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Zucker-Kartell: Persönliche Haftung von Vorständen und Aufsichtsratsmitgliedern?

Die Südzucker AG (Mannheim), Pfeiffer & Langen GmbH & Co. KG (Köln) und die Nordzucker AG (Braunschweig) erhielten laut Pressemitteilungen u.a. des Bundeskartellamtes vom 18.2.2014 beträchtliche Kartellstrafen verhängt.

Lesezeit: 5 Minuten

Die Südzucker AG (Mannheim), Pfeiffer & Langen GmbH & Co. KG (Köln) und die Nordzucker AG (Braunschweig) erhielten laut Pressemitteilungen u.a. des Bundeskartellamtes vom 18.2.2014 beträchtliche Kartellstrafen verhängt. Es handelte sich um rd. 280 Mio. EUR, von denen alleine Südzucker 195,5 Mio. EUR  und Nordzucker wegen Aufklärungskooperation lediglich einen einstelligen Mio.-Betrag und Pfeifer & Langen den verbleibenden Betrag von ca. 76,5 Mio. EUR zahlten. Die Bußgeldbescheide sind ergangen und deren Inhalt und Begründung kann durch Akteneinsicht genau ermittelt werden.

 

top agrar ist im Anschluss mehrfach von Lesern darauf angesprochen worden, ob Vorstände und Aufsichtsratsmitglieder (Organe der Aktiengesellschaften) für den Schaden durch die Kartellbuße und etwaige Schadensersatzprozesse grundsätzlich haften müssen. Denn die bereits ausgelösten Schadensersatzprozesse lassen Schadensbeträge in Höhe von ca. 500 Mio. EUR erwarten. Die mutmaßlich geschädigten Abnehmer von Zucker (u.a. Vivil, Nestlé, Mars, Katjes, Bauer, Erdmann, Zentis) machen geltend, erheblich zu viel für den Zucker wegen der Wirkung des Zuckerkartells gezahlt zu haben. Somit belasten die Folgen des angezettelten Zuckerkartells die Bücher der Kartellanten nicht nur als peanuts.

 

Für die Organhaftung sind die Haftungsregime des Straf-, Verwaltungs- und des Zivilrechts im deutschen Recht, das fast stets auf die Verantwortlichkeit der Einzelperson abhebt, unterschiedlich. Wenn von Schadensersatz oder Regress gegen Vorstände und Aufsichtsratsmitglieder geredet wird, handelt es sich um Haftung im Zivilrecht. Hier sind die §§ 93, 116 AktG, 43, 52 GmbHG oder 34, 41 GenG einschlägig. Danach haften die Organe von AGs, GmbHs und Genossenschaften durchaus, wenn sie ihre obliegende Sorgfaltspflicht verletzen. Sie haften als Gesamtschuldner (§§ 93 Abs. 2 Satz 1, 116 AktG).

 

Dabei stellt sich natürlich die Frage wer, was von wem haben möchte. Und hier wird es – wie könnte es anders sein – vielleicht nicht kompliziert, aber doch ziseliert:

Schon bei der Frage wer Haftungsansprüche aus den Reihen der Aktionäre geltend machen kann, sieht das Aktiengesetz den Königsweg und die Ochsentour vor.

Der Königsweg ist derjenige nach § 147 AktG. Danach kann die Geltendmachung von Ersatzansprüchen gegen Vorstände und Aufsichtsratsmitglieder von der Hauptversammlung mit einfacher Stimmenmehrheit beschlossen werden, um vor Ablauf der Verjährung Ansprüche zu stellen. Die Verjährungsfrist beträgt bei börsennotiertenGesellschaften zehn Jahre, sonst fünf Jahre.

Wenn ein solcher Antrag  von der Hauptversammlung nicht beschlossen wurde, gibt es für die Aktionäre noch die Ochsentour über das Klagezulassungsverfahren nach § 148 AktG.

Dazu müssten Aktionäre, sofern sie1/100 des Grundkapitals oder einen anteiligen Betrag von EUR 100.000,- auf sich vereinigen, bei dem Landgericht des Firmensitzes einen entsprechenden Antrag stellen. Hierzu gibt es einige Voraussetzungen, die über den Willen zu klagen, hinausgehen müssen. Es dürfen sich nur diejenigen Aktionäre beteiligen, die die Aktien vor dem Zeitpunkt erworben haben, der ihrer Kenntnis vom Zuckerkartell vorausliegt. Sodann muss der Nachweis erbracht werden, dass die Aktionäre die Gesellschaft fristgebunden aufgefordert haben, sie würden Klage erheben. Diese Aufforderung wird man am geschicktesten frühzeitig vor dem Antrag an die Hauptversammlung zur Geltendmachung von Ersatzansprüchen erklären.

Der Klagezulassungsantrag muss auch die Tatsachen nennen, die darauf hinweisen, dass der Gesellschaft durch Unredlichkeit oder grobe Verletzung des Gesetzes oder der Satzung (die müsste man natürlich kennen) ein Schaden entstanden ist. Bei dem Vortrag, es liege ein Bußgeldbescheid wegen Kartellvergehens vor, sollte diese Voraussetzung nicht die schwierigste sein.

Schließlich sollte unbedingt bei dem gut und sorgfältig zu planenden Klagezulassungsverfahren bedacht werden, ob etwaigen Ersatzansprüchen überwiegende Gründe des Gesellschaftswohls, d.h. der Firma, entgegenstehen.

Die Gesellschaft kann auch dann, wenn dem Klagezulassungsverfahren vom Landgericht entsprochen wird, selbst jederzeit die Ersatzansprüche gegen Vorstände oder Aufsichtsratsmitglieder bei dem Landgericht geltend machen. Das hat dann zur Folge, dass die Aktionärsklage unzulässig wird, wobei die Gesellschaft den bisherigen Prozess der Aktionäre auch selbst übernehmen kann ohne unbedingt neu klagen  zu müssen. Kostenmäßig würde den Aktionären dadurch aber kein Nachteil entstehen, weil die Gesellschaft die bis dahin entstandenen Kosten (allerdings nur eines Bevollmächtigten) zu übernehmen hätte.

 

Insgesamt ist das Klagezulassungsverfahren („Ochsentour“ nach § 148 AktG) mit reichlich prozessualen Fristen „gepflastert“. So hat beispielsweise die Klageerhebung drei Monate nach rechtskräftiger Klagezulassung bei dem Landgericht des Firmensitzes zu erfolgen. Dabei hat dann aber bereits der Antrag auf Klagezulassung die Anspruchsverjährung gehemmt. Bevor nach Klagezulassung tatsächlich Klage erhoben wird, sieht das Gesetz außerdem nochmals vor, die Gesellschaft unter angemessener Fristsetzung dazu aufzufordern, dass sie selbst die Ersatzklage gegen die Vorstände und/oder Aufsichtsratsmitglieder anstrengt.

 

Die etwaige Klage auf Ersatz der Schäden ist von den Aktionären so zu formulieren, dass nicht an sie, sondern im Falle des Obsiegens an die Gesellschaft geleistet wird. Die Aktionärsklage ist also kein Selbstbedienungsladen, sondern ein echtes Handeln für die Gesellschaft, was natürlich am Ende auch den Aktionären zu Gute kommen sollte.

 

Bei Regressklagen gegenüber Geschäftsführern und oder Aufsichtsratsmitgliedern von Gesellschaften mit beschränkter Haftung oder von Genossenschaften liegen die Verfahren nicht zuletzt wegen zahlreicher verweise und teilweise wörtlicher Übernahme des AktG ähnlich.

 

Bei allen Überlegungen in dieser Sache sollte keinesfalls vernachlässigt werden, dass praktisch alle halbwegs vernünftig geführten Gesellschaften, die Haftungsrisiken ihrer leitenden Mitarbeiter (z.B. Vorstände, Geschäftsführer, Aufsichtsratsmitglieder) durch eine spezielle Versicherung absichern. Dies sind sogenannte D&O-Versicherungen. Sie werden von der Gesellschaft für die Mitarbeiter abgeschlossen und wirken im Einsatzfall so, dass damit die Mitarbeiter gegen Ersatzansprüche und Prozesskosten der Gesellschaften haftpflichtversichert sind. Tritt der Versicherer „am Ende des Tages“ für z.B. ein Vorstandsmitglied ein, so trifft dieses ein Selbstbehalt in Höhe von mindestens 10 Prozent des Schadens bis mindestens zur Höhe des Eineinhalbfachen der festen jährlichen Vergütung des Betroffenen.

 

RA Dr. Philipp Gregor, Münster

Fachanwalt für Agrarrecht

Wirtschaftsmediator

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