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Braucht die Welt mehr Milch?

Lesezeit: 14 Minuten

Mehr Menschen, mehr Einkommen, mehr Milch. Das gilt vor allem für Asien. Über die Megatrends der Milchbranche sprach top agrar mit Dr. Markus Fahlbusch und Prof. Dr. Bernhard Brümmer.


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Spätestens mit dem Ende der Milchquote und dem Wegfall der Exporterstattungen ist die Globalisierung auch in der europäischen Milchwirtschaft voll angekommen. Das heißt, wenn irgendwo auf der Welt die Nachfrage sinkt oder das Angebot steigt, schlägt das viel stärker auf die Milchpreise durch als früher. Die aktuelle Preiskrise macht das nur zu deutlich. Ursache ist ein weltweit hohes Angebot, das auf eine schwächelnde Nachfrage vor allem in China trifft.


Die Milcherzeuger beurteilen die Chancen und Risiken der offenen Märkte sehr unterschiedlich. Ein Teil sieht in der weltweit steigenden Nachfrage nach Milch stabile Chancen für die Zukunft der deutschen Milchwirtschaft. Andere warnen wiederum vor den Launen des Weltmarktes und der „unfairen“ Konkurrenz, z. B. durch neuseeländische Landwirte. Diese seien klimatisch im Vorteil, hätten weniger Auflagen und könnten deshalb zu geringeren Kosten produzieren. Deshalb sei die Exportausrichtung eher ein Damoklesschwert für die hiesige Milchwirtschaft, fürchten die Kritiker.


Sind das nur Momentaufnahmen? Gibt es in dieser Frage wirklich nur schwarz oder weiß? Wir haben die Fakten und die langfristigen Trends analysiert.


Für die Beantwortung dieser Frage sind drei Kriterien entscheidend:


  • die Bevölkerungsentwicklung,
  • die Altersstruktur und
  • der Pro-Kopf-Verbrauch.


Die Vereinten Nationen gehen davon aus, dass die Weltbevölkerung bis 2050 von jetzt gut 7,3 Mrd. auf 9,8 Mrd. Menschen steigen wird (Übersicht 1). Das wäre ein Anstieg um mehr als ein Drittel. Wenn die Bevölkerungsstatistiker Recht behalten, werden künftig vor allem in Asien und Afrika wesentlich mehr Menschen leben. Der Schwarze Kontinent wird 2050 mit ca. 2 Mrd. Menschen doppelt so viele Einwohner haben wie heute. Und auch in Asien wird die Bevölkerung von derzeit 4 auf dann 5 Mrd. Menschen steigen. In Afrika wird sich die Bevölkerung bis Ende des Jahrhunderts dann noch einmal verdoppeln, während für Asien dann kein weiterer Zuwachs in der Bevölkerungszahl erwartet wird.


Deutschland schrumpft:

Ganz anders sieht die Entwicklung in Nordamerika und in Europa aus. In diesen Regionen werden in gut 30 Jahren in etwa genauso viele Menschen leben wie heute. Für Deutschland selbst sieht die Prognose noch etwas düsterer aus. Die Statistiker gehen davon, dass 2050 in Deutschland nur noch etwa 73 Mio. Menschen leben werden (Übersicht 2). Aktuell sind es rund 81 Mio. Ob unsere Bevölkerung tatsächlich so stark sinkt, hängt vor allem von der Geburtenrate und der Migration ab. Beide Kennzahlen, vor allem die letztgenannte, sind zuletzt deutlich gestiegen.


In den vergangenen Monaten sind etwa 1 Mio. Flüchtlinge zu uns gekommen. Davon wird ein Teil dauerhaft in Deutschland bleiben und den bisher erwarteten demografischen Wandel dämpfen, weil die Asylbewerber überwiegend jung sind. Aber die Flüchtlinge werden den Trend nicht umkehren. Deutschland wird schrumpfen.


Die unterschiedliche Entwicklung der Bevölkerung hat gewaltige Auswirkungen auf die regionalen Muster und Verhaltensweisen bei der Nachfrage nach Lebensmitteln und damit auch nach Milchprodukten. In den Industrieländern, also vor allem in Europa und Nordamerika, wird die Bevölkerung deutlich älter. So soll in Deutschland die durchschnittliche Lebenserwartung ab Geburt für Frauen 2060 bei 90 Jahren liegen. Ältere Menschen essen deutlich weniger als jüngere Menschen, greifen aber gerne zu höherwertigen Nahrungsmitteln mit positiven Gesundheitsaspekten. Dazu gehören auch Milchprodukte.


Allerdings ist der Verzehr von Milchprodukten bei uns und in anderen entwickelten Ländern schon sehr hoch, auch weil in den vergangenen Jahren insbesondere der Käsekonsum zugenommen hat. Unterm Strich sind daher bei uns keine weiteren wesentlichen Nachfrageimpulse für den Milchmarkt zu erwarten. Bestenfalls ist mit einer stabilen Nachfrage zu rechnen. Das gilt so ähnlich auch für die anderen Industriestaaten. Potenziale gibt es am ehesten in Russland und in Südosteuropa.


Weltweiter Milchkonsum steigt:

In Afrika und Asien sieht das ganz anders aus. Das gewaltige Bevölkerungswachstum wird zu einer steigenden Nachfrage nach Lebensmitteln führen. Ob dann auch die Nachfrage nach Milch und Milchprodukten mitwächst, hängt davon ab, wie sich die Ernährungsgewohnheiten verändern und ob die Kaufkraft steigt.


Entsprechende Trends zeigen sich schon heute in den Statistiken der FAO. Die Welternährungsbehörde geht davon aus, dass derzeit über 6 Mrd. Menschen (mehr als 82 % der Weltbevölkerung) regelmäßig Milch und Milchprodukte verzehren. Im Jahr 2011 lag der weltweite Milchkonsum bei gut 90 kg/Kopf. Etwa 10 Jahre zuvor waren es nur 75 kg/Einwohner. Das ist ein Anstieg von 20 % innerhalb einer Dekade.


Dieser Zuwachs stammt vor allem aus den Regionen, wo bislang Milchprodukte eher selten auf dem Speiseplan standen. Aus Sicht der Ernährungsexperten ist das der Fall, wenn pro Kopf und Jahr weniger als 30 kg Milchprodukte verzehrt werden. In den meisten ost- und südostasiatischen Länder ist das so.


Erwartet wird, dass in Asien der Verzehr von Milchprodukten deutlich steigt. Das gilt vor allem für China. Dort und auch in anderen Ländern der Region gibt es einen Kulturwandel. Westliche Ernährungsgewohnheiten werden bei der immer jünger werdenden Bevölkerung populärer. Die vor kurzem beschlossene Lockerung der Ein-Kind-Politik in China und der dadurch zu erwartende Anstieg der Geburtenrate dürften die Nachfrage weiter beleben.


Einkommen steigen:

Haupttreiber für den höheren Milchverbrauch ist der wachsendem Wohlstand, der insbesondere in den städtischen Ballungsräumen Südostasiens zu spüren ist. Wer mehr Geld in der Tasche hat, kann sich höherwertige Lebensmittel leisten. So liegt der Pro-Kopf-Verbrauch von Milch und Milchprodukten im einkommensstarken Japan zurzeit bei etwa 70 kg. Dies ist zwar kaum mehr ein Viertel des Pro-Kopf-Verbrauchs eines mitteleuropäischen Verbrauchers, aber immerhin mehr als doppelt so hoch wie in China. Jeder Chinese konsumiert derzeit nur rund 31 kg Milch und Milchprodukte im Jahr. Das zeigt, welche Absatzpotenziale dort schlummern.


Asien entwickelt sich wirtschaftlich viel schneller als zum Beispiel Afrika. In den vergangenen 50 Jahren haben sich die durchschnittlichen Einkommen in Asien fast verzehnfacht (Übersicht 3). Darüber hinaus ist auch die Einkommensverteilung wesentlich breiter geworden. Inzwischen gibt es eine kaufkräftige Mittelschicht, die ein wachsendes Interesse an hochwertigen Milch-erzeugnissen hat. Das gilt nicht nur für China und Japan, sondern für fast alle asiatischen Länder.


Diese Entwicklung wird sich in den kommenden Jahren fortsetzen. So schätzt der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI), dass in den nächsten Dekaden 90 % des weltweiten Einkommenszuwachses außerhalb von Europa stattfinden wird. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass das keine lineare Entwicklung ist. Es wird konjunkturelle Schwankungen geben. In Phasen der Stagnation und in einer Rezession wird die Nachfrage nach Milch und Milchprodukten weniger stark steigen oder sogar zurückgehen, so wie aktuell in China. Aber unterm Strich bleibt der Trend positiv. Die Nachfrage wächst.


Aus der aufgezeigten Bevölkerungsentwicklung und den Konsumtrends lassen sich für die europäische Milchbranche zwei klare Schlussfolgerungen ziehen:


  • In Westeuropa und Nordamerika wird der Milch-markt mengenmäßig mittelfristig stagnieren oder nur leicht wachsen. Potenziale gibt es noch in Osteuropa und Russland.
  • Die großen Wachstumsmärkte liegen aber außerhalb Europas vor allem in Asien.


Wenn Europas Milchbranche weiter zukunftsfähig bleiben will, ist sie gut beraten, diese Wachstumsmärkte viel stärker als bisher in den Fokus zu nehmen. Dabei muss sie sich allerdings auf heftige Konkurrenz aus Neuseeland und den USA einstellen. Diese beiden Nationen sind auch künftig die schärfsten Export-Konkurrenten am Weltmilchmarkt.


Bislang kommen sich die drei großen Milchregionen nicht überall und bei jeder Produktlinie gleichermaßen ins Gehege. Insbesondere Neuseeland und die EU haben sich historisch auf zwei unterschiedliche Abnehmerregionen spezialisiert. Neuseeland versorgt Ost- und Südostasien vor allem mit Milchpulver, wohingegen die EU in erster Linie Käse nach Russland (bis zum Embargo), in den Nahen Osten, nach Nordafrika und Nordamerika liefert.


Wenn europäische und amerikanische Molkereien ihre Marktanteile in Asien ausbauen wollen, müssen sie den Platzhirsch Neuseeland angreifen. Der hat allerdings viel kürzere Transportwege und verfügt zudem durch den Molkereikonzern Fonterra über exzellente Vertriebsstrukturen.


Angriff auf den Platzhirsch:

Aber auch für die Neuseeländer wachsen die Bäume nicht in den Himmel. Durch die Ausdehnung der Milchproduktion seit 2007 sind die Kosten für Landpacht und -kauf deutlich gestiegen. Darüber hinaus sind die Flächen intensiver bewirtschaftet worden (Düngung, Beregnung). Auch das macht die Futtergewinnung teurer. Zudem wird eine weitere Ausdehnung der Milchproduktion schwierig, da zusätzliche Futterflächen allmählich knapp werden. Das bremst die Produktion. Kurzfristig können auch witterungsbedingte Schwankungen (wie derzeit El Niño) einen spürbar dämpfenden Einfluss ausüben.


Neue Märkte erschließen sich nicht von heute auf morgen – schon gar nicht in anderen Kulturkreisen auf anderen Kontinenten. Welcher Kraftakt das ist, haben die deutschen Molkereien zu spüren bekommen. Viele Unternehmen sind erst seit einigen Jahren verstärkt mit eigenen Vertriebsstandorten und Büros in Asien aktiv. „Gegenüber den internationalen Marktführern Danone, Lactalis, Friesland/Campina oder Arla fehlen uns 10 Jahre“, hat Eckhard Heuser, Geschäftsführer des Milchindus-trieverbandes (MIV), den zeitlichen Rückstand schon vor Jahren gegenüber top agrar beziffert.


Daran hat sich bis heute nicht viel geändert. Nach wie vor gehen rund 80 % der deutschen Milchexporte in andere EU-Länder und nur 20 % in Drittländer.


Wie man den Markteinstieg schafft, muss jedes Unternehmen für sich klären. Wer finanziell stark genug ist, kann alleine oder mit anderen Molkereien eigenständige Vertriebsstrukturen aufbauen. Manchmal ist es aber sinnvoller, Kooperationen und Joint Ventures mit inländischen Unternehmen z. B. in China einzugehen, um einen Fuß in die Tür zu bekommen.


Alternativ kann man auch starke ausländische Vertriebspartner ins Boot holen. Diesen Weg haben die amerikanischen Molkereien gewählt und zumindest teilweise auf eine Vertriebskooperation mit der neuseeländischen Fonterra gesetzt. Mit Erfolg: Die Amerikaner haben ihre Asien-Exporte in den letzten zehn Jahren deutlich ausdehnen können.


In jedem Fall ist das Erschließen neuer Märkte teuer und aufwendig. Ist das Exportgeschäft also nur etwas für große Molkereien? Nicht unbedingt. Natürlich haben große Molkereien in der Produktion geringere Stückkosten. Das fällt vor allem dann ins Gewicht, wenn es beim Export um Rohstoffe, Standardware und Vorprodukte wie Pulver und Blockkäse geht. Und es fällt den Großen vermutlich leichter, die notwendigen Vertriebsstrukturen aufzubauen.


Das heißt aber nicht, dass die im internationalen Vergleich kleineren Molkereien mit Spezialitäten oder Markenartikeln keine Chancen im Export haben. Hier ist es entscheidend, inwieweit es ihnen gelingt, sich mit ihren Produkten von der Konkurrenz abzugrenzen. Deutsche Privatmolkereien wie Müller, Ehrmann, Meggle oder Zott haben in den vergangenen Jahren gezeigt, was möglich ist.


Wer neue Märkte erschließen will, braucht dafür verlässliche Rahmenbedingungen. Hier sind in erster Linie die EU-Kommission und die Bundesregierung gefordert. Sie müssen den deutschen und europäischen Unternehmen den Zugang zu den Märkten eröffnen und bestehende Handelshemmnisse abbauen.


Derzeit verhandelt die EU u. a. mit Thailand und Neuseeland über Freihandelsabkommen. Während die Branche ein Abkommen mit Thailand begrüßt, sieht sie die Verhandlungen mit Neuseeland eher mit gemischten Gefühlen. Nicht wenige glauben, dass die neuseeländische Milchwirtschaft damit ihre ohnehin schon starke Stellung noch weiter ausbauen kann, zumal Neuseeland bereits heute die niedrigsten Zölle weltweit verlangt. Dem muss man allerdings entgegenhalten, dass sich sowohl die europäischen als auch die neuseeländischen Milchpreise auf Weltmarktniveau bewegen. Damit geht der Anreiz für Neuseeland verloren, größere Mengen in die EU zu exportieren.


Auf nationaler Ebene hat Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt im Oktober vergangenen Jahres eine Exportoffensive angekündigt. Damit will er die Aktivitäten der Wirtschaft flankierend unterstützen. So gibt es inzwischen im Bundeslandwirtschaftsministerium (BMEL) eine „Stabstelle Export“ als zentrale Anlaufstelle für die Wirtschaft. Darüber hinaus hat der Minister das Personal für „die zeitintensiven Verhandlungen über Veterinärzertifikate sowie entsprechende Anforderungen im Bereich der Pflanzengesundheit“ verstärkt. Insgesamt beschäftigen sich im Ministerium und den nachgeordneten Dienststellen inzwischen 50 Personen mit Exportfragen, heißt es in Berlin. 2016 steht dem Ministerium auch deutlich mehr Geld für die Agrarexportförderung zur Verfügung. Insgesamt will der Bund 7,3 Mio. € ausgeben – immerhin 2 Mio. € mehr als im vergangenen Jahr, allerdings bezogen auf alle Agrarprodukte. Entscheidend sei jetzt, dass „die Wirtschaft eine klare Exportstrategie verfolgt, an der mein Haus seine Aktivitäten ausrichten kann“, fordert Schmidt im Gegenzug von der Branche mehr Stringenz und Klarheit bei der strategischen Ausrichtung.


Für den Zugang zu neuen Märkten sind auch schlagkräftige Exportorganisationen unverzichtbar. Diese öffnen den Molkereien die Türen, bringen potenzielle Partner zusammen und fördern den Aufbau der notwendigen Strukturen. Genau das ist die Aufgabe der 2009 gegründeten German Export Association for Food and Agriproducts (GEFA). Im Vergleich zu den Strukturen anderer Länder ist die GEFA aber personell und finanziell sehr bescheiden ausgestattet.


Der Ausbau der Exportaktivitäten ist für die Milchbranche natürlich nicht ohne Risiken. Die Molkereien werden für die Entwicklung der neuen Absatzmärkte viel Geld in die Hand nehmen müssen. Notwendig sind vor allem verlässliche Vertriebsnetze und Marketingmaßnahmen. Die Bereitstellung der dafür notwendigen Mittel wird Spuren in den Bilanzen der Molkereien und ggf. auch bei den Milchauszahlungspreisen hinterlassen. Ob die Investitionen dann am Ende wirklich Früchte tragen, stellt sich erst wesentlich später heraus.


Wer sich bei der Erschließung neuer Märkte zu stark auf einzelne Länder konzentriert, läuft Gefahr, von diesen sehr abhängig zu werden. Das zeigt die aktuelle Entwicklung in China sehr deutlich. Von 2010 bis 2014 stieg der weltweite Handel mit Milchpulver um knapp 35 %. Für zwei Drittel dieses Zuwachses war allein die Nachfrage aus China verantwortlich.


Als die chinesische Konjunktur im vergangenen Jahr plötzlich schwächelte und die Nachfrage nach Milchpulver zurückging, schlug das schnell bis auf die deutschen Milchpreise durch. Jede Molkerei ist also gut beraten, sich im Export nicht nur auf ein Land zu verlassen. Besser ist es, sich breiter aufzustellen. Preisschwankungen lassen sich damit auch in Zukunft nicht vollständig verhindern. Zumindest reduziert sich aber die Abhängigkeit von einzelnen Ländern und deren politischen Einflüssen. Die aktuellen Entwicklungen in China und Russland zeigen, wie wichtig das ist.


Welche Länder langfristige Absatzperspektiven bieten, hängt auch davon ab, wie deren inländischen Produktionskapazitäten aussehen. Ein gutes Beispiel hierfür ist China. Bis zum Auftreten des Melamin-Skandals im Jahr 2008 wurde die damals schon stark zunehmende Nachfrage auch dank massiver Förderung der Politik fast komplett über chinesische Milch bedient. Deshalb wuchs die chinesische Milchproduktion zwischen 2000 und 2007 um satte 22 % pro Jahr.


China schwächelt:

Das veränderte sich erst, als die Chinesen sich nach dem Melamin-Skandal nicht selbst ausreichend mit Milchprodukten versorgen konnten bzw. die chinesischen Verbraucher das Vertrauen in die einheimischen Produkte verloren hatten. Innerhalb weniger Jahre entwickelte sich China zum wichtigsten Importland für Milchprodukte. Die Nettoimporte für die wichtigsten Milchprodukte stiegen von 2008 bis 2014 um fast 500 %.


Ob das so bleibt, ist offen. Bekanntlich legen die Chinesen viel Wert auf hohe Selbstversorgungsraten. Begrenzender Faktor dürfte aber die Fläche sein.


In China und in weiten Teilen Asiens ist das Potenzial an landwirtschaftlich nutzbaren Flächen anders als in Amerika und Afrika weitgehend ausgeschöpft. Das setzt der weiteren Ausdehnung der Milchproduktion in Asien enge Grenzen. Im Umkehrschluss heißt das: Steigt die Nachfrage nach Milchprodukten in den asiatischen Ländern tatsächlich wie prognostiziert, werden viele Länder diese Produkte auf Dauer importieren müssen.


Wenn die deutsche Milchbranche eine Zukunft haben will, bleibt ihr gar nichts anderes übrig, als auch auf den Export zu setzen. Schon heute ist der Export lebenswichtig für viele Molkereien. Im Jahr 2014 erwirtschafteten die Unternehmen 27 % des gesamten Umsatzes mit Milch und Milch-erzeugnissen im Auslands-geschäft. Dabei wurde ein Exportüberschuss von über 3 Mrd. € erzielt. Dieses Rad wieder zurückzudrehen, wäre wirtschaftlich sehr riskant.


Da es rechtlich gar nicht möglich ist, die Grenzen für Milch und Milchprodukte zu schließen, kämen auch weiterhin Milcherzeugnisse aus dem Ausland zu uns. Das Ergebnis wäre: Der deutsche Milchmarkt geriete noch stärker unter Druck mit den entsprechenden negativen Folgen für die Auszahlungspreise.


Für die meisten deutschen Molkereien, die keine lukrativen Nischen auf dem heimischen Markt besetzen, gilt daher: Sie müssen den Dreiklang beherrschen und gleichzeitig den deutschen und europäischen Markt sowie die Wachstumsmärkte in Übersee bedienen. Nur so bleiben sie wettbewerbsfähig, erhalten Absatzsicherheit für ihre Produkte und verteilen das Markt- und Preisrisiko auf verschiedene Absatzkanäle und werden so zu den starken Partnern in der Wertschöpfungskette, auf die unsere Milcherzeuger mittelfristig angewiesen sind.


Aber klar ist: Der Export ist keine Garantie für stabile und auskömmliche Milchpreise. Dennoch ist er in offenen Märkten eine zwingende Voraussetzung für die Chance auf gute Preise.


Dr. Ludger Schulze Pals

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