Einloggen / Registrieren

Startseite

Schlagzeilen
Messen & Termine
Themen
Wir für Euch
Sonstiges

Stilllegung 2024 Agrardiesel-Debatte Bürokratieabbau

Aus dem Heft

das Aktuelle Interview - „Es muss endlich etwas passieren!“

Lesezeit: 4 Minuten

Die Wissenschaft will eine strengere Düngeverordnung. Wir sprachen mit Prof. Dr. Friedhelm Taube.


Das Wichtigste aus Agrarwirtschaft und -politik montags und donnerstags per Mail!

Mit Eintragung zum Newsletter stimme ich der Nutzung meiner E-Mail-Adresse im Rahmen des gewählten Newsletters und zugehörigen Angeboten gemäß der AGBs und den Datenschutzhinweisen zu.

Ein offener Brief ist für Wissenschaftler ungewöhnlich. Warum haben Sie dieses Instrument für Ihre Kritik gewählt?


Taube: Die drei Beiräte für Umwelt, Agrarpolitik und Düngung haben schon 2013 nachdrücklich Änderungen der Düngegesetzgebung angemahnt. Seitdem haben wir viel Zeit verloren. Inzwischen hat die EU den Druck auf Deutschland erhöht und eine ordnungsgemäße Umsetzung der Nitrat- und der Wasserrahmenrichtlinie gefordert. Zurzeit befindet sich die Novellierung der Düngeverordnung in der finalen Abstimmung. Da halte ich es für angebracht, den gegenwärtigen Stand aus Sicht der Wissenschaft zu bewerten und Anregungen zu geben, wo man den Entwurf noch verbessern kann. Im Übrigen kritisieren wir nicht nur, wir benennen auch Positives.


Welche aktuellen Vollzugsdefizite sehen Sie bei der Düngeverordnung?


Taube: Die Kontrolle der guten fachlichen Praxis der Düngung ist ein zahnloser Tiger. Weder die korrekte Durchführung der Düngeplanung noch die Erhebung und Bewertung der Nährstoffvergleiche halten einer seriösen Prüfung stand. Die Tatsache, dass in vielen agrarischen Intensivregionen die Nitratkonzentrationen im Grundwasser steigen, ist dafür ein klares Indiz.


Welche Übergangsfristen für die Einführung emissionsarmer Ausbringungstechnik sind für Sie noch akzeptabel?


Taube: Wir können nicht wie bei Günland noch zehn Jahre warten, bis auch bei uns flächendeckend Ausbringungstechniken (z.B. Injektion, Schleppschläuche) zum Einsatz kommen, die z.B. in den Niederlanden schon seit 1994 und in Dänemark seit 2011 vorgeschrieben sind. In Verbindung mit Investitionsanreizen sollte eine Umsetzung bis 2018 auf Acker und 2020 auf Grünland möglich sein. Deutschlandweit verfügen sehr viele Lohnunternehmen längst über diese Technik.


Welche Regeln sollten für die P- und N-Düngung in Zukunft gelten? 


Taube: Bei der P-Düngung ist bei hoch versorgten Böden (ab Versorgungsstufe D) eine Reduzierung der Vorräte notwendig, bei der Versorgungsstufe A oder B aber eine positive Bilanz zur Anhebung der Bodenfruchtbarkeit sinnvoll (neue Werte der VDLUFA anlegen). Die Vorschläge zur N-Düngebedarfsermittlung unterstützen wir nachdrücklich ebenso wie die zulässigen Bilanzsalden. Mittelfristig brauchen wir mit der Hoftorbilanz aber meines Erachtens neue Grenzwerte in Abhängigkeit vom Tierbesatz und auf der Basis einer Bruttobilanz.


Kritiker behaupten, dass dies das Ende der bedarfsgerechten Düngung sei. Haben sie nicht recht?


Taube: Zum einen haben wir in Deutschland derzeit einen jährlichen N-Überschuss von ziemlich genau 100 kg pro ha und Jahr. Das entspricht einer N-Effizienz von weniger als 50%. Da halte ich die Aussage, man könne nicht mehr bedarfsgerecht düngen, für ziemlich gewagt. Hinzu kommt: Der neue Rechtsrahmen bietet jetzt Anreize, zum Teil in Vergessenheit geratene klassische acker- und pflanzenbauliche Grundregeln der Fruchtfolgegestaltung und der Bodenbearbeitung wieder zu optimieren. Die Fachberatung ist darauf bestens vorbereitet.


Warum lockert dann Dänemark gerade seine strengen Düngungsvorgaben? 


Taube: Weil sie es sich leisten können. Die Dänen haben die Nitratkonzentrationen im Grundwasser agrarischer Intensivregionen innerhalb von knapp zehn Jahren im Schnitt auf unter 50 mg Nitrat/l halbiert. Dagegen stagnieren die Werte bei uns seit 15 Jahren auf hohem Niveau von über 70 mg Nitrat/l.


Eine Derogationsregelung für Gärreste lehnen Sie ab. Wie stehen Sie zu einer solchen Regelung für Grünland?


Taube: Die unterstützen wir. Auf Acker kann man 230 kg N/ha aus organischen Düngern nicht wasserschutzkonform managen, auf Grünland sehr wohl. Unsere Versuche belegen das bei intensiver Schnittnutzung eindeutig.


Sie kritisieren die neue Düngeverordnung schon, bevor sie in Kraft ist. Worauf gründet sich Ihre Einschätzung?


Taube: Wir begrüßen große Teile des aktuellen Entwurfs. Hier ist die Politik unseren Vorschlägen gefolgt! Insbesondere die Tatsache, dass sich der Gesetzgeber im Düngegesetz dazu bekennt, dass es nicht nur um die Düngung der Kulturpflanzen, sondern um das Nährstoffstrom-Management der Betriebe geht, ist ein beachtenswerter Paradigmenwechsel. Im Abstimmungsprozess der letzten Monate sind aber einige zentrale Punkte erheblich verwässert worden und so nicht mehr mit dem EU-Recht vereinbar. So ist z.B. die Gülleeinarbeitungsfrist auf Ackerland von einer auf vier Stunden verlängert worden. Das kollidiert klar mit den Zielen der NERC-Richtlinie. Es ist auch völlig inakzeptabel, Futterbaubetrieben so nicht existierende N-Ernteverluste von bis zu 25% zu gewähren, um die Bilanzüberschüsse zu reduzieren. Und wir sehen, dass die Einführung der Hoftierbilanzierung für Betriebe mit hohem Tierbesatz im Düngegesetz doch noch nicht so eindeutig formuliert ist, dass sie verbindlich im Jahr 2018 kommt. Dabei ist gerade die zeitnahe Einführung der Hoftorbilanz essenziell.


Warum folgt der Gesetzgeber Ihren Vorschlägen bislang nicht?


Taube: Offensichtlich ist der politische Einfluss des landwirtschaftlichen Berufsstandes nach wie vor erheblich. -sp-

Die Redaktion empfiehlt

top + Letzte Chance: Nur noch bis zum 01.04.24

3 Monate top agrar Digital + 2 Wintermützen GRATIS

Wie zufrieden sind Sie mit topagrar.com?

Was können wir noch verbessern?

Weitere Informationen zur Verarbeitung Ihrer Daten finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.

Vielen Dank für Ihr Feedback!

Wir arbeiten stetig daran, Ihre Erfahrung mit topagrar.com zu verbessern. Dazu ist Ihre Meinung für uns unverzichtbar.