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Die Pioniere aus Hindelang

Lesezeit: 4 Minuten

Trotz kleiner Strukturen sind viele Bauernhöfe in Bad Hindelang stabil und zukunftsorientiert. Was ist das Erfolgsrezept? top agrar-Südplus hat nachgefragt.


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Wo man hinschaut, sind die landwirtschaftlichen Erzeugerpreise im Keller. Die Misere müsste eigentlich die süddeutschen Familienbetriebe mit ihren kleinteiligen Strukturen besonders hart treffen. Doch viele von ihnen trotzen der Krise und können auch langfristig bestehen.


Mit welchen Konzepten das funktionieren kann, zeigen beispielhaft die Bergbauern aus Bad Hindelang im Landkreis Oberallgäu. Sie steigern die Wertschöpfung und suchen nach neuen Vermarktungsmöglichkeiten. Und sie entwickeln neue Geschäftsideen und bauen weitere Standbeine auf.


Auch vor Bad Hindelang machte in den vergangenen Jahrzehnten der landwirtschaftliche Strukturwandel nicht halt. Allerdings verlief er im Vergleich zu anderen Regionen gemäßigter.


Weniger Betriebsaufgaben:

Seit 1991 ging die Zahl der landwirtschaftlichen Betriebe in der Allgäuer Tourismusgemeinde im Durchschnitt nur um 1,8% zurück. Gleichzeitig blieb die landwirtschaftlich genutzte Fläche der Alpengemeinde in diesem Zeitraum stabil.


Fachleute machen diesen Erfolg am sogenannten „Ökomodell“ fest. 1987 haben in Hindelang Bauern, Gemeinde und Naturschutz beschlossen, eng zusammenzuarbeiten. „Der damalige Bürgermeister erkannte, dass es ohne Landwirtschaft auf Dauer keinen Tourismus geben kann und wollte die Betriebe deshalb stabilisieren“, erinnert sich Ernst Wirthensohn, einer der Väter des Modells. Zudem sei die Zeit reif für den Vertragsnaturschutz gewesen.


Alle schützenswerten Flächen wurden kartiert und die Bauern bekamen von der Gemeinde und der Naturschutzbehörde Geld für die Bewirtschaftung und Offenhaltung dieser Flächen. Ein Novum in dieser Zeit.


Für die Gemeinde Bad Hindelang ist ein Verhindern der Verbuschung von existenzieller Bedeutung. Denn der Tourismus steuert 80% zur Wirtschaftskraft des Kurortes bei, der über 200000 Gäste und etwa 1 Mio. Übernachtungen pro Jahr verzeichnet.


Die Gemeinde zahlt deshalb bis heute für die Pflege dieser Flächen jährlich 60000 €. „Dass eine Gemeinde ihre Bauern so unterstützt, ist eine große Ausnahme und zeigt die Wertschätzung für die Landwirte“, bestätigt Wirthensohn.


1300 ha Vertragsflächen:

Die Summe fließt zunächst an den 1992 gegründeten Verein „Natur und Kultur“, der die Gelder dann an seine 64 landwirtschaftlichen Mitgliedsbetriebe verteilt. Diese bewirtschaften eine Gesamtfläche von rund 1300 ha. Davon entfallen knapp 117 ha auf Steillagen und 115 ha auf Naturschutzflächen.


Jeder Betrieb erhält einen Grundbetrag von 200€, Milchviehhalter bekommen wegen ihres höheren Arbeitsaufwandes 150€ zusätzlich. Außerdem erhält jeder Betrieb gemäß seinem Anteil an Steilwiesen und Naturschutzflächen Prämien. „Der gute Boden wird bei uns nicht gefördert, nur die schwer zu bewirtschaftenden Flächen“, erklärt Vereinsvorstand Sepp Agerer.


Zusätzlich zahlt der Verein noch einen geringen Pauschalbetrag je GV-Einheit. Im Gegenzug verlangt er von seinen Mitgliedsbetrieben Fütterung ohne Gentechnik und Verzicht auf Mineraldünger. Zudem müssen 90% des Futters aus dem eigenen Betrieb stammen und der Viehbesatz darf 1 GV pro ha nicht übersteigen. Gegenüber der Gemeinde hat sich „Natur und Kultur“ vertraglich verpflichtet, alle Flächen weiter zu bewirtschaften.


Neue Vermarktungswege:

Das zweite Hauptziel des Ökomodells, alle Betriebe über eine Vermarktungsgesellschaft zu bündeln, scheiterte 2002. Einige Bauern verloren dabei viel Geld. Doch im Rückblick wirkte diese Krise wie eine Initialzündung. Nachdem die gemeinsame Vermarktung nicht funktionierte, konzentrierten sich die Betriebe wieder auf eigene Absatzwege, die zu ihrer Struktur passten. „60 Bauern entwickelten 60 Einzellösungen“, sagt Wirthensohn.


Ein Drittel der Höfe hat seitdem auf Bio umgestellt. Die Milchviehbetriebe liefern an die Molkereien Arla und Zott, an fünf Alpkäsereien oder erzeugen Heumilch für die Schönegger Käsealm.


Die Mutterkuhhalter vermarkten ihre Absetzer an Feneberg. Außerdem nahm in den letzten Jahren die Anzahl der Betriebe stetig zu, die „Urlaub auf dem Bauernhof“ anbieten.


Wie erfolgreich diese Initiativen sind, zeigt sich daran, dass viele Betriebe in neue Ställe investiert haben, obwohl sie fast ausschließlich im Neben- und Zuerwerb geführt werden.


Das hat auch mit der Bergbauern-Mentalität zu tun. Viele sehen trotz aller Schwierigkeiten Zukunft in der Landwirtschaft. „Es herrscht hier ein heimatverbundener Überlebensgeist gepaart mit Hartnäckigkeit“, sagt Wir-thensohn.


Viele Hofnachfolger:

Derzeit vollzieht sich in Bad Hindelang ein Generationswechsel, der optimistisch stimmt: Viele junge Leute, die gut ausgebildet sind, übernehmen mit Elan den elterlichen Betrieb, der schon lange in Familienbesitz ist. Familiärer Zusammenhalt und Unterstützung werden groß geschrieben. Das hilft in schwierigen Zeiten weiter. Moderates Wachstum ist erwünscht, aber landwirtschaftliche Flächen sind in Bad Hindelang ohnehin momentan sehr gefragt und deswegen Mangelware.


Auf den folgenden Seiten stellen wir drei Betriebe vor, die alle von Beginn an Mitglied des „Natur und Kultur“-Vereins sind. Alle kombinieren Tradition und Moderne, agieren flexibel und sind Multitalente und Unternehmer.


Christine Kaiser

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