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„Das Ding drehen wir nicht mehr zurück!“

Lesezeit: 7 Minuten

Aldi-Nord und Aldi-Süd wollen ab 2030 nur noch Frischfleisch aus Außenklimaställen und Biofleisch verkaufen. Von der Initiative Tierwohl erwartet man Unterstützung, betont das Management im Interview mit top agrar.


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Aldi hat den Discount, also das günstige Einkaufen, erfunden und salonfähig gemacht. In Zukunft setzen Sie auf Tierwohlfleisch. Was macht Sie so sicher, dass Ihre Kunden künftig das deutlich teurere Fleisch bei Ihnen kaufen und nicht zur Konkurrenz wechseln?


Klein: Eine Garantie dafür, dass alle Kunden auf Frischfleisch der Haltungsform 3 und 4 wechseln werden, haben wir natürlich nicht. Unser Vorstoß ist ein Stück weit eine Reise ins Ungewisse. Denn wir wissen nicht, inwieweit der Verbraucher unserer Tierwohl-Initiative folgt. Wir wollen auch bei qualitativ höherwertigem Fleisch die Preisführerschaft behalten und unseren Kunden beste Qualität zu besten Preisen anbieten.


Scholbeck: Wir sind diesen Schritt gegangen, weil sich die Ernährungsgewohnheiten immer weiter verändern. So setzen etwa junge Leute unter 30 Jahren mehr und mehr auf Qualität und Tierwohl. Nehmen sie den Schweinefleischverbrauch, dieser sinkt in Deutschland seit 15 Jahren kontinuierlich. Das ist keine Frage des Preises.


Ihr Tierwohl-Vorstoß ist eingeschlagen wie eine Bombe. Warum gerade jetzt und was sagen Ihre Lieferanten?


Scholbeck: Solch einen Kurswechsel vollzieht man nicht von heute auf morgen. Wir haben das Thema Tierwohl in den letzten Monaten mit unseren Partnern aus der Lieferkette gemeinsam diskutiert und jetzt durch unsere Fachabteilungen bei Aldi Süd und Aldi Nord auf Basis von Berechnungen und verschiedenen Annahmen letztendlich einen konkreten Fahrplan entwickelt. Unsere Lieferanten unterstützen uns bei diesem Vorgehen voll und ganz und wissen, dass „Tierwohl Made in Germany“ der richtige Weg zur Zukunftssicherung für die gesamte Branche sein kann.


Signalwirkung hat das Ganze aber schon.


Scholbeck: Wenn unser Weg Signalwirkung für mehr Tierwohl in Deutschland hat, dann freuen wir uns darüber.


Die Borchert-Kommission erarbeitet ein Konzept zum Umbau der Tierhaltung, das von allen Parteien mitgetragen wird. Gefährden Sie diese Pläne?


Klein: Das tun wir nicht. Die Borchert-Kommission soll der gesamten Branche einen neuen ordnungspolitischen Rahmen geben sowie Wege und Finanzierungsmöglichkeiten für den nötigen Umbau der Ställe erarbeiten. Wir als Lebensmittelhändler stellen uns unserer Verantwortung und wollen dem Tierwohlgedanken neuen Schub geben, indem wir die entsprechenden Produkte in unseren Filialen listen. Es reicht nicht, immer nur über Tierwohl zu reden, das Sortiment und somit das Angebot im LEH muss sich alternativlos ändern.


Sie gehen gleich in die Vollen und wollen künftig nur Fleisch der Haltungsform 3 und 4 anbieten. Warum klammern Sie die Haltungsform 2 aus?


Klein: Wenn man neue Wege geht, dann sollte man es konsequent machen und gleich auf die beiden Premiumstufen setzen.


Damit kritisieren Sie indirekt auch die Initiative Tierwohl, die für die Haltungsform 2 steht und deren Gründungsmitglied Aldi ist. Lassen Sie die ITW jetzt fallen?


Scholbeck: Nein, überhaupt nicht. Wir werden das Thema Tierwohl weiter gemeinsam mit der ITW vorantreiben und uns dort aktiv einbringen. Wenn man sich unser Konzept anschaut, wird aber klar, dass wir uns in dem unter Tierwohlgesichtspunkten sehr breiten Feld, das die ITW bietet, klar positionieren werden. Wir brauchen deutlich mehr als nur geringfügig größere Platzvorgaben im Stall. Genau diesen weitergehenden Tierwohlgedanken verfolgen die Haltungsstufen 3 und 4. Unser Vorgehen steht nach unserer Auffassung nicht im Widerspruch zu den Grundgedanken der ITW.


Haltungsform 3 und 4 bedeutet Auslauf für die Tiere. Die Bauern können solche Ställe derzeit nicht bauen, weil der gesetzliche Rahmen fehlt. Woher soll das Fleisch kommen?


Klein: Für die Mengen – der Umsatzanteil von Frischfleisch liegt bei Aldi bei rund 12% der Gesamtmengen im Markt – werden wir mit unseren Partnern Wege finden, diese bis 2030 bereitzustellen. Es existieren bereits konkrete Entwicklungspläne. Wenn Sie sich unsere Roadmap anschauen, dann sieht man, dass wir in den ersten fünf Jahren bis 2026 ein Drittel der Mengen umstellen und zwei Drittel in der zweiten Hälfte des Jahrzehnts folgen werden. Wir haben also bewusst mitberücksichtigt, dass aufgrund unserer Initiative der gesetzliche Rahmen für diese Veränderung geschaffen werden kann und das Thema Tierwohlfleisch in Deutschland skalierbar wird. Aber hier sind wir in Deutschland sicherlich ganz erheblich auf das Zutun der Politik und aller sonstigen Branchenakteure angewiesen.


Was tun Sie, wenn die Mitwettbewerber nicht nachziehen und weiter auf günstiges Fleisch setzen? Knicken Sie dann ein?


Scholbeck: Nein, das Ding drehen wir nicht mehr zurück, schon allein, weil man diese Entwicklung gesellschaftspolitisch gar nicht mehr zurückdrehen kann. Wir wollen und können mit unserem Vorstoß einen klaren Impuls setzen. Wir übernehmen Verantwortung und wollen den gesellschaftlichen Wunsch nach mehr Tierwohl positiv begleiten. ▶


Gehört zu dieser „Verantwortung“ auch, dass Sie den Landwirten die nötige Planungssicherheit durch langfristige Verträge und Abnahmegarantien geben?


Klein: Für Lieferanten und Partner von Aldi ja. Damit schaffen wir definitiv in unserer Wertschöpfungskette die von der Landwirtschaft zu Recht geforderte Planungssicherheit.


Können Sie den Landwirten garantieren, dass sie ihre Tierwohl-Investitionen zu 100% refinanziert bekommen?


Klein: Garantieren können wir das nicht, das kann niemand, weil der Markt und die Einflussfaktoren extrem komplex sind. Wir können aber eines sagen: Wir als Aldi versprechen, dass wir die getroffenen, langfristigen Lieferbeziehungen verlässlich einhalten. Und sobald der Landwirt ein höheres Tierwohlniveau an unsere Lieferanten liefert, erhält er dafür auch einen höheren Preis. Dieser orientiert sich an Angebot und Nachfrage und in den letzten Jahren hat sich die Nachfrage nach Tierwohlfleisch deutlich positiv entwickelt und konnte oftmals nicht vollständig gedeckt werden. Gleiches gilt übrigens für Bio-Milch aus Deutschland.


Aus Richtung der Bauernverbände kam postwendend Kritik. Können Sie das nachvollziehen?


Scholbeck: Für Kritik sind wir grundsätzlich offen. Wir stehen seit Monaten mit der Landwirtschaft und der Politik in Bund und Ländern im Dialog, durchaus kritisch, oft mit offenem Visier. Jeder sieht naturgemäß die Dinge anders. Aber wenn die Argumentationen zu Parolen werden und dabei die volkswirtschaftliche Situation wie z.B. Exportquoten, Angebot und Nachfrage etc. vergessen wird, ist manche Kritik schwer nachvollziehbar.


Die wichtige Frage der Honorierung beantworten Sie aber tatsächlich nicht. Oder?


Klein: Die Antwort können wir heute gar nicht geben, weil wir nicht wissen, wie sich Angebot und Nachfrage entwickeln. Der Markt für Tierwohlfleisch wird sich aus unserer Sicht aber positiv entwickeln, schon allein weil wir für Aldi den Absatz deutlich vergrößern und damit auch einen sehr stabilen, innerdeutschen Absatzkanal bieten.


Apropos Angebot: In Ihrer Ankündigung fehlt das klare Bekenntnis zu Tierwohlfleisch aus Deutschland.


Klein: Lassen Sie uns diesen Punkt noch einmal klarstellen: Aldi kauft schon fast 90% seines Frischfleisches in Deutschland ein. Wir beabsichtigen dies weiter auszubauen. Wir bekennen uns ganz klar zu Tierwohlfleisch aus Deutschland, das ist unser Bezugskanal Nummer eins. Ausländische Ware werden wir im Standardsortiment nur dann listen müssen, wenn es sich um Spezialitäten handelt oder die Angebotsmenge zu dem Zeitpunkt in Deutschland nicht ausreicht.


Ihr Tierwohl-Angebot gilt nur für Frischfleisch, dessen Konsumanteil aber nur bei 20% liegt. Was ist mit der Verarbeitungsware?


Scholbeck: Natürlich wollen wir langfristig auch bei der Verarbeitungsware umstellen. Dafür brauchen wir aber Zeit und weitere Gespräche mit unseren Lieferanten. Am Ende müssen wir beim Thema Tierwohl immer über das ganze Tier sprechen. Wir dürfen die Branche und ihre Akteure aber auch nicht überfordern.


Inwieweit beziehen Sie in Ihr Konzept die Sauenhaltung mit ein? Fängt Tierwohl für Sie schon beim Saugferkel an?


Klein: Das vom deutschen Lebensmitteleinzelhandel entwickelte Konzept der vier Haltungsstufen ist bekanntlich ein in die ITW integriertes Konstrukt, das sich aktuell ausschließlich auf die Haltung während der Mast bezieht. Nichtsdestotrotz haben die ITW und ihre Mitglieder inzwischen auch klare Tierwohlvorgaben für die Ferkelerzeugung entwickelt, die Teil unseres Tierwohl-Konzeptes sind.


Bereits heute unterstützen wir mit dem ITW-Ferkelfonds die Ferkelerzeuger innerhalb der Initiative Tierwohl. Außerdem erhalten Schweinemäster, die ITW-Ferkel einstallen, einen zusätzlichen finanziellen Bonus. Über diesen Weg wollen wir gezielt Anreize schaffen, um die Tierwohlkette in Zukunft weiter zu schließen. ▶


marcus.arden@topagrar.com


matthias.schulze-steinmann@topagrar.com


matthias.schulze-steinmann@topagrar.com


matthias.schulze-steinmann@topagrar.com


Was Branchenvertreter und Landwirte zum Tierwohl-Vorstoß von Aldi-Nord und Aldi-Süd sagen, lesen Sie ab Seite 28 in dieser Ausgabe.

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