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Fisch statt Schwein

Lesezeit: 9 Minuten

Gero Schnepel aus Wunstorf in Niedersachsen mästet seit etwa zwei Jahren Zander. Das Geschäft ist schwierig und kompliziert. Bereut hat er den Schritt trotzdem nicht. Ein Erfahrungsbericht.


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Hundert Tonnen pro Jahr und mehr sollten es schon sein. Wer sich danach erkundigt, ab wann eine Aquakultur rentabel ist, bekommt genau das als grobe Richtschnur genannt. Kein Wunder, schließlich kosten die Indoor-Fischfarmen oft 500000 € und mehr und wie überall in der freien Wirtschaft gilt auch für diese Branche: Je größer die Investition, desto größer muss der Output sein.


Mit einer Produktionsmenge von rund 8 t pro Jahr wirkt die Anlage von Gero Schnepel dagegen wie ein „kleiner Fisch“. Dennoch hat sich der Landwirt bewusst dafür entschieden. Sein Erfolgsrezept: eine günstige Anlage, günstige Wärme aus seiner Biogasanlage, preiswerter Strom aus der Solaranlage und optimale Betreuung durch Max Hoersen, seinem Berater.


Vor zwei Jahren stellte er einen Bauantrag für einen Schweinemaststall. Zunächst sah alles danach aus, dass ihm der Landkreis grünes Licht erteilen würde. Kaum lag der Antrag aber auf dem Schriebtisch des zuständigen Beamten, verschärfte die Regierung das Bundesimmissionsschutzgesetz. Anstatt eines herkömmlichen Güllesilos sollte er nun ein luftdichtes Lager bauen. Die Zusatzkosten hätten sein ohnehin enges Budget gesprengt. Frustriert zog er den Antrag zurück.


Die Diva unter den Fischen


Schnepel hatte sich aber fest vorgenommen, seinen Betrieb mit einer Biogasanlage (526 kWel.), 150 ha Ackerbau und 1600 Schweinemastplätzen für die Zukunft zu rüsten. Neben dem Massenprodukt Schwein wollte er ein Standbein im hochpreisigen Segment aufbauen. Um seine Möglichkeiten auszuloten, ging er analytisch vor und setzte sich zunächst mit den Vorteilen seines Standorts auseinander – und die sprachen für die Aquakultur:


  • Er kann Wasser aus einem Hofbrunnen nutzen.
  • Seine Solarstrom- und Biogasanlage erzeugen günstigen Strom bzw. preiswerte Wärme.
  • Jede Aquakultur benötigt ein Abwasserlager. Dafür bot sich ein altes, ungenutztes Güllesilo an.
  • Durch die Nähe zur Großstadt Hannover gibt es viele potenzielle Kunden im näheren Umfeld des Hofes.


Allerdings hatte Schnepel zu dem Zeitpunkt keinen blassen Schimmer von der Fischmast. Um die Wissenslücke zu schließen, holte er sich den Fischereimeister und Berater Max Hoersen aus Görzke (Brandenburg) mit an Bord. Dieser war es dann auch, der ihm riet, sich zunächst auf eine Fischart festzulegen und dann erst in die Technik zu investieren. Denn die Ansprüche der Tiere sind sehr verschieden, weshalb man nicht jeden Fisch in jeder Anlage halten kann. Schnepel entschied sich für den Zander, der für seine hohen Ansprüche bekannt ist und teuer gehandelt wird. „Die Diva unter den Fischen“, scherzt Hoersen. Als die ersten Angebote der Anlagenhersteller vorlagen, ließ Schnepel diese sicherheitshalber von Hoersen überprüfen.


Altanlage aufgerüstet


Das Urteil war schnell gefällt: 250000 € für eine eher kleine Anlage waren eindeutig zu viel – vor allem für eine Investition in einen neuen, unbekannten Betriebszweig. Außerdem enthielten die Wirtschaftlichkeitsberechnungen der Verkäufer typische Fehler: zu niedrige Futter- und Stromkosten sowie ein viel zu niedrig angesetzter Wasserverbrauch. Schnepel entschied sich daher gegen eine neue Anlage. Stattdessen kaufte er eine gebrauchte für 30000 €. Diese besteht aus acht Becken (je 6 m³), in denen insgesamt rund 8000 bis 9000 Zander Platz haben. Produktionsvolumen: 8 t/Jahr.


Die Anlage war zwar günstig. Dafür hatte sie einige Schwachstellen. Im Nachhinein haben Schnepel und Hoersen daher einige Details verändert:


  • Damit das Wasser immer genügend Sauerstoff enthält, wird es permanent im Kreislauf gepumpt. Kontinuierlich über den Tag verteilt – je nach Futtermenge – tauschen die Pumpen auf diesem Wege auch ein Teil des Anlagenwassers gegen Frischwasser aus. Schnepels Anlage war so konstruiert, dass die Technik etwa 70% des in den Becken enthaltenen Wassers pro Stunde umwälzten. Ein zu niedriger Wert. Das Übel für die schwache Leistung war schnell gefunden: viel zu klein dimensionierte Pumpen und zu viele Bögen im Leistungsnetz, die den Wasserfluss ausbremsten. „Der reine Austausch der alten Pumpen gegen stärkere hätte das Problem nicht beseitigt“, so Hoersen. Daher bauten die beiden das System um, indem sie nicht nur neue Pumpen installierten, sondern auch das gesamte Leitungsnetz optimierten. Heute fließt das Wasser ca. 2,2 mal pro Stunde (220%) im Kreis und pro Tag werden 450 l Wasser pro Kilogramm Futter durch Frischwasser ersetzt.
  • Es fehlte eine UV-Anlage, um das Wasser zu entkeimen. Diese haben die beiden nachgerüstet. Kosten: 9000 €.
  • Der Nitratgehalt im Wasser sollte einen Grenzwert von maximal 300 mg/l nicht überschreiten. „Andernfalls sind die Tiere nicht fit, fühlen sich nicht wohl und fressen weniger“, so Hoersen. Zwar war die gebrauchte Anlage mit einem Biofilter ausgerüstet. Der war allerdings viel zu klein. Die beiden bauten stattdessen einen größeren„Bewegt-Bett-Filter(Moving-Bed-Filter) ein. Auf diesem siedeln Bakterien, die giftiges Ammonium im Wasser zu ungiftigem Nitrat umwandeln (Nitrifikation).
  • Auf eine Denitrifikation haben die beiden verzichtet. Bei dieser wandeln Bakterien das Nitrat in atmosphärischen Stickstoff um. Würde Schnepel diese Technik einsetzen, könnte er den Frischwasserbedarf der Anlage von 450 l/kg Futter auf 250 l/kg Futter senken. Da er aber nur eine eher kleine Anlage betreibt und das Frischwasser kostenfrei aus einem Brunnen entnehmen kann, sparte er sich die Investition.
  • Auch in eine Abwasseraufbereitung brauchte er nicht investieren. Das Altwasser aus der Anlage pumpt er zunächst in einen alten Güllebhälter (400 m3), wo sich die festen Stoffe mit der Zeit auf dem Boden absetzen und die er auf seinen Feldern ausbringt. Mit der flüssigen Phase spült er die Trommelfilter in der Aquakulturanlage, reinigt seine Schweineställe damit oder nutzt es für den Pflanzenschutz. Insgesamt hat Schnepel nach dem Kauf noch einmal ca. 100000 € in die Anlage investiert. Vergleichsweise günstig war hingegen das Schlachthaus, das er in einem gebrauchten Überseecontainer untergebracht hat. Zusammen mit der Schlachtbank und einem automatischen Entschupper musste Schnepel dafür ca. 1300 € einkalkulieren.


Setzlinge aus dem Ausland


Viermal im Jahr muss Schnepel sich auf den Weg machen und Setzlinge kaufen. Pro Jahr benötigt er etwa 2500 Jungtiere. Diese sind rund vier bis fünf Monate alt, wiegen etwa 10 g. Preis: 0,8 bis 1,2 €/Tier (netto).


Die Versorgung mit den Jungfischen ist allerdings ein Knackpunkt. Da es derzeit nur wenige deutsche Züchter gibt, muss Schnepel die Tiere auch aus Belgien, Polen, Tschechien oder bspw. Frankreich ordern und sich selbst um den Transport kümmern. Dafür hat er sogar eigens einen Pkw-Anhänger mit Wassertanks und mit einer Sauerstoffanlage ausgerüstet. Da erst einmal nicht abzusehen ist, dass die Setzlingsproduktion in Deutschland wächst, könnte Schnepel sich langfristig vorstellen mit anderen Anlagenbetreibern eine Einkaufsgemeinschaft zu gründen. Eine eigene Reproduktion kommt für ihn hingegen nicht in Frage, dafür sei die Zucht von Zandern zu komplex und seine Anlage zu klein.


Die Setzlinge landen nach ihrer Ankunft in 22 bis 23°C warmem Wasser. Je nach Größe der Tiere tummeln sich 10 bis 80 kg Fisch/m3 in den Behältern. Ihr Futter erhalten die Fische in kleinen Mengen aus einem Automaten kontinuierlich über rund 20 Stunden pro Tag verteilt. Etwa einmal am Tag muss Schnepel dazu die Vorratsboxen mit einem sehr fischmehl- und fischölhaltigen Futter auffüllen (rund 1,90 €/kg, Rohproteinanteil ca. 50 bis 60%).


Je nach Endgewicht werden die Zander 12 bis 16 Monate alt und wiegen dann zwischen 800 bis 1200 g. Manche Kunden wünschen sich auch Schlachttiere mit einem Gewicht von 1,6 kg. Da die Futteraufnahme und die Futterverwertung mit steigendem Gewicht abnehmen, ist aus Sicht von Schnepel die Mast sehr schwerer Tiere aber wenig lukrativ. Er hat sich auch bewusst gegen ein Rein-Raus-Verfahren entschieden. Denn die Kundenwünsche sind – anders als in der Schweinemast – sehr individuell. Den meisten Fisch verkauft er lebend als Besatzfisch an Betreiber von Angelteichen. Allerdings benötigen diese oft nicht nur Zander, sondern auch Karpfen oder beispielsweise Forellen. Das Geschäft machen daher nur Aquakulturen, die eine breite Palette an Besatzfischen anbieten können. Unterstützung erhält Schnepel aber von Hoersen. Der betreut gleich mehrere Aquakulturen und kann so verschiedene Partien bündeln und bessere Konditionen erzielen. Über diesen Weg setzt er mittlerweile ca. 50 bis 60% seiner Produktion zu Preisen von 12 bis 14 €/Fisch (netto).


Zu seinen Kunden zählen auch Gastronomen aus der näheren Umgebung und Großhändler. Während Restaurantbetreiber im Schnitt pro Woche 20 bis 30 kg Zander abnehmen, bestellen Großkunden nicht selten bis zu 2 t auf einmal. Der Verkaufspreis pro Kilogramm lebenden Fisch liegt bei 11 bis 16 € netto, für Schlachttiere in der Direktvermarktung kann er 1 bis 2 € mehr verlangen. Für Filet ohne Haut erzielt er sogar bis zu 37,50 €/kg (netto).


Allerdings ist auch dieser Absatzweg mit einigen Hürden verbunden: „Das Gastronomie-Geschäft ist schwierig. Davon haben wir uns mehr versprochen.“ Bei den Einheimischen kommt der Fisch aus der Region gut an. Offensichtlich wählen aber gerade Touristen, die das Hauptgeschäft ausmachen, eher die preisgünstige Tiefkühlware.


Deutlich besser funktioniert der Verkauf ab Hof. Schnepel schlachtet etwa alle 14 Tage ca. 100 Tiere in seinem Schlachtraum. Die Termine verschickt er interessierten Kunden per Newsletter, sodass diese im Voraus bestellen können. Wenn der Absatz mal stockt, macht sich das zwar im Geldbeutel bemerkbar. Allerdings muss er anders als in der Schweinemast nicht mit Preisabzügen für ältere Tiere rechnen und kann sie also auch problemlos länger als üblich mästen.


Die Vorschriften für das Schlachten werden in den Bundesländern sehr unterschiedlich gehandhabt: Einige Länder, wie Niedersachsen, verlangen beispielsweise einen Sachkundenachweis, andere nicht. „Am besten man erkundigt sich beim Veterinäramt, wenn man seine Tiere selber schlachten möchte“, so Hoersen. Schnepels Aufwand hielt sich in Grenzen: Er musste einen 1,5-tägigen Kurs belegen, um den Sachkundenachweis zu erhalten. Kosten: 300 €.


Versand per Post schwierig


Schnepel hat auch versucht, den Fisch per Post zu verschicken, um sich neue Kundenkreise zu eröffnen. Das stellte sich jedoch als schwierig heraus. Teilweise kamen die mit Kühlakkus vollgepackten Pakete erst acht Tage nach dem Versand an. Und dann musste er feststellen, dass viele Paketdienste für verderbliche Ware keine Gewährleistung übernehmen. Daher hat er sich von diesem Absatzkanal verabschiedet.Derzeit schreibt Schnepel mit seiner Aquakultur eine schwarze Null. Das wird sich aber aus seiner Sicht ändern, wenn er mehr Fisch als Besatzfisch vermarkten kann. „Die Aquakultur ist kein Selbstläufer“, warnt Schnepel. Das hätten auch viele Biogaserzeuger feststellen müssen, die in der Vergangenheit in die Zanderaufzucht eingestiegen seien, um die Abwärme aus ihren Anlagen sinnvoll zu nutzen.


diethard.rolink@topagrar.com

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