Die Landwirte aus Bad Dürrheim im Schwarzwald sehen sich durch die Bauleitplanung der Stadt in ihrer Existenz bedroht. Juristisch dagegenzuhalten ist schwierig.
Muss eine Gemeinde mit einer Viehdichte von weniger als einer halben Großvieheinheit pro Hektar die Tierhaltung aktiv steuern? Die Stadt Bad Dürrheim findet: Ja. Schließlich müsse der Kurort seine Gäste vor Stallgeruch schützen.
Daher trat die Stadt 2011 mit der Idee einer Bauleitplanung an die Bürger heran. Das Merkwürdige: Sie wollte nur die Ostbaar überplanen. Dieses Gebiet östlich der Stadt beherbergt nicht die größten Betriebe im Gemeindegebiet und birgt beim vorherrschenden Westwind kaum Gefahrenpotenzial für die Frischluft in der Stadt. Womöglich sahen die Politiker die Bauleitplanung als einziges Mittel, um einen Stall-Neubau auf der Ostbaar zu verhindern, gegen den eine Bürgerinitiative Stimmung machte.
Und so fragte die Gemeinde die künftigen Entwicklungsabsichten der Landwirte ab, um ihnen entsprechende Baufenster einzurichten. Bei Fritz Manger (63), der mit seinen Neffen Jens (36) und Fabian (29) eine GbR betreibt, sah diese Abfrage wie folgt aus: Eine Mitarbeiterin eines Architekturbüros tauchte auf dem Betrieb auf und fragte, welche Bauten die drei Landwirte in Planung hätten. Diese hatten gerade einen neuen Stall für 120 Kühe gebaut. Dafür war das Trio extra ausgesiedelt und hatte den Standort so gewählt, dass es den Stall künftig noch einmal verdoppeln kann. Doch das Baufenster, das ihnen die Stadt zugestehen will, erlaubt nur noch eine Vergrößerung um 60 Kühe – und das auch nur vom Platz her. Denn zusätzlich hat die Stadt jedes Baufenster mit einer Maximalzahl sogenannter „Geruchseinheiten“ belegt. Wie viele Kühe oder Schweine hinter diesen Einheiten stehen, erschließt sich bislang weder den Landwirten noch dem Badischen Landwirtschaftlichen Hauptverband (BLHV). Beim BLHV geht man jedoch davon aus, dass die möglichen Entwicklungsschritte dadurch noch wesentlich kleiner ausfallen.
Glaskugel nötig.
Ein weiteres Problem: Theoretisch müssten die Landwirte auch alle Bauvorhaben zukünftiger Generationen vorhersehen und angeben, damit die Gemeinde dafür Baufenster einrichtet. Weil das unmöglich ist, werden die Nachfolger wohl vollständig dem Willen der Gemeinde unterworfen sein.Familie Bürk könnte die Folgen der Planung noch schneller zu spüren bekommen. Denn ihrem Betrieb im Dorf Biesingen mit 400 Mastschweinen im geschlossenen System will die Stadt gar kein Baufenster zuerkennen. Die Begründung: Betriebe in Dorflage würden ohnehin auslaufen. Ehepaar Bürk wollte den Betrieb hingegen so aufstellen, dass ihre Kinder ihn einmal übernehmen können. Die Söhne Johannes (12) und Patrick (8) haben sogar bereits Interesse bekundet. Doch mit 400 Mastplätzen wird es schwer werden, mit dem Betrieb langfristig eine Familie zu ernähren.
Wegen Fällen wie diesen bringt sich der BLHV bei der Öffentlichkeitsbeteiligung ein und wirkt auf eine Einstellung des Planungsverfahrens hin. Der Verband erarbeitete eine Stellungnahme zusammen mit jener Anwaltskanzlei, die schon die Bauleitplanung im emsländischen Meppen zu Fall gebracht hatte.
Das Hauptargument: Die Planung bringe der Stadt keine Geruchsentlastung. Zudem seien die Baufenster für die Landwirte sehr restriktiv gewählt. Beides belege, dass die Stadt mit der Planung in Wirklichkeit Stallbauten verhindern will. Eine solche „Verhinderungsplanung“ ist nicht rechtmäßig.
Macht die Stadt dennoch ernst, bleibt wohl nur der Schritt vor den Verwaltungsgerichtshof, erklärt BLHV-Bezirksgeschäftsführer Oliver Maier. Weil im Baurecht keine Verbandsklage vorgesehen sei, müssten einzelne Landwirte gegen die Bauleitplanung klagen. Der BLHV will sie dabei beratend unterstützen, weiß aber auch: „Für einen Einzelbetrieb ist so ein Gerichtsverfahren schwer zu stemmen“, sagt Maier. -cm-