht Münster (Beschluss vom 10.11.2010 – 2 B 1389/10), dass nachbarliche Eigentümer eines Wohnhauses im Außenbereich in der Entfernung von 500 Metern zu einer Schweinemastanlage Geruchsbelastungen mit einem Immissionswert von 22 % auszuhalten haben, da dieser immer noch deutlich unter dem von der GIRL zulässigen Wert von 25 % liege. Auch das Oberverwaltungsgericht hielt ein Gutachten nach der Hauptströmungsrichtung des Windes für in Ordnung.

 

Zusammenfassung

In der Praxis ist festzustellen, dass von bauwilligen Landwirten vielfach ein Geruchsgutachten verlangt wird. Diese Gutachten können auf die Hauptwindrichtung abstellen. Neben Stallbauten spielen Fragen wie die Errichtung von einer Festmistplatte, offene Stalltore oder die Ausbringung von Wirtschaftsdüngern auf dem Feld in den Gutachten keine Rolle.

 

Je nach Genehmigungsverfahren (Bauschein oder Immissionsschutz), nach Lage des Wohnhauses (Dorfgebiet, am Rand zum Außenbereich, im Außenbereich), nach nutzenden Personen (unbeteiligtes Wohnen, Familie/Betriebs-angehöriger/Hobbylandwirt/aufgegebene Landwirtschaft, aktive Landwirtschaft) wird der Schutzanspruch gegen Geruchsbelastungen im Einzelfall entschieden. Zwar ist das Bild der Rechtsprechung nicht ganz einheitlich, lässt aber bestimmte Rückschlüsse zu. Diese sollten auch die Genehmigungsbehörden veranlassen, sich nicht in jedem Fall teure Geruchsgutachten vorlegen zu lassen.

 

Münster, 14.11.2014

frie/fr

 

(Friedemann)

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