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Das Grünland-Chaos

Lesezeit: 6 Minuten

Sechsmal in Folge Brache oder Ackerfutter macht Ackerland zu „Verwaltungsgrünland“. Worauf zu achten ist, haben wir Christian Gaebel vom Deutschen Bauernverband gefragt.


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Landwirte haben eigentlich eine klare Vorstellung davon, was Dauergrünland ist: Bestände mit überwiegend langlebigen Pflanzen wie Gräser ohne jährliche Bodenbearbeitung. Doch seitdem sich die EU über das Grünland hergemacht hat, herrscht Begriffsverwirrung: So kann Dauergrünland „per Verwaltungsakt“ auf Flächen mit Ackerstatus entstehen, Umbrüche sind, wenn überhaupt, nur noch mit Genehmigung möglich.


Grundlage der Grünland-Regeln sind Cross Compliance und Greening: Will ein Landwirt EU-Direktzahlungen bekommen, ist er u. a. verpflichtet, sein Dauergrünland zu erhalten. Perfekt wurde das Chaos aber erst durch das viel zitierte Urteil des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) vom 2. Oktober 2014 (Az.: C-47/13): Ein Landwirt hatte auf seinen Ackerflächen seit über 5 Jahren mit zwischenzeitlichem Pflügen Kleegras und Ackergras im Wechsel angebaut. Im Verständnis jedes Praktikers eine Fruchtfolge, die verhindert, dass Ackerland zu Grünland wird. Doch der EuGH entschied: Der Wechsel zwischen Ackergras und Kleegras ist keine Fruchtfolge. Damit geht nach fünf Jahren Gras (z. B. Selbst­begrünung) oder Ackerfutter (z. B. Kleegrasmischung) trotz Pflügen und Fruchtwechsel im sechsten Jahr der Ackerstatus verloren.


Ackerstatus „retten“:

Der durch das EuGH-Urteil drohende Ackerstatus­verlust sorgte zur Antragstellung 2015 für Unsicherheit, sodass Landwirte notgedrungen langjährige Futterflächen, Brachen oder Gewässerschutzflächen in Ackerland umwandelten. Aus ökologischer Sicht war das oft katastrophal. Doch die Betriebe hatten keine Wahl: Pächtern drohen Schadensersatzklagen, wenn sie Dauergrünland statt Acker zurückgeben. Dazu ist Dauergrünland meist weniger wert als Ackerland und kann auch nicht mehr als Ökologische Vorrangfläche (ÖVF) dienen.


Eine zweite Möglichkeit, die auto­matische „Dauergrünlandwerdung“ im sechsten Jahr Brache oder Futterfläche zu stoppen, ist sie im Agrarantrag als ÖVF-Brache zu deklarieren. Damit ruht die Umwandlung in Dauergrünland, auch wenn die Fläche dann länger als 5 Jahre als ÖVF läuft. Aufgepasst heißt es allerdings, wenn die Fläche wieder bewirtschaftet wird: Damit der Ackerstatus nicht noch nachträglich verloren geht, ist nach aktueller Rechtslage direkt anschließend eine fruchtfolgerelevante Ackerfrucht anzubauen. Das sind die Hauptfrüchte und nach der neuen Dauergrünlandleitlinie auch Reinbestände von Klee oder Luzernen. Beispiele dazu zeigt Übersicht 1.


Übrigens: Nicht ratsam ist, im Agrarantrag mehr als 5 % der Fläche als ÖVF-Brache anzumelden. Dann liegt die Annahme nahe, dass die ÖVF nur den Ackerstatus „retten“ soll, was einen Umgehungstatbestand darstellen kann.


Fünfmal Streifen = Grünland?

Viele Landwirte fragen sich, ob die Teilnahme an Naturschutz-, Wasserschutz- und Umweltprogrammen den Acker­status gefährdet. Der Ackerstatus bleibt in jedem Fall, wenn Sie Flächen spätestens zum sechsten Antragsjahr umwandeln und mit einer fruchtfolgerelevanten Ackerfrucht bestellen. Garantiert ist nach der Dauergrünlandrichtlinie der Erhalt des jeweiligen Status auch in den Agrarumwelt- und Klimaprogrammen (ELER). Wandeln Sie dafür z. B. Acker für einen verbindlichen Zeitraum in Grünland um, erhält sich der Status vor Verpflichtungsbeginn – auch für weitere Verpflichtungszeiträume.


Nicht ganz so in Sicherheit wiegen können sich Landwirte, die z. B. für natio­nale Programme, produktionsintegrierte Ausgleichsmaßnahmen oder Wasserkoope­rationen vorübergehend Ackerland in Grünland umwandeln. Auch diese Flächen können den ursprünglichen Status über die fünf Jahres-Grenze hinaus behalten. Damit das gilt, müssen sie allerdings den ELER-Programmen ähneln. Die Verpflichtungen müssen:


  • einen ähnlichen Zweck verfolgen,
  • unter ähnlichen Bedingungen durchgeführt werden und
  • mit Anpassung unter Berücksichtigung der dafür relevanten Regeln der ELER-Verordnung erfolgen.


Ob das auf Ihr Programm zutrifft, müssen Sie mit den Behörden bzw. dem Ministerium vor Ort klären. Inwieweit diese Garantien abgeben können, bleibt für viele Landwirte zumindest fraglich.


Grünlandumwandlung schwer:

Dauergrünland umzuwandeln, ist teilweise noch möglich. Betriebe mit Greening-Verpflichtung brauchen aber immer die Genehmigung der Agrarförderbehörde. Je nach Fläche müssen zusätzlich Naturschutz- oder andere Fachbehörden zustimmen. Ob Ersatzgrünland anzulegen ist, richtet sich nach dem Entstehungszeitpunkt (s. Übersicht 2, S. 42):


  • „Neues“ Grünland ist nach dem 1. Januar 2015 entstanden, z. B. durch auf­einanderfolgenden Futter- oder Grasanbau auf Ackerland im sechsten Antragsjahr. Sie dürfen nach Genehmigung ohne Ersatzfläche umwandeln.
  • Für Dauergrünland, das es schon vor dem 1. Januar 2015 gab, müssen Sie zusätzlich zur Genehmigung eine Ersatzfläche anlegen. Auch ein anderer Landwirt kann das Grünland für Sie anlegen. Achten Sie dabei auf schriftliche Verträge: Der Eigentümer muss der Grünlandneuanlage zustimmen.


Bei den Genehmigungen ist wichtig zu wissen: Sie verfallen spä­testens zur Frist des darauffolgenden Agrar­antrages am 15. Mai.


Einen Sonderstatus hat „umweltsensibles“ Dauergrünland, also das am 1. Januar 2015 bestehende Dauergrünland in FFH-Gebieten mit Ausnahme der Vogelschutzgebiete. Hier gilt ein absolutes Umwandlungs- und Pflugverbot, jegliche Zerstörung der Grasnarbe ist untersagt. Jede mechanische Bodenbearbeitung ist der Agrarförderbehörde mindestens drei Tage vorher anzukündigen. Walzen, Schleppen, Striegeln oder Schlitzverfahren sind jedoch erlaubt.


Ohne Greening kein Verbot:

Bemerkenswert ist: Kleinerzeuger, Biobetriebe oder Betriebe, die nicht am Greening teilnehmen, brauchen für die Dauergrünlandumwandlung keine Geneh­migung der Agrarförderbehörden. Sie unterliegen aber trotzdem den Genehmigungsvorschriften nach dem Fachrecht, wie z. B. dem Naturschutz. Wegen der komplexen Gesetzeslage sollten Sie aber niemals ohne Rück­-frage bei den Behörden den Pflug anspannen. Auch, weil teilweise noch Umwandlungsverbote der Bundesländer existieren.


Genehmigung nicht endgültig:

Über Grünlandumwandlungen ohne Ersatzanlage von neuem Grünland hängt als Damoklesschwert die sogenannte „5 %-Regelung“. Ihr Inhalt: Schrumpft der Dauergrünlandanteil an der Landwirtschaftsfläche eines Bundeslandes um mehr als 5 % gegenüber dem „Referenz- anteil“, gibt es einen Genehmigungsstopp. Jeder, der Dauergrünland ohne Neuanlage umgebrochen hat, muss zumindest anteilig wieder zurück umwandeln, bis das Minus in der Region nur noch 4,9 % beträgt. Ab dann gibt es wieder Umwandlungsgenehmigungen, in dem Bereich zwischen 4,9 und 4,5 % aber nur mit Anlage von Ersatzgrünland. Problematisch dabei: Ob die 5 %-Grenze in einer Region überschritten ist, wird im Bundesanzeiger erst nachträglich veröffentlicht.


Wer Grünland mit Genehmigung ohne Ersatzflächen umwandelt, muss also bis zu zwei Jahre im Nachhinein damit rechnen, dass wieder ein Teil mit Gras einzusäen ist. Das kann auch ein Risiko beim Ackerlandkauf sein: Kauft ein greeningpflichtiger Landwirt eine kürzlich so umgewandelte Fläche, läuft er Gefahr, dass er Teile wieder ansäen muss. Gleichzeitig gibt es aber auch gute Nachrichten: Im Jahr 2015 ist in keinem Bundesland der Dauergrünlandanteil um mehr als 5 % im Vergleich zur Referenz geschrumpft.


Bauen erschwert:

Schwer gemacht hat es die EU-Kommission Landwirten, die selbst auf umweltsensiblem Dauergrünland bauen wollen. Denn zu der „Umwandlung bzw. Konversion von Dauergrünland“ zählt jetzt auch die Bebauung.


Für öffentliche Projekte wie Schienen, Straßen etc. hat das keine Bedeutung, da die Flächen dann nicht mehr in der Verfügungsgewalt des Landwirts sind. Probleme könnten jedoch Landwirte bekommen, die selbst bauen möchten. Ein unhaltbarer Zustand, weshalb Bund und Länder derzeit an nationalen Ausnahmeregelungen arbeiten.

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