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Der Markt allein regelt es nicht

Lesezeit: 5 Minuten

Deutschland drückt beim Tierwohl und den Arbeitsbedingungen in den Schlachthöfen aufs Tempo. Ohne faire Bezahlung und Planungssicherheit für die Bauern wird es aber nicht funktionieren.


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Deutschland ist ein starker, wettbewerbsfähiger Standort für die Tierhaltung, den wir erhalten und zukunftssicher machen wollen“. Mit diesen Worten eröffnete Bundesagrarministerin Julia Klöckner die Veranstaltung Landwirtschaft im Dialog. Das Thema: „Mehr Tierwohl in den Ställen und bessere Arbeitsbedingungen an den Schlachthöfen: Was leistet der Markt und wo braucht es den Staat“ Die Ministerin stellte klar, dass die Landwirte eine wirtschaftliche Perspektive für den Umbau der Nutztierhaltung benötigen. Zudem müssten die Rahmenbedingungen nun zügig geschaffen werden. Klöckner appellierte in diesem Zusammenhang an die SPD, die dringend geforderten Anpassungen im Baugesetzbuch nicht länger zu blockieren.


Zu der Frage, welches Konzept für den Umbau der Tierhaltung tragfähig sei, äußerte sich Schleswig-Holsteins Landwirtschaftsminister Jan Philipp Albrecht. Er erklärte, dass mit den Borchert-Plänen nun ein tragfähiges Konzept zum Umbau der Tierhaltung vorliege, das parteiübergreifend Anklang finde und er als grüner Umweltminister ebenfalls unterstütze. Albrecht plädierte als Finanzierungsmodell für eine Tierwohlabgabe. „Ich erwarte, dass die Große Koalition den Umbau jetzt auf den Weg bringt. Denn die Monate bis zur Bundestagswahl gehen den Betrieben verloren. Junge Betriebsleiter können nicht weiter warten und müssen sich jetzt entscheiden!“


Baugesetz-Änderungen nötig


Während die Politik Wünsche formuliert, müssen die Landwirte die Tierwohlmaßnahmen im Stall umsetzen. Wie das gelingen kann, erläuterte Landwirtin Annika Rösch aus Baden-Württemberg. Sie hat im Abferkelstall Bewegungsbuchten eingebaut und berichtete von ihren positiven Erfahrungen. Kritik übte sie jedoch an den Vermarktungsbedingungen. Die Sauenhalterin vermarktet ihre Ferkel über verschiedene Tierwohlprogramme. Das Mehr an Tierwohl werde jedoch nicht über die gesamte Kette honoriert. „Ferkelerzeuger sind bei den Preisverhandlungen außen vor. Das ist falsch, denn die Schweine müssen von der Geburt bis zur Schlachtung honoriert werden. Ohne uns funktioniert es nicht“, forderte die Landwirtin ein Umdenken.


Vor der Herausforderung, die neuen Vorgaben der Haltungs-VO umzusetzen, steht auch David Oberhoff aus Sachsen. Der Junglandwirt hält 3000 Sauen im geschlossenen System. Er muss seine erst 2010 gebaute Sauenanlage erneut umbauen und zum Teil neue Gebäude errichten. „Die Genehmigung wird eine Herausforderung“, so Oberhoff. Er forderte von der Politik endlich Klarheit bei der Haltungskennzeichnung: „Ein staatliches Tierwohllabel muss kommen, damit der Verbraucher unsere Anstrengungen beim Tierwohl endlich klar erkennen kann.“


Wie man mit Tierwohl wirtschaftlich erfolgreich sein kann, berichtete Dr. Jens van Bebber aus Niedersachsen. Er vermarktet in einer geschlossenen Wertschöpfungskette Qualitätsfleisch aus eigener Produktion. Dafür hat er seine konventionellen Mastställe zu Außenklimaställen umgebaut. Tier- und Umweltschutz müssen sich seiner Meinung nach nicht gegenseitig ausschließen. „Um die gesellschaftlich geforderten Änderungen umsetzen zu können, sind jedoch Erleichterungen im Baugesetz notwendig“, forderte der Mäster.


20-Jahres-verträge mit Staat


Die anschließende Podiumsdiskussion zur Zukunft der Nutztierhaltung moderierten top agrar-Chefredakteur Matthias Schulze Steinmann und Marcus Arden, Redakteur und Koordinator Fachbereich Tierhaltung. Rund 1300 Zuschauer verfolgten den Livestream und diskutierten mit.


Der Leiter des Kompetenznetzwerks Nutztierhaltung, Jochen Borchert, beteuerte unter anderem, dass die Gesellschaft zwar mehr Tierwohl fordere, dies aber nicht honoriere. Diese Diskrepanz gelte es zu überwinden, damit Landwirte in mehr Tierwohl investieren können.


Ein wichtiger Faktor dafür seien 20-jährige Verträge, die der Landwirt mit dem Staat abschließe, um die Tierwohl-Mehrkosten über die Laufzeit der Abschreibung zu decken. Noch vor der Bundestagswahl sollen die ersten Vertragsentwürfe auf den Weg gebracht werden, so Borchert. Das hatte auch Klöckner in ihrem Eingangsplädoyer betont. Borchert zeigte sich optimistisch, dass sein Konzept auch nach der Wahl vorangetrieben werde.


Grundsätzlich hielt er eine Zusammenarbeit mit der Initiative Tierwohl (ITW) für denkbar. Auch Dr. Alexander Hinrichs, ITW-Geschäftsführer, schloss eine Verzahnung mit den Borchert-Vorschlägen bei der organisatorischen Umsetzung nicht aus. Denn beide hätten die Förderung und Weiterentwicklung des Tierwohls im Blick, so Hinrichs.


Dabei müsse sich Tierwohl jedoch auch in geschlossenen, konventionellen Ställen umsetzen lassen, sagte Hubertus Beringmeier, Präsident des Westfälisch-Lippischen Landwirtschaftsverbandes (WLV). Für die einzelnen Tierwohlstufen gebe es zudem bislang nur wenige Erfahrungswerte. „Wir brauchen Versuchsställe, damit bei der Umsetzung der Kriterien nicht jeder die gleichen Fehler macht“, so der WLV-Präsident.


Ex-Bundesagrarminister Borchert gab sich überzeugt, dass kein Weg an mehr Tierwohl vorbei gehen werde. „Wenn wir diesen Weg nicht gehen, wird es weitere Gerichtsurteile geben, die wir umsetzen müssen. Deshalb sollten wir die Umgestaltung selbst in die Hand nehmen“, forderte Borchert.


RegionalStrukturen fördern


Auf der Agenda standen zudem die Arbeitsbedingungen in den Schlachthöfen. Als positiv wertete Schleswig-Holsteins Agrarminister Albrecht, dass die Bundesregierung im Kernbereich der Fleischwirtschaft Werkverträge und Leiharbeit verboten hat. „Corona und der Schweinestau haben offenbart, wie anfällig unsere Wertschöpfungsketten bei einer Just-in-time-Produktion sind“, sagte er. Er forderte zudem, die Verarbeitungswege zu diversifizieren und regionale Schlacht- und Verarbeitungsstätten zu fördern.


Auch Clemens Tönnies, Inhaber der Tönnies Lebensmittel, war sich sicher, dass sich künftig kleinere Schlachtstrukturen bilden werden. „Ich bin jedoch gespannt, ob die Gesellschaft auch bereit ist, dafür höhere Preise zu zahlen“, gab er zu bedenken.


Davon war auch Reinhild Benning, Referentin für Landwirtschaft und Tierhaltung der Deutschen Umwelthilfe überzeugt. „Der Schweinefleischpreis ist seit Langem niedrig. Aber die Nachfrage steigt nicht an, sondern sinkt“, so Benning. Der Markt funktioniere nicht mehr, stattdessen steige die Nachfrage nach Bioschweinen. Der Fleischmarkt revolutioniere sich gerade. „Wir werden künftig weniger Tiere schlachten, aber zu besseren Lohn- und Einkommenskonditionen für Arbeitnehmer und Erzeuger. Hier sehe ich eine Menge Raum für wertvolle Arbeitsplätze und Fleisch, das gesellschaftliche Akzeptanz genießt“, gab sich Benning überzeugt.


caroline.juecker@topagrar.com


caroline.juecker@topagrar.com


Den Videostream finden Sie unter www.topagrar.com/lidtierwohl2021

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