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Das unglaubliche Leben des Jan Peifer

Lesezeit: 9 Minuten

Deutschlands schillerndster Tierrechtler hatte schon bei vielen fragwürdigen Organisationen seine Finger im Spiel. Dann gründete er das Deutsche Tierschutzbüro.


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Sie sind wieder unterwegs, die Aktivisten vom Deutschen Tierschutzbüro. Ihr aktuelles Ziel: Der Lebensmittel-Discounter Lidl. Von Freiburg bis Rostock parken sie ihren Plakatwagen vor dessen Filialen und zeigen den Kunden mit blutigen Bildern, dass Lidl Tiere „nicht verschont“.


Offensichtlich wissen die Aktivisten, dass die meisten Verbraucher nichts Unmoralisches daran finden, sich ein Stück Fleisch beim Discounter zu kaufen. Und so argumentieren sie in der Broschüre, die sie den Einkäufern in die Hand drücken, auch erst an zweiter Stelle mit dem Wohl der Tiere. Ganz vorne steht ein anderes Argument: Die Gesundheit der Verbraucher. Fleisch errege laut Weltgesundheitsorganisation Darmkrebs. Und der Medikamenteneinsatz in Mastanlagen führe zu Antibiotika-Resistenzen beim Menschen.


Wer in den letzten Monaten unter einer Glasglocke gelebt und nicht mitbekommen hat, dass beide Behauptungen in dieser verkürzten Form nicht stimmen (s. top agrar 12/2015, S. 116 und 1/2015, S. S25), der denkt sich beim Lesen der Broschüre wohl: „Gute Sache.“ Passenderweise ist am Ende der Broschüre das Spendenkonto des Tierschutzbüros angegeben.


Mit Aktionen wie dieser sucht der Verein in den letzten Monaten immer erfolgreicher das Licht der Öffentlichkeit. Zweifelsohne zählen Tierschutzbüro-Gründer Jan Peifer und seine Kollegen zu den bekanntesten Aktivisten Deutschlands. Permanent verkaufen sie Bild- und Videomaterial von nächtlichen Stallbesuchen an die Medien.


Mitunter decken sie so Missstände in der Landwirtschaft auf. Erst im August verurteilte ein Amtsgericht einen niedersächsischen Schweinemäster wegen Tierquälerei zu einer Geldstrafe. Das Tierschutzbüro hatte Strafanzeige gestellt, weil den Aktivisten ein Video vorlag, das ein Rechercheteam nachts im Stall des Mästers aufgenommen hatte. Auf den schockierenden Bildern sieht man Schweine mit schweren Verletzungen, abgerissenen Schwänzen und einen Spaltenboden, durch den von unten die Gülle drückt.


Stall-Aufnahmen legal?

Auffällig ist, dass die Tierschutzbüro-Aktivisten auf keinen Fall selbst als Urheber des Videos dastehen wollen. Denn ob es rechtens ist, nachts mit der Videokamera in fremder Leute Ställe einzudringen, ist zumindest umstritten. Und so verurteilte der Richter den Mäster auch nicht aufgrund des Videos, sondern aufgrund der Aussage der zuständigen Veterinärin. Das Video ließ er nicht als Beweismittel zu, weil es „möglicherweise illegal beschafft wurde“. Wird die rechtlich nicht ganz saubere Recherchearbeit dadurch legitim, dass die Filmenden schwarze Schafe unter den Tierhaltern enttarnen?


Die Aktivisten des Deutschen Tierschutzbüros müssen sich zumindest fragen lassen, ob es ihnen manchmal weniger um das Wohl der Tiere geht und mehr um den eigenen Geldbeutel. 2015 veröffentlichte das Büro ein Video aus einem Hühnerstall.    Kopfüber baumelnd begann es, langsam zu sterben.


Wer auch immer die Kamera hielt, hielt voll drauf. Erst nach einigen Minuten sahen sich die Tierschützer wohl doch noch genötigt, das Huhn zu retten. Anschließend versuchten sie mehrmals, es kameragerecht zu drapieren. Ob es danach tatsächlich starb, wie in dem Video behauptet, ist unklar. Beim Tierschutzbüro war man sich jedenfalls nicht zu schade, den Film zu schneiden, zu vertonen und auf die eigene Webseite zu stellen. Zwar ließ das Büro gerichtlich feststellen, dass das Video nicht von eigenen Mitgliedern stammt und dass die Filmenden in den Stall nicht „eingebrochen“, sondern nur „eingedrungen“ seien. So setzte der Verein auch eine einstweilige Verfügung gegen den Landwirtschaftsverlag Münster durch, bei dem auch top agrar erscheint. Dennoch müssen sich die Aktivisten vorwerfen lassen, diesen Akt der Tierquälerei ohne Scham auf ihrer Webseite verwendet zu haben, nicht weit weg von einem Spenden-Aufruf.


Außer dieser Szene entdeckten die Filmenden wohl nichts Verwerfliches in dem Stall. Das Landgericht Hamburg urteilte, dass das Video keine Missstände aufdeckt, die den begangenen Hausfriedensbruch rechtfertigen.


Auch bei den sogenannten Tierbefreiungen greifen Peifer und Kollegen zu fragwürdigen Mitteln. Immer wieder „befreien“ sie Haus- oder Nutztiere, um ihnen ein Leben auf einem Gnadenhof zu ermöglichen. Für diese Tiere suchen sie nach zahlenden Paten. Aktuell im Angebot: Die Färse Zwergi, die die Aktivisten von einem Milchviehbetrieb in Brandenburg „befreit“ haben wollen. Wörter wie entwendet oder geklaut würden ihnen niemals über die Lippen kommen. Mittlerweile gibt es Zweifel, ob Zwergi überhaupt von einem Milchviehbetrieb stammt oder sie möglicherweise schon auf dem Gnadenhof zur Welt kam.


Als diese Gerüchte sogar im Brandenburger Landtag zum Thema wurden, ruderte Peifer zurück: „Zwergi steht nur stellvertretend als Symbol für die Ausbeutung und das Leiden von Millionen von Milchkühen“, sagte er dem Rundfunk Berlin-Brandenburg. Haben die Aktivisten in ihrer Spenden-Werbung etwa geflunkert?


Stets nah dran am Skandal:

Es wäre nicht das erste Mal, dass Peifer ganz nah dran ist an betrügerischen Aktivitäten im Tierschutz-Bereich, auch wenn ihm eine direkte Beteiligung oder Mitwisserschaft nie nachgewiesen wurde.


Er lebt vegan, seit im Teenager-Alter ein Arzt bei ihm eine Unverträglichkeit gegen tierisches Eiweiß feststellt. Mit der Kamera seines Vaters dringt er bald darauf erstmals in Ställe ein. Die Bilder gibt er an die Medien weiter. Schon beim ersten größeren Tierschutz-Spendenskandal um das Deutsche Tierhilfswerk ist Peifer nicht weit (siehe unten). Auch bei vielen anderen Tierschutz- und Tierrechtsorganisationen, bei denen in den letzten zehn Jahren Geld verschwand, taucht Peifers Name auf – oder einer seiner zahlreichen Decknamen.


Schon bald nach dem Beginn seiner Karriere versteckt sich Peifer hinter dem „Deutschen Tierschutzbüro“. Er sorgt sich vor Konsequenzen, sollte die Fleischindustrie herausfinden, wer er ist. So wird er es später in einem Interview schildern. In dieser Phase nennt er sich oft Ingo Schulz. Erst, als seine Identität ohnehin klar ist, gründet er den Deutsches Tierschutzbüro e.V. und tritt wieder durchgängig als Jan Peifer auf.


Was er später manchmal nicht dazusagen wird: Der Verein entsteht nicht einfach durch Eintragung des Tierschutzbüros ins Vereinsregister. Stattdessen benennt sich 2013 der „Arbeitskreis humaner Tierschutz e.V.“ in „Deutsches Tierschutzbüro e.V.“ um. Der Arbeitskreis ist wiederum eng mit „Universelles Leben“ (UL) verflochten. Diese Sekte aus Franken entdeckte nach der Jahrtausendwende das Thema Tierrechte für sich. Ein UL-naher Verlag gibt seither die Zeitschrift „Freiheit für die Tiere“ heraus. Mitglieder des Arbeitskreises humaner Tierschutz erhalten das Blatt automatisch. Das Tierschutzbüro distanziert sich noch 2013 in einer Stellungnahme ausdrücklich vom Universellen Leben. „Es bestanden und bestehen keine Verknüpfungen mit dieser Glaubensgemeinschaft“, so der Verein.


Dass in der Vergangenheit keine Verknüpfungen bestanden, ist – angesichts der Tatsachen – schlicht falsch. Das muss natürlich nicht heißen, dass die Aktivisten noch heute Verbindungen zur Sekte unterhalten. Dennoch bleibt ungeklärt, warum Peifer das Tierschutzbüro nicht einfach als neuen Verein einträgt.


Wohin mit dem Geld?

Ohnehin haben Peifer und Kollegen heute viel drängendere Probleme. Eines davon: Die sprudelnden Einnahmen aus Mitgliedsbeiträgen und Spenden. Denn ein gemeinnütziger Verein darf eigentlich keinen Gewinn machen. Verbuchte der Arbeitskreis humaner Tierschutz e.V. im Jahr 2012 noch 65000 € an Einnahmen, so waren es beim Deutschen Tierschutzbüro e.V. im Jahr 2013 schon 185000 €. Seither veröffentlichte der Verein keinen Finanzbericht mehr. Experten schätzen Mitgliedsbeiträge und Spenden heute jedoch auf mindestens 400000 € jährlich.


Dem dürften eher magere Kosten für konkrete Tierschutzprojekte gegenüberstehen. Die „befreiten“ Tiere halten ja Paten finanziell über Wasser. Schon 2013 flossen laut dem Finanzbericht nur ca. 10% der Mitgliedsbeiträge und Spenden in Tierschutzeinrichtungen und Tierrettungen. Viel stärker schlug da schon der Posten „Kampagnen/Aktionen“ mit gut 77000 € zu Buche.


Man kann nur mutmaßen, dass ein stattlicher Anteil des Geldes an Peifers eigene PR-Agentur „Green Yellow“ floss und fließt. Denn laut ihrer Webseite kümmert sich die Agentur um Recherche, Videoproduktion und Pressearbeit für das Tierschutzbüro. Auffällig: An der Adresse von Green Yellow PR findet sich nur ein Postfach beim Dienstleister Mail Boxes Etc. (MBE). Im Handelsregister taucht Green Yellow nicht auf. Möglicherweise steht also Peifers eigenes Konto hinter der Agentur. Eventuell „hilft“ er dem Tierschutzbüro auf diese Weise, Gewinne zu vermeiden.


Doch damit begnügt er sich nicht. Mit Green Yellow PR hat er auch schon Aufträge anderer Organisationen wie z.B. der Albert-Schweitzer-Stiftung oder dem Vegetarierbund an Land gezogen. Über tierschutzbilder.de vertreibt er zudem Bild- und Videomaterial. Zu der Webseite existiert ebenfalls ein MBE-Postfach, aber kein Handelsregistereintrag und kein Finanzbericht.


Solche Netzwerke erregen gerade im Tierschutzbereich schnell Verdacht. Die Spendenbetrüger zahlreicher anderer Vereine nutzten solche Strukturen, um unbemerkt Geld abzuzweigen. Ob Peifer tatsächlich an seinen Firmen verdient, ist bislang ungeklärt. Er selbst möchte dazu keine Stellung nehmen.


Auch beim Tierschutzbüro selbst scheinen die Adressen zweier Briefkästen wenig mit der Geschäftstätigkeit zu tun zu haben. Das Landwirtschaftsministerium NRW führt es in seiner Liste der Organisationen mit Verbandsklagerecht unter einer Adresse in Köln. Dabei handelt es sich wiederum um ein MBE-Postfach, das Peifer schon für die „alte Version“ des Tierschutzbüros nutzte. Peifer selbst sagte hingegen 2014, dass das Büro seinen Sitz nach Berlin verlegt habe. Um die Verwirrung perfekt zu machen, ist im offiziellen Vereinsregister jedoch Bonn als Sitz angegeben.


Warum registriert das Büro seinen Sitz nicht in Berlin, wo auch die Geschäftsstelle ist? Nur, um das Verbandsklagerecht in NRW nicht zu verlieren (s. S. 26)? Oder zielt man womöglich auf eine Namensähnlichkeit mit dem Deutschen Tierschutzbund in Bonn ab?


Wiederholt versuchten wir, Jan Peifer zu seinem fast unglaublichen Leben und seiner Arbeit zu befragen. Schließlich erreichte uns eine Stellungnahme von seinem Rechtsanwalt. Leider untersagte er uns, ihn zu zitieren. Und so wird man die Antworten auf all diese Fragen vielleicht nie erfahren.-cm-

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