Mich ärgert das dauernde Gemaule über die GroKo. Klar: Die zähen Verhandlungen nerven und die personellen Kapriolen sorgen nicht gerade für Vertrauen. Für die schwierigen Mehrheitsverhältnisse sind aber wir Wähler verantwortlich.
Leider ist die Agrar- und Ernährungsbranche von dieser Stimmungslage nicht ausgenommen. Zuerst wurde über die Jamaika-Runde genörgelt. Viele sahen mit den Grünen das Ende der deutschen Landwirtschaft gekommen. Nachdem diese Option gescheitert war und die GroKo endlich die Verhandlungen aufnahm, wurde schwarz-rot plötzlich zum Schreckgespenst im landwirtschaftlichen Lager und schwarz-gelb-grün zur neuen Sehnsuchtsvariante.
Mit Verlaub: Das ist alles Quatsch. Allen immer lauter werdenden Misstönen zum Trotz hat die GroKo ein Agrarpaket geschnürt, mit dem man arbeiten kann (siehe auch Seite 18). An drei Stellen wird dies besonders deutlich:
- Der EU-Agrarhaushalt soll auf bisherigem Niveau erhalten bleiben, die Förderung aber neu justiert werden. Union und SPD wollen dabei vor allem die Direktzahlungen einfacher, effizienter und nachhaltiger machen.
- Für den Ackerbau soll es analog zur Tierhaltung eine eigene Strategie geben. Glyphosat hat in dieser nur übergangsweise einen Platz. Mit Hochdruck will man aber nach Alternativen suchen und diese dann auch fördern. Zudem gibt es ein klares Bekenntnis zum chemischen Pflanzenschutz. Der Berg nicht zugelassener Wirkstoffe soll mit zusätzlichem Personal abgebaut werden. Mit 20% Ökolandbau bis 2030 gibt es ein ambitioniertes, aber realistisches Ziel. Und Probleme wie Nährstoffüberschüsse und Biodiversität wollen Union und SPD auf wissenschaftlicher Basis und im Dialog mit den Betroffenen lösen.
- Das mehrstufige staatliche Tierwohllabel soll kommen. Stallumbauten für mehr Tierwohl sollen verstärkt gefördert und mit einem Bestandsschutz versehen werden. Auf Schwänzekürzen und andere nicht-heilende Eingriffe sollen die Bauern in Zukunft verzichten. Dafür will man Ausstiegszenarien und praktikable Alternativen erarbeiten. Das gilt auch für die Ferkelkastration. Der sogenannte vierte Weg wäre dann möglich. Und: Stalleinbrüche sollen zum Straftatbestand werden.
Die GroKo hat sich die richtigen Ziele gesetzt. Auch die SPD-Mitglieder sollten damit gut leben können. Zur Not taugt das Konzept sogar als Richtschnur für eine CDU-Minderheitsregierung.
Es ist doch völlig selbstverständlich, dass ein Koalitionsvertrag keine konkreten Kriterien, Instrumente und Maßnahmen benennt. Das ist die Aufgabe der neuen Bundesregierung und insbesondere der künftigen Bundesland-wirtschaftsministerin. Julia Klöckner, die CDU-Chefin aus Rheinland-Pfalz, soll den Job bekommen, hieß es bis zu unserem Redaktionsschluss (16. 02.).
Auf die neue Ministerin wartet viel Arbeit, die sie selbstbewusst angehen sollte. Sie muss mutige Vorschläge entwickeln und die unterschiedlichen Positionen entschieden zusammenführen. Daran hat es in den vergangenen Jahren vor allem gefehlt.