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Das sagen die Forstexperten

Lesezeit: 8 Minuten

Wo liegen die Schwerpunkte des Waldsterbens und welche Erfahrungen haben die Fachleute vor Ort gemacht? Wir haben mit Förstern in ganz Deutschland gesprochen.


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Franken: Kiefer und Fichte am stärksten betroffen


Mit Dr. Steffen Taeger, AELF Hersbruck, sprachen wir über die Situation in Franken: „Die Temperatur-Extreme und das zweite Dürrejahr belasten alle Baumarten stark. Bei uns in Franken ist die Kiefer unterschiedlich betroffen. Südöstlich von Nürnberg gab es immer wieder lokale Gewitter, die trotz wenig Regen die extremen Bedingungen offensichtlich abmilderten. Die Lage ist aktuell nicht schlimmer als im ebenfalls sehr trockenen Jahr 2015, als das Kiefernsterben erstmals stärker auftrat. Dramatisch sieht es 15 bis 20 km weiter nördlich im Stadtgebiet von Nürnberg, sowie in den Kreisen Neustadt-Aisch und Fürth aus.


Generell würde ich die Situation zwischen Nürnberg und Würzburg als katastrophal beschreiben. Hier sterben die Kiefern auf ganzen Flächen ab, es ist nicht mehr ein vorrangiges Problem an den Waldrändern. Ein normaler Holzeinschlag findet nicht mehr statt, es geht nur noch um die Zwangsnutzung.


Zwischen Lauf und Schnaittach im Nürnberger Land gibt es normalerweise etwa 800 mm Niederschlag pro Jahr. Hier wachsen Buchen-Fichten-Mischbestände – eigentlich eines der Zukunftsmodelle. Doch die Fichte stirbt auch hier nahezu komplett durch Borkenkäfer ab. Die Buche bleibt zurück, also ein Teil des Waldes noch erhalten. Die Buchen zeigen aktuell nur vereinzelt Absterbe-Erscheinungen. 2015 war die Trockenheit deutlicher sichtbar, damals verfärbten sich Buchen auf den Oberhängen bereits im August braun und warfen ihre Blätter ab. Sie trieben aber im Folgejahr größtenteils wieder aus.


Im Landkreis Neustadt-Aisch gibt es Mittelwälder mit hohem Eichenanteil. Vielerorts sind die Eichen massiv vom Schwammspinner kahlgefressen worden. Sie sind aktuell nur zu gut einem Drittel wiederbelaubt. Dazwischen stehen Eschen, die durch das Triebsterben abgestorben sind. In der Region ist die Fichte abgestorben, die Kiefer stark geschädigt. Die Situation macht mir durchaus Angst. Trotzdem sind wir überzeugt, dass Buche und Eiche ihre wichtige Rolle behalten. Allerdings bauen in unserem Landkreis auf 80000 ha im Wesentlichen nur vier Baumarten den Wald auf. Wir brauchen künftig dringend mehr Baumarten und müssen gezielt seltenere heimische Arten einbringen. Oder auch die Küstentanne oder die Roteiche. Es wird immer wichtiger, das Risiko zu streuen. Zusätzlich sollten wir „neue“ Baumarten wie die Atlas- oder Libanonzeder, die Esskastanie, Zerreiche oder Schwarzkiefer ausprobieren. Natürlich nicht wild gemischt, sondern mit Konzept.


Wir halten es für sinnvoller, nicht in Flächen zu denken, sondern besser jeweils truppweise zu pflanzen. Und dazwischen teils auch natürliche Bewaldung und Pionierbaumarten zuzulassen.


Es wird extrem schwierig, geeignetes Pflanzgut mit entsprechenden Herkünften bereitzustellen. Doch nur auf die natürlichen Anpassungskräfte zu setzen, halte ich für falsch. Denn nach einem artenarmen Wald wird sich in absehbarer Zeit automatisch kaum ein Mischbestand mit seltenen Baumarten einstellen. Hier muss der Mensch im Einklang mit der Natur eingreifen.“


Hochspessart: Kühle ​Bestände schützen – noch…


Der Spessart ist berühmt für seine Eichen. Bernhard Rückert, Stadtförster von Lohr am Main im Hochspessart, gibt einen Überblick über die Situation auf „seinen“ 4100 ha Fläche:


„Unseren Eichen und auch den Buchen geht es noch gut. Dabei ist die Niederschlagssituation sehr angespannt. Wir haben hier im Mittel zwischen 800 und 1 000 mm. Im letzten Jahr waren es nur 400 mm und in diesem Jahr haben wir erst 550 mm bekommen, allerdings 350 mm davon bis zum Mai. Im Sommer fielen nur rund 200 mm.


Auf der fränkischen Platte, also im Großraum Kitzingen, Schweinfurt und Würzburg, sind die Schäden vor allem auch an der Buche enorm. Wir liegen hier aber 200 bis 500 m über NN, die Temperatur ist bis zu 5 °C niedriger als auf der Platte (100 bis 250 m ü. NN). Außerdem haben wir durch unser Waldbaukonzept sehr dichte Bestände. Auch in den Eichen wachsen die Buchen bis in den Kronenbereich. Das senkt die Temperatur, sodass es kaum mehr als 25 °C in den Beständen werden. Selbst Fraßschäden durch Schwamm- und Prozessionspinner sind nicht so dramatisch wie in den deutlich wärmeren Regionen oder in lichteren Waldbeständen. Dort greift auch der Eichenprachtkäfer teils als Primärschädling an. Einige Reviere überdenken deshalb ihr Totholzkonzept, was ich für übertrieben halte.


Ich habe den Eindruck, dass manchmal ein halbes Grad Temperaturunterschied schon entscheidet, ob es zu starken Schäden kommt oder nicht.


Unsere Jungwüchse sind sehr dicht und artenreich. Wir rechnen damit, dass die derzeitige Witterung dort für einen starken Ausleseprozess sorgt – was nicht automatisch nachteilig sein muss. Ich glaube schon, dass sich der Wald ein ganzes Stück anpassen kann, wir müssen der Natur dazu mehr Raum lassen.


Wir sind hier noch stabil, aber auf kritischem Niveau. Doch wenn es nicht bald beginnt, länger zu regnen, könnte es auch bei uns dramatisch werden.“


Niedersachsen: Die Buchen vertrocknen


Dr. Uwe Barge ist Leiter des Forstamts in Göhrde, Landkreis Lüchow-Dannenberg, im Nordosten Niedersachsens. Hier gibt es eine rund 500 ha große Bestandsfläche, in der zahlreiche alte Buchen absterben. Die Bäume vertrocknen überwiegend, bei einigen ist die Buchenkomplex-Erkrankung die Ursache.


Dr. Barge und seine Kollegen haben festgestellt, dass überwiegend Buchen auf normalerweise stau- und grundwassergeprägten Standorten betroffen sind. Hier haben die Bäume, die in der Vergangenheit immer genug Wasser hatten, ein eher flaches Wurzelwerk. Mittlerweile ist der Grundwasserstand so weit abgesunken, dass die Wurzeln ihn nicht mehr erreichen können. Auf den sandigen Geeststandorten sind die Bestände weniger geschädigt. Der Forstamtsleiter sieht als mögliche Erklärung, dass die Buchen hier deutlich tiefer wurzeln und besser an Trockenheit angepasst sind.


Ein ähnliches Bild zeigt sich übrigens auch in den hügeligen Regionen Ostwestfalens, die normalerweise kaum Niederschlagsmangel haben. Hier sterben die Buchen in weiten Gebieten ab, vor allem auf den Kuppen.


Bei den Fichten ist Dr. Barge verhalten optimistisch: Bisher sei ein Viertel des Bestandes verloren, und ein weiteres Viertel könnte noch folgen. Aber der Förster hofft, dass in der Region etwa die Hälfte der Fichten die Massenvermehrung der Borkenkäfer überleben könnte – das ist weit mehr als in anderen betroffenen Regionen. Das Ganze geht nur durch schnelles und massives Eingreifen, sobald sich der Befall zeigt.


Künftig wollen die Niedersachsen weiter Mischwälder fördern. Hier setzen sie auf „Sicherheitsmischungen“. Eine wichtige Rolle kommt der Kiefer zu. Sie ist nach Erfahrungen von Dr. Barge immer noch eine der robustesten Arten. Vom Kiefersterben wie in Franken zeigt sich im Nordosten Niedersachsens bisher nichts. Dr. Barge fasst zusammen: „Ich gehe derzeit davon aus, dass sich die Lage bei uns stabilisieren wird. Aber nur, wenn wir eine grundlegende Wetteränderung bekommen. Doch ein weiteres Dürrejahr hätte bei uns katastrophale Folgen.“


Brandenburg: Gefahr durch Waldbrände


Über die Situation in Brandenburg sprachen wir mit Professor Ralf Kätzel. Er ist Leiter des Fachbereichs Waldentwicklung und Monitoring im Landeskompetenzzentrum Forst, Eberswalde.


„Die Kiefer hat bei der Baumartenverteilung in Brandenburg einen Anteil von ca. 70%. In den letzten Monaten hatten wir wegen der extremen Trockenheit eine sehr angespannte Waldbrandsituation in den Kiefernbeständen. Bereits im Jahr 2018 kam es zu 489 Waldbränden auf einer Gesamtfläche von 1655 ha. 90% davon entfielen auf 11 Großbrände. In diesem Jahr hat es bereits knapp 400 Mal in den Wäldern gebrannt (1351 ha). Der größte Brand auf dem ehemaligen Truppenübungsplatz Jüterborg zerstörte im Juni allein 744 ha.


Ein Kiefernsterben wie in Franken beobachten wir nicht. Der Ökotyp unserer Kiefern ist an Trockenheit besser angepasst. Im Waldzustandsbericht 2018 waren die Kronenverlichtungen bei Kiefern in Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg am geringsten. Dennoch beobachten wir in diesem Jahr, insbesondere im Süden Brandenburgs, eine Abnahme der Nadeldichte.


Auch kam es in diesem Sommer zu einer Massenvermehrung der Nonne – neben dem Kiefernspanner das wichtigste Schadinsekt bei dieser Baumart. Ein Pflanzenschutzeinsatz mit Karate Forst per Hubschrauber brachte den erwünschten Erfolg. Auf unbehandelten Flächen haben wir aber erhebliche Kronenauflichtungen durch den Fraß der Nonne beobachtet.


Buchen vertrocknen


Buchen haben in Brandenburg nur einen Anteil von 3,3%. Sie wachsen auf den besseren Böden, vor allem in nördlichen Landesteilen. Hier beobachten wir aktuell vor allem bei Bäumen über 60 Jahre sehr starke Kronenverlichtungen bis hin zur Schadstufe 4, also absterbend bis tot. Nach dem zweiten Trockensommer in Folge bleibt abzuwarten, wie viele der Bäume im nächsten Jahr wieder austreiben. Den jüngeren Buchen geht es derzeit noch verhältnismäßig gut.


Das Schadbild bei den Buchen hat sich in Schritten aufgebaut. Nach dem sehr feuchten Jahr 2017 haben sich die Bäume auch in 2018 gut entwickelt. In diesem Jahr zeigen sich aber sehr deutliche Schäden: Sehr kleine Blätter, starke Verlichtungen und frühe Verbraunungen. Die Buchen fruktifizieren stark, was natürlich zusätzlich Energie kostet. Die meisten bisher untersuchten Eckern sind aber hohl.


Der Anteil der Fichten ist bei uns mit 1,7% sehr niedrig. Aber an Stellen, wo sie wachsen, sind sie stark vom Borkenkäfer befallen.


Eichen machen bei uns 6,7% aus. Die Eiche hat bei uns durch Insekten immer wieder Probleme. Doch die stärkeren Schäden gehen auf die Trockenheit zurück. Aktuell schätzen wir, dass 20 bis 30 % stark geschädigt sind.


Das Eschentriebsterben trat in Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern bereits vor zehn Jahren auf – mit massiven Schäden. Im Spreewald sind von den früher dort dominierenden Eschen nur noch wenige Einzelbäume übriggeblieben. Durch die Trockenheit ist das Triebsterben aktuell scheinbar zum Stillstand gekommen – allerdings nur vorrübergehend. Denn dem Pilz fehlt die Feuchtigkeit, sich weiter zu verbreiten.“

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