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Eigeninitiative ist gefragt

Lesezeit: 11 Minuten

Noch nie gab es so viele Agrarstudierende wie heute. Unser Hochschulranking zeigt: Ob sie nach dem Studium wirklich fit für den Beruf sind, haben sie vor allem selbst in der Hand.


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Es ist Montag, 5.30 Uhr. Christoph Schlicher sitzt auf dem Traktor und füttert die 80 Kühe auf dem elterlichen Betrieb. Etwas hektisch eilt er dann mit großen Schritten unter die Dusche und ohne Frühstück ins Auto. Er muss sich beeilen, damit er es trotz 50 Minuten Fahrzeit pünktlich zur 8-Uhr-Vorlesung in Bingen schafft. Christoph studiert Agrarwirtschaft und will nach dem Bachelor auf dem Betrieb einsteigen. „Ich wollte möglichst viel Input in kurzer Zeit“ begründet er, wieso er sich vor rund drei Jahren anstelle einer Ausbildung für ein Studium entschied. In den Freistunden wiederholt er den Stoff der vergangenen Vorlesungen. Bei einem solchen Pensum stellt sich schnell die Frage: Lohnt sich diese Doppelbelastung?


Viele Türen offen:

Wer Agrarwissenschaften studiert, dem stehen hinterher viele Türen offen. Absolventen arbeiten wie Christoph auf landwirtschaftlichen Betrieben, bei Futtermittelherstellern, in der Beratung, vermarkten Düngemittel oder überprüfen Cross Compliance Vorschriften in Landwirtschaftsämtern. Ihre vielseitigen Einsatzmöglichkeiten verdanken die Agraringenieure dem breit aufgestellten Studium. Angehende Studierende stehen vor der Qual der Wahl: Sie können sich an 26 deutschsprachigen Hochschulen einschreiben. Doch nicht jede ist für jeden geeignet.


Wollen Sie später den Milchviehbetrieb Ihrer Familie übernehmen? Interessiert Sie die Pflanzenzucht? Oder sehen Sie Ihre Zukunft in der Landtechnik-Branche? Unser Hochschulranking hilft bei der Orientierung und zeigt auf, an welchen Standorten die Studierenden mit welchen Lehrbereichen besonders zufrieden oder unzufrieden sind.


Welche Hochschule für wen?

Wer Pflanzenbau an einer Universität vertiefen will, sollte sich in Kassel und Halle umschauen. Wie auch schon in den letzten Jahren haben beide mit einer 1,6 die Nase vorn. Den ersten Platz teilen sie sich mit der TU München, die sich von der Zweitplatzierung im Jahr 2014 hochgekämpft hat. Es folgen Hohenheim (1,7) und Berlin (1,9) auf dem zweiten und dritten Rang.


Die Studierenden der Fachhochschulen demonstrieren ihre Zufriedenheit im Pflanzenbereich insgesamt mit einer Durchschnittsnote von 1,8. An den Standorten Triesdorf (1,4) Kiel (1,6) und Neubrandenburg (1,6) fällt die Bewertung überdurchschnittlich gut aus.


Wer sich neben Ackerbau auch für gartenbauliche Themen interessiert, ist möglicherweise auch in Dresden (1,5) an der richtigen Adresse. Studierende der Hochschule loben in den Kommentaren die große Angebotsvielfalt in diesem Gebiet. Deutlich unzufriedener mit der Lehre der Pflanzenproduktion sind die Studierenden der Hochschule Anhalt (2,3).


Umso mehr glänzen in Anhalt die Dozenten im Tierbereich mit einer 1,3. In den Kommentaren begründen die Studierenden die gute Bewertung mit einem hohen Praxisbezug und dem Engagement der Professoren. Wenn Sie sich auf die Tierproduktion spezialisieren wollen, sind Sie auch in Kiel (1,4) oder Osnabrück (1,6) gut aufgehoben. Vielfältige Möglichkeiten zur Vertiefung ermöglichen dort ein auf die eigenen Bedürfnisse ausgelegtes Studium, kommentiert ein Student der HS Osnabrück. Mit einer 1,7 schneiden die Fachhochschulen im Durchschnitt bei der Tierproduktion besser ab als die Universitäten (2,0). Hier heimsen Hohenheim (1,8) und Rostock (1,9) die besten Bewertungen ein.


Uni lehrt Umgang mit Kritikern:

Zum Spitzenfeld in der Ökonomie zählen die FH Kiel (1,5) und die HS Neubrandenburg (1,6). Besonders sticht hier außerdem die Uni Göttingen mit der Bestnote 1,4 hervor.


Helena Kallen, die dort im Master Agrarwissenschaften studiert, überrascht das nicht. Sie hat sich für den Standort entschieden, weil sie dort Agribusiness als Schwerpunkt legen konnte. Ihre Familie baut Sonderkulturen in Nordrhein-Westfalen an und vermarktet diese regional. Helenas Ziel ist es, nach dem Studium zu Hause einzusteigen und die Vermarktung zu übernehmen. Auch ihren Bachelor-Abschluss hat sie bereits in Göttingen gemacht.


Die Professoren punkten bei ihr durch Fächer, die stets am Puls der Zeit sind: „Zum Beispiel lernen wir im Fach ‚Corporate Social Responsibility‘ wie Unternehmen auf die Kritik an modernen Produktionsmethoden der Agrar- und Ernährungswirtschaft reagieren können“, sagt sie. Helena hält das für einen wichtigen Aspekt der Ökonomie.


Auf den zweiten Platz der Universitäten konnten sich erstmals Bonn (1,9) und Berlin (1,9) kämpfen. Diesen teilen sie sich mit Hohenheim, gefolgt von München und Wien (beide 2,0). Will man dagegen sein Studium im Gebiet der Landtechnik vertiefen, ist man im Gegensatz zur Ökonomie in Göttingen fehl am Platz. Diese werde dort nur „stiefmütterlich“ und „oberflächlich“ in einem Modul abgehandelt, begründen Studierende die schlechte Benotung (3,4) in den Kommentaren.


Erheblich zufriedener zeigen sich die Studenten in Kassel, Hohenheim und München mit einer 1,9. Die Landtechnik fällt auch in diesem Jahr in der Gesamtbewertung gegenüber den anderen Fachbereichen mit einer Durchschnittsnote von 2,5 deutlich ab.


Ein etwas besseres Bild ergibt sich an den Fachhochschulen. Hier erreicht die Landtechnik durchschnittlich eine 2,3. Am Standort Triesdorf ist die benachbarte Landmaschinenschule ins Studium eingebunden. Das zahlt sich aus: Triesdorf schneidet zusammen mit Bingen (beide 1,9) am besten ab.


Studierende wollen Praxis:

Eine Sache fällt beim Lesen der Kommentare besonders ins Auge: Gute Noten in den jeweiligen Lehrbereichen wurden von den Studierenden überwiegend mit einem hohen Praxisbezug begründet, egal ob Universität oder Fachhochschule. Stimmt da noch die Aussage „Nichts ist so praktisch wie eine gute Theorie“?


Kaum zu Hause angekommen, schmeißt Christoph sich wieder in die Stallklamotten und geht raus auf den Hof. Sein Studium ist praxisnah. Viele Dinge, die er in der Vorlesung gehört hat, konnte er bereits im Betrieb umsetzen.


„Seit wir in Tierhygiene Kälbermanagement behandelt haben, konnten wir hier Probleme mit Nabelentzündungen eindämmen. Außerdem gehen wir nun professioneller an die Kälbergeburten“, sagt er. Trotzdem hält er auch theoretische Kenntnisse für wichtig. „Die Theorien befähigen einen dazu, eigenständig Dinge zu berechnen. In dem Fach „Landwirtschaftliches Controlling“ haben wir zum Beispiel gelernt, wie man eine Betriebszweigabrechnung erstellt. Das Wissen konnte ich bei uns im Rahmen einer Projektarbeit umsetzen“, berichtet er.


Fächer für Betriebsleiter:

Christoph weiß, dass man Eigeninitiative im Studium zeigen muss. Er hat mehr Wahlfächer belegt als vorgeschrieben, um möglichst alles aus dem Studium mitzunehmen, was künftig für ihn als Betriebsleiter von Belang sein kann. Zusätzlich schrieb er sich deshalb auch Fächer wie Arbeits- und Wirtschaftsrecht auf den Stundenplan.


Diese Fächer sind aus seiner Sicht für Betriebsleiter essentiell. „Das Angebot ist da und es hängt vor allem von den Studierenden ab, wie sie es für sich nutzen“, sagt er.


Doch nicht nur das Lehrangebot entscheidet darüber, wie zufrieden die Studierenden mit ihrer Hochschule sind. Wer neben Hörsaal- auch öfter Praxisluft schnuppern will, ist wahrscheinlich wie Christoph auf einer Fachhochschule besser aufgehoben. Die Studierenden an den Fachhochschulen sind überwiegend zufrieden mit dem Praxisbezug ihres Studiums. Nur ein knappes Viertel sieht dahingehend Verbesserungsbedarf. Aber auch die klare Mehrheit (96%) der Studierenden einer Universität gibt an, dass ihnen Praxisbezug wichtig ist. Dort gibt es in diesem Punkt jedoch Nachholbedarf: 69% fordern, dass vor allem die Praxisrelevanz steigen muss.


Dabei profitieren nicht nur die Studierenden von einer praxisnahen Ausrichtung der Lehre. Auch Unternehmen wünschen sich Praktiker, die sich schnell im Beruf zurecht finden und in der Lage sind, ihr Wissen aus dem Studium in die Praxis einzubringen, wissen die Agrar-Personalberater Anne Voß und Dr. Clemens Schwerdtfeger (siehe Interview auf Seite 32).


Studierenden-Rekord:

Die Arbeitgeber haben nach einer aktuellen Studie von Statista Research, die das Forum Landwirtschaft in Auftrag gegeben hatte, aber auch Grund zur Freude: Nie gab es mehr Agrarstudierende. Damit hat die deutsche Landwirtschaft den höchsten Ausbildungs- und Wissensstand ihrer Geschichte erreicht. Die Zahl aller selbstständigen Landwirte mit Studienabschluss hat sich in den vergangenen fünf Jahren vervierfacht – von rund 10000 auf 40000.


Die Bereitschaft, einen möglichst hochqualifizierten Berufsabschluss zu erreichen, ist angesichts der zukünftigen Herausforderungen offenbar deutlich gestiegen. Vor 15 Jahren, zum Wintersemester 2000/2001 waren es noch 8817, die sich für Agrarwissenschaften einschrieben. Letztes Jahr waren es 17670. Vor einer Absolventenflut braucht sich aber dennoch niemand zu fürchten, versichert Dr. Schwerdtfeger (siehe Interview).


Uni oder FH?

An der Fachhochschule werden Studierende so ausgebildet, dass sie einen landwirtschaftlichen Betrieb leiten oder eine Führungsposition im vor- und nachgelagerten Bereich übernehmen können. Die Mehrheit der FH-Studierenden, die von ihrer Hochschule eine gute Vorbereitung auf diese Tätigkeiten erwarten, gibt an, dass sie diese auch erhält (siehe Übersicht 4 auf Seite 31). Wer dagegen eine wissenschaftliche Laufbahn anstrebt, wählt besser das Studium an einer Universität. Während nur 36% der FH-Studierenden mit der Wissenschaft vertraut sind, geben 84% der Uni-Studenten an, für den Beruf in Wissenschaft und Forschung gewappnet zu sein. Helena musste im Rahmen ihres Bachelorstudiums insgesamt sechs Monate praktische Erfahrung nachweisen. Auch in den Vorlesungen werden öfter Beispiele aus der Praxis gebracht. Aber fit für den Beruf war sie nach sechs Semestern noch nicht, gesteht sie: „Ich hatte zwar nach dem Bachelor das Gefühl, einiges gelernt zu haben, aber ganz fertig gefühlt habe ich mich noch nicht.“ Mit dem Master will sie das nun ändern. Damit steht sie nicht alleine da. Nur einer von zehn Uni-Studierenden gibt an, insgesamt den Bachelorabschluss anzustreben, an den Fachhochschulen ist es fast die Hälfte der Studierenden. Für 65% ist der Masterabschluss das Ziel ihres Unistudiums (FH: 38%), 14% wollen promovieren.


Auch Helena beweist Eigen-initiative und gleicht fehlende Praxiskenntnisse durch freiwillige Praktika aus. Dadurch verspricht sich die 23-jährige Studentin neue Kenntnisse über Direktvermarktung, die sie später auf dem Familienbetrieb umsetzen kann.


Eine wichtige Rolle spielen die Karrieremöglichkeiten im Anschluss an das Studium. Die Studierenden wollen fachlich auf dem neuesten Stand sein. Gleichwohl suchen sie auch während des Studiums schon Antworten auf die Fragen: Wie bereite ich mich möglichst gut auf den Beruf vor? Wie groß sind meine künftigen Karrierechancen?


Hilfe bei Job-Suche vermisst:

An den Universitäten glaubt nur ein Drittel, dass die Inhalte des Studiums gut an die Anforderungen des Berufes angepasst sind. An den FHs sind es einige Prozentpunkte mehr. Dass das Studium auf die Anforderungen im Beruf abgestimmt ist, meint dort etwas mehr als die Hälfte.


Die Hochschule soll nicht nur Wissen vermitteln, sondern auch Kontakte zu Arbeitgebern. Rund 80% aller teilnehmenden Studierenden wünschen sich eine solche Hilfe seitens der Lehranstalt. Das scheint noch nicht ausreichend zu funktionieren. In Noten ausgedrückt zeigen die FH-Studenten ihre Zufriedenheit mit der Vermittlung an Arbeitgeber im Schnitt mit einer 2,1, an den Universitäten durchschnittlich mit einer 2,6. Dahingehend besteht aus Sicht der Studierenden also noch Luft nach oben.


Agrarstudierende werden durchaus gefordert – wenn auch nicht überfordert. Auch das ist ein Ergebnis unserer Erhebung. Durchschnittlich gibt nur einer von 10 Studierenden an, der Lern- und Zeitaufwand sei zu hoch. Das hängt natürlich auch davon ab, wie man sich seine Zeit einteilt.


Christoph beurteilt die Doppelbelastung durch Studium und Job besonders im arbeitsintensiven Sommersemester als sehr hoch. Dass er parallel zur Ernte Klausuren schreiben kann, funktioniert nur, weil er fast keine Vorlesung ausfallen lässt, erklärt er. Für ihn reicht es aus, kurz vor der Klausur den Stoff zu wiederholen, weil er das ganze Semester über am Ball bleibt. „Es ist immer stressiger, wenn man zusätzlich noch arbeiten muss“, weiß auch Helena. Sie holt verpasste Inhalte selbstständig zu Hause nach.


Konkurrenzdruck kennen beide nicht. Christoph und Helena arbeiten viel mit ihren Kommilitonen zusammen und helfen sich gegenseitig in Lerngruppen. Das scheint auch an den anderen Hochschulen gang und gäbe zu sein. Dass Studierende unter einem zu hohen Konkurrenzdruck leiden, ist laut unserer Umfrage die Ausnahme.


Möglicherweise ist die gegenseitige Unterstützung auch einer der Gründe dafür, dass die Mehrheit der Studierenden (über 60%) in der Regelstudienzeit ihr Studium beendet. Weitere 25% geben an, dass sie die Regelstudienzeit voraussichtlich um maximal ein Semester überschreiten werden.


Studieren – ja oder nein?

Was muss jemand mitbringen, um im Agrarstudium erfolgreich zu sein? Christoph hält Praxiserfahrung für das A und O: „Man muss einfach wissen, was auf einen zukommt.“ Deshalb rät er Studierenden ohne landwirtschaftlichen Hintergrund, erst eine Ausbildung oder längere Praktika zu machen, um so die Grundlagen zu legen. Er selbst brachte diese Praxiserfahrung schon mit und konnte sein Fachwissen durch das Studium vertiefen. Für ihn habe sich die Doppelbelastung gelohnt, zieht er am Ende seines Studiums Bilanz.


Helena rät jungen, studieninteressierten Landwirtinnen und Landwirten, es einfach auszuprobieren. Man brauche vor allem Spaß an der Landwirtschaft. „Dann ist man automatisch gut in dem, was man tut,“ ist sie überzeugt.Lisa Essich

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