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Freikauf, sonst Land weg: Die BVVG bittet zur Kasse

Lesezeit: 3 Minuten

Die Selbstbewirtschaftungsklausel der BVVG sollte spekulative Landkäufe verhindern – nun wird sie zur teuren Falle für ältere oder erkrankte Landwirte, wie Praxisfälle zeigen.


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Als Uwe Zschoche (Name geändert) im Jahr 2003 eine Grünlandfläche kaufte, war die Welt noch in Ordnung. Mit der Verkäuferin, der Bodenverwertungs- und -verwaltungs-GmbH (BVVG), wurde er als langjähriger Pächter schnell handelseinig. Die Bedingungen gab das Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetz (EALG) vor: Für 65% des Verkehrswertes, damals rund 1500 €/ha, wurde Zschoche Eigentümer.


Anschließend pachtete Zschoches GbR die Flächen, die seit 1992 rund 900 ha bewirtschaftet. Zwar ist es im Kaufvertrag nicht klar ausgedrückt, der Landwirt weiß aber, dass er die Fläche 15 Jahre selbst bewirtschaften muss. Für ihn eine sinnvolle BVVG-Regelung, um Spekulanten fernzuhalten. Sich selbst sieht er davon nicht betroffen.


Doch genau diese Regelung wird zur Falle, als der Landwirt im Jahr 2009 schwer krank wird, nicht mehr mitarbeiten kann und aus der GbR austritt.


Denn die BVVG sieht im Jahr 2018 die Selbstbewirtschaftung als nicht erfüllt an. Der Landwirt sei nicht mehr in der GbR, die Verpachtung zähle nicht. Sie wolle daher vom Kaufvertrag zurücktreten, es sei denn, Zschoche kaufe die Fläche „frei“. Der Preis: Die Differenz vom jetzigen Verkehrswert zum damals bezahlten vergünstigten Preis, für ihn weit über 100000 €.


Der schwerkranke Landwirt ist entsetzt: „Die Flächen bewirtschaftet ja nach wie vor die GbR und ich wäre auch gerne gesund und weiter dabei.“ Er beschließt, zu kämpfen.


Die BVVG reduziert daraufhin den Preis, aber die Schieflage bleibt: Für den Kauf hat Zschoche 1500 €/ha (65% des Verkehrswertes 2003) bezahlt, nun muss er zusätzlich über 7000 €/ha nachzahlen. Er fragt sich, weshalb er sich zum heutigen Verkehrswert freikaufen muss. Damals gab es zum Kauf 35% unter Verkehrswert mit Selbstbewirtschaftungsklausel keine Alternative.


Nun will Zschoche klagen. Denn weitere Betroffene in ähnlicher Lage setzten sich schon beim Landgericht Berlin durch. Die Richter entschieden:


  • In einem Fall wie bei Herrn Zschoche verbietet die Selbstbewirtschaftungsklausel nicht, aus der pachtenden Gesellschaft auszuscheiden und die Flächen verpachtet zu lassen.
  • Die Pflicht zur Selbstbewirtschaftung ist in den BVVG-Kaufverträgen nicht eindeutig genug geregelt. Der Hinweis auf die Flächenerwerbsverordnung (FlErwV) reicht nicht aus.
  • Weil die Klausel Teil vieler Kaufverträge ist, fällt sie unter AGB-Recht. Damit gilt: Unklarheiten im Vertrag gehen zulasten der BVVG.


Die BVVG selbst bewertet ihre Klauseln als eindeutig. Eine Erwerbsberechtigung sei nur dann gegeben, wenn ein unbeschränkt haftender Gesellschafter in einer Personengesellschaft die gepachteten Flächen selbst bewirtschaftet. Die Flächenerwerbsverordnung gebe die Selbstbwewirtschaftsklausel vor, so die BVVG.


Wie geht es weiter?


Ob Zschoche sein Geld zurückbekommt, ist unklar, denn die BVVG hat nun Berufung eingelegt. Insgesamt verwaltet sie nach eigenen Angaben rund 9000 EALG-Kaufverträge, die Regelungen zur Selbstbewirtschaftung beinhalten. Rechtsanwalt Franz-Christoph Michel aus Templin geht daher von vielen weiteren Fällen aus. Er rät allen Landwirten, die EALG-Kaufverträge haben:


  • Prüfen Sie, wann die 15 Jahre der Verpflichtung zur Selbstbewirtschaftung enden.
  • Wirtschaften Sie sicherheitshalber selbst, indem Sie z.B. in der pachtenden Gesellschaft bleiben.
  • Wer bereits Flächen freigekauft oder zurückgegeben hat, sollte umgehend die Rückzahlung der Summe oder die Rückgabe der Fläche verlangen. Sonst droht Verjährung, bevor ein rechtskräftiges Urteil vorliegt.
  • Stellt die BVVG Rückforderungen, verweigern Sie diese unter Verweis auf die Entscheidung des Landgerichts Berlin (Az.: 40 O 68/19).


gesa.harms@topagrar.com

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