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„Die Landwirtschaft muss klimafreundlicher werden!“

Lesezeit: 6 Minuten

Effizienter düngen, weniger Fleisch essen und mehr Nadelbäume pflanzen. So will die Wissenschaft die Land- und Forstwirtschaft klimafreundlicher machen. Prof. Dr. Peter Weingarten vom Thünen-Institut erläutert, warum das notwendig ist.


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Die Landwirtschaft ist nur für 11% der deutschen Treibhausgas-Emissionen verantwortlich. Gibt es anderswo nicht größere Reduktionspotenziale?


Weingarten: Ja. Dennoch gibt es auch in der Landwirtschaft beachtliche Möglichkeiten, den Ausstoß von Treibhausgasen zu verringern. Wenn wir diese nicht realisieren, sind die Klimaschutzziele, zu denen sich Deutschland verpflichtet hat, nicht zu erreichen.


Aber die Landwirtschaft stößt doch heute deutlich weniger Klimagase aus als 1990.


Weingarten: Das stimmt. 2014 lagen die Emissionen der Landwirtschaft (einschl. Acker- und Grünland) um 11% unter denen von 1990. Das reicht aber nicht. Deutschland muss seine gesamten Treibhausgase bis 2020 um 40% und bis 2050 um 80 bis 95% verringern. Das geht nicht ohne Landwirtschaft.


Was schlagen Sie vor?


Weingarten: Im Mittelpunkt unseres Gutachtens stehen drei Bereiche: Die Landwirtschaft, der Konsum von Lebensmitteln sowie die Forstwirtschaft und Holzverwendung (Anm. der Redaktion: siehe Kasten auf Seite 16).


Wie groß sind die Minderungs- bzw. Kohlenstoffbindungspotenziale dort?


Weingarten: Bei einem moderaten Klimaschutz lassen sich im Bereich Landwirtschaft pro Jahr 23 bis 24 Mio. t CO2-Äquivalente einsparen, beim Konsum von Lebensmitteln 14 Mio. t und bei der Forstwirtschaft und Holzverwendung rund 28 Mio. t. Bei einem ambitionierteren Ansatz sind die Potenziale etwa doppelt so hoch.


In welchem Zeitraum muss die Reduktion erfolgen?


Weingarten: Die Verpflichtungen Deutschlands zur Reduzierung seiner gesamten Treibhausgase haben klare zeitliche Vorgaben für die kommenden Dekaden. Der damit verbundene Umbau unserer Wirtschaft und des Konsums wird auch Jahrzehnte beanspruchen. Hinzu kommt, dass einige Maßnahmen wie der Moorschutz oder der Waldumbau mit mehr Nadelholz ebenfalls Zeit brauchen, um ihre volle Wirkung zu entfalten. Das heißt auch: Zwischenziele müssen regelmäßig überprüft und ggf. nachjustiert werden.


Sie empfehlen, die Effizienz der N-Düngung zu verbessern. Welche N-Überschüsse sind künftig noch vertretbar?


Weingarten: Bis 2020 sollte der Saldo der nationalen Hoftorbilanz auf 80 kg N/ha reduziert sein. Wenn das nicht gelingt, empfehlen wir, eine Stickstoffabgabe einzuführen. Langfristig müssen die N-Überschüsse aber noch weiter sinken.


Ist damit eine flächendeckende Extensivierung der Produktion verbunden?


Weingarten: Nein und das wäre aus Klimasicht auch nicht wünschenswert. Weltweit werden Agrarflächen immer knapper, während wir bei uns günstige natürliche Produktionsbedingungen haben. Wichtig ist es, die Treibhausgas-Emissionen je Produkteinheit zu reduzieren. Die Emissionen pro Flächeneinheit sind ein irreführender Maßstab.


Wie stark muss der Konsum von Milch, Käse und Fleisch verringert werden?


Weingarten: Tierische Produkte sind ein wichtiger Bestandteil einer gesundheitsfördernden Ernährung und sollen es auch bleiben. Aber wir essen mehr Fleisch und Milchprodukte, als es die Deutsche Gesellschaft für Ernährung empfiehlt. Im Vergleich zu 2006 sollten wir danach im Schnitt rund 40% weniger Fleisch essen.


Welche Auswirkungen hat das auf die Nutztierbestände in Deutschland?


Weingarten: Das hängt entscheidend davon ab, wie sich die Wettbewerbsfähigkeit der Tierhaltung in Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern entwickelt. Wenn der Konsumrückgang bei Fleisch und Milchprodukten in Deutschland vor allem zu einem Produktionsrückgang bei der deutschen Landwirtschaft führen würde, wären die Auswirkungen auf die Tierhaltung erheblich. Je stärker die deutsche Landwirtschaft allerdings ihre Exporte erhöhen oder Importe verdrängen würde, desto geringer wären die Auswirkungen. Allerdings würde dann auch die Treibhausgasminderung geringer ausfallen.


Um die Biodiversität zu sichern und mehr Kohlenstoff zu speichern, soll gleichzeitig das Dauergrünland erhalten oder noch erhöht werden. Wie soll das mit weniger Raufutterfressern gehen?


Weingarten: Das ist in der Tat eine Herausforderung. Wir müssen die Rinderhaltung wieder stärker auf das Grünland ausrichten oder alternative Grünlandnutzungen finden. Prüfen sollten wir auch, ob ein Teil des Grünlands aufgeforstet oder als Kurzumtriebsplantagen für schnell wachsende Baumarten genutzt werden kann. Dies gilt v.a. für bisher intensiv genutzte, artenarme Grünlandflächen auf Mineralböden.


Zur Verbesserung des Tierwohls werden zunehmend Außenklimaställe gefordert. Steigt dadurch der Ausstoß von Treibhausgasen wieder?


Weingarten: Nur zum Teil. Im Stall geht es vor allem um das Methan der Wiederkäuer. Dieses Gas lässt sich nicht über Abluftfilter binden. Das macht nur bei Ammoniak Sinn, das indirekt als Treibhausgas wirkt. Hier besteht ein Zielkonflikt zwischen dem verbesserten Tierwohl in Ställen mit Außenklimakontakt und dem Klimaschutz. Dieser Zielkonflikt ist aber nicht so groß wie oft unterstellt wird. Auch in Offenställen gibt es Möglichkeiten, Ammoniak-Emissionen zu vermindern.


Was bringt es für den Klimaschutz, mehr Biokraftstoffe zu produzieren, stärker auf Öko-Landbau umzustellen und die Soja-Importe zu verringern?


Weingarten: Wir sehen in diesen Maßnahmen keinen eindeutigen Beitrag zum Klimaschutz. Das gilt auch für den Konsum von Öko-Produkten sowie von frisch zubereiteten und von in der Region erzeugten Lebensmitteln. Der Verzicht auf Waren, die mit dem Flugzeug transportiert werden, trägt allerdings eindeutig zum Klimaschutz bei.


Welche Konsequenzen haben Ihre Vorschläge für die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Landwirtschaft?


Weingarten: 195 Vertragsstaaten haben verbindliche Verpflichtungen zum Klimaschutz vereinbart. Deutschland ist daher nicht das einzige Land, das Klimaschutzmaßnahmen in der Landwirtschaft umsetzen wird. Einzelne unserer Vorschläge haben positive, andere negative Auswirkungen auf die Wettbewerbsfähigkeit der Landwirtschaft. In einigen Bereichen besteht auch unabhängig vom Klimaschutz Handlungsbedarf, zum Beispiel beim Düngerecht. Hier steht Deutschland gegenüber der EU in der Bringschuld. Wieder andere Maßnahmen setzen stark auf freiwillige Anreize. Dies gilt zum Teil auch für den Moorschutz. Hier empfehlen wir u.a. Vertragsklimaschutzmaßnahmen und Ausschreibungsverfahren, an denen sich Landwirte beteiligen können oder nicht.


Wie wollen Sie verhindern, dass die deutschen Bemühungen durch vermehrte Importe ausländischer Produkte unterlaufen werden?


Weingarten: Zum einen sollte Deutschland auf eine globale Klimaschutzstrategie und deren Umsetzung drängen. Zum anderen führt nur ein Teil unserer Vorschläge zu höheren Produktionskosten für die Landwirte. Wichtig sind aber auch wir Verbraucher. Wenn wir unser Ernährungsverhalten an den Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung orientieren, ist nicht mit vermehrten Importen zu rechnen. Deshalb halten wir es für so wichtig, dass Bund und Länder die Konsumsteuerung als Politikfeld nutzen. Dazu gehören zum Beispiel Informationskampagnen, eine Vorreiterrolle der öffentlichen Kantinen beim Klimaschutz oder höhere Mehrwertsteuersätze für tierische Lebensmittel.-sp-

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