Einloggen / Registrieren

Startseite

Schlagzeilen
Messen & Termine
Themen
Wir für Euch
Sonstiges

Stilllegung 2024 Agrardiesel-Debatte Bürokratieabbau

Aus dem Heft

Heiß auf Hektar

Lesezeit: 9 Minuten

Bauernland in Bauernhand – dafür steht das Grundstückverkehrsgesetz. Eigentlich. Doch immer öfter booten Nichtlandwirte beim Flächenkauf die Bauern aus. Wo gibt es Probleme?


Das Wichtigste aus Agrarwirtschaft und -politik montags und donnerstags per Mail!

Mit Eintragung zum Newsletter stimme ich der Nutzung meiner E-Mail-Adresse im Rahmen des gewählten Newsletters und zugehörigen Angeboten gemäß der AGBs und den Datenschutzhinweisen zu.

Ob Großinvestoren, Euroskeptiker, Hobbypferdehalter oder Naturschutzverbände – auf dem Bodenmarkt sind die Landwirte längst nicht mehr unter sich.


Dabei ist die landwirtschaftliche Fläche schon lange gesetzlich gegen den Ausverkauf geschützt: Verkäufe an Nichtlandwirte dürfen nicht genehmigt werden, wenn es kaufwillige und kaufbereite Landwirte gibt. Auch darf der Kaufpreis keine astronomischen Höhen er­reichen. Das regelt das Grundstück-verkehrs- (GrdstVG) bzw. Reichssiedlungsgesetz. Obwohl die Verfahren in vielen Regionen gut funktionieren, verhindern die Gesetze aber nicht, dass die Zahl der außerlandwirtschaftlichen Bodenkäufer zunimmt. Das zeigt auch die Zahl der auf Ausübung des Vorkaufsrechts geprüften Landkaufverträge: Sie hat sich bundesweit von rund 400 Fällen in 2009 auf rund 800 im Jahr 2011 (siehe Übersicht Seite 50) verdoppelt. Wir haben uns deshalb in der Praxis umgehört: Was läuft schief bei der Regulierung des landwirtschaftlichen Grundstückverkehrs? Wo gibt es Probleme?


Je nach Bundesland greift das Grundstückverkehrsgesetz bei Acker- und Grünland erst ab bestimmten Größen (s. Übersicht 1). Eigentümer in Bayern können z.B. bis 2 ha genehmigungsfrei veräußern. „Gesplittete Veräußerungen“, um in kleinen Häppchen an Nichtlandwirte zu verkaufen, sind in den meisten Bundesländern nicht erlaubt. Fraglich ist allerdings, ob die Behörde für jeden Eigentümer mitrechnet.


Genehmigungsfrei sind auch Flächenkäufe von Bund, Ländern oder der Kirche. Kommunen kaufen genehmigungsfrei, wenn die Grundstücke im Geltungsbereich eines Bebauungsplanes liegen und dort nicht mehr ausdrücklich als landwirtschaftlich ausgewiesen sind, z.B. Bauplätze und Ausgleichsflächen.


Verkäufe der Bodenverwertungs- und verwaltungs GmbH (BVVG) hat der Bundesgerichtshof jedoch im Jahr 2009 genehmigungspflichtig gemacht.


Was die wenigsten wissen: Ein Vorkaufsrecht kann es nur geben, wenn die zuständige Genehmigungsbehörde den Kaufvertrag nicht genehmigt, z.B. weil der Käufer Nichtlandwirt ist. Wird der Kaufvertrag jedoch durchgewunken, sind kaufwillige Landwirte und Landgesellschaften machtlos. Denn die Entscheidung der Behörde ist für erwerbsinteressierte Landwirte, die nicht direkt am Kaufgeschäft beteiligt waren, rechtlich nicht überprüfbar (siehe Kasten rechts).


Für Rechtsanwalt Josef Deuringer aus Augsburg ist das ein Hauptkritikpunkt am Grundstückverkehrsgesetz: „Dass die verwaltungsrechtliche Entscheidung für landwirtschaftliche Kaufinteressenten keiner gerichtlichen Prüfung zugänglich sein soll, lässt sich mit dem Rechtsstaatgebot nur schwer vereinbaren“, so seine Meinung.


In der Tat sorgt die beschränkte Überprüfbarkeit für Spielraum: Auch wenn das Grundstückverkehrsgesetz eine Prüfung durchaus hergegeben hätte, kann „folgenlos“ genehmigt werden. Roland Schweizer von der bbv-LandSiedlung aus Bayern dazu: „Teilweise bauen außerlandwirtschaftliche Käufer über ihre Rechtsanwälte eine derartige Drohkulisse auf, dass die Mitarbeiter im Amt regelrecht einknicken und aus Angst vor Gerichtsverfahren den Verkauf an den Nichtlandwirt lieber genehmigen.“


Auch arbeitet die Zeit für denjenigen, der als erster den Kaufvertrag abschließt: Lässt die Behörde die Frist für die Nichtgenehmigung verstreichen, gilt der Kaufvertrag automatisch als genehmigt. Auffällig ist, dass es Landkreise gibt, die immer viele Kaufverträge „herausfischen“ und an die Landgesellschaften weiterreichen, während aus anderen kaum etwas kommt. Um diese Vollzugsdefizite bei den Behörden zu beheben, bieten Landgesellschaften vor Ort teilweise bereits Seminare für die Behörden-Mitarbeiter an. Wie sehr es auf sie ankommt, zeigt ein Praxisfall:


5 ha gehen an Nichtlandwirt:

Möbelfabrikant Reich wohnt in der Stadt und besitzt in Adorf seit 4 Jahren 90 ha Wald mit einem selten bewohnten Einfamilienhaus. Dann kauft Reich auch noch zwei Ackerflächen. Landwirt Meier ist entsetzt: Er wäre auch gerne eingestiegen, erfährt aber zu spät vom Grundstücksverkauf. Nun spekuliert er darauf, dass der Verkauf an den Nichtlandwirt Reich nicht genehmigt wird. Er informiert Bauernverband und Landgesellschaft über seine Kaufbereit­schaft, um später per Vorkaufsrecht einsteigen zu können. Über Umwege erfährt er, dass die Frist für die Nichtgenehmigung abgelaufen ist. Bitter für ihn: Er hat keine Handhabe, die Behördenentscheidung zu überprüfen. Die Flächen gehören Reich.


Nur jeder vierte Kaufvertrag, der wegen Nichtgenehmigung bei der Landgesellschaft landet, führt tatsächlich zum Verkauf an einen Landwirt: Im Jahr 2011 waren es 241 von 801 bemängelten Fällen. Oft scheitert eine Ausübung des Vorkaufsrechts an speziellen Regelungen im Kaufvertrag, die ja auch für den Vorkaufsberechtigten (und später dann für den erwerbswilligen Landwirt) bindend sind. Oder die Kaufpreise sind für Landwirte nicht mehr erschwinglich. Es findet sich dann schlichtweg kein kaufwilliger Landwirt mehr.


Hinzu kommt, dass der Umweg über das Vorkaufsrecht die Flächen um 10 bis 15 % verteuert. Denn es fällt zweimal Grunderwerbsteuer an: Einmal, wenn die Landgesellschaft das Vorkaufsrecht ausübt, und ein zweites Mal, wenn sie an den Landwirt verkauft. Dazu kommen Gebühren der Landgesellschaften, Notar- und Zwischenfinanzierungskosten. In Bayern versucht die Landgesellschaft daher, eine Einigung zwischen Verkäufer und kaufwilligem Landwirt außerhalb des Vorkaufsrechts herbeizuführen.


Damit lassen sich die zweite Grund­erwerbsteuer und Zwischenfinanzierungskosten sparen. Dies geht allerdings nur, wenn der Erstkäufer damit ein­verstanden ist und bei der Aufhebung des Erstvertrages vor Ausübung des Vorkaufsrechtes mitwirkt. Diese Ein­-sicht bringen jedoch nur wenig Erst­käufer auf, und außerdem laufen sehr kurze Fristen.


Oft wird der Landkaufvertrag aufgrund des Grundstückverkehrsgesetzes nicht genehmigt, weil der Käufer „Nichtlandwirt“ ist bzw. eine ungesunde Verteilung von Grund und Boden droht. Steht dann ein kaufwilliger bzw. -fähiger Landwirt bereit, kann die Landgesellschaft für diesen das Vorkaufsrecht ausüben.


Das Problem für die Behörde: Nur leistungsfähige Voll- und Nebenerwerbslandwirte gelten per se als Landwirt. Danach gibt es aufgrund unterschiedlicher Gerichtsentscheidungen fließende Grenzen: Wie sind z. B. landwirtschaftliche Existenzgründer, Pferdepensionen, Weihnachtsbaum-Anbauer oder Naturschutzverbände einzuordnen? Teilweise müssen die Nichtlandwirte detaillierte Betriebskonzepte vorlegen, Landwirtschaftskammern, -ämter und Bauernverbände helfen mit Stellungnahmen. Manchmal werden Behördenentscheidungen zugunsten von Landwirten sogar wieder von Gerichten korrigiert: So haben sich auch schon landwirtschaftlich aktive Naturschutzverbände oder Windenergieanlagenbetreiber gegenüber Landwirten durchgesetzt. Auch einer Gesellschaft, die „nur“ das Land für einen angegliederten landwirtschaftlichen Betrieb zur Verfügung stellt, haben Gerichte beim Landkauf schon grünes Licht erteilt, obwohl es auch interessierte Einzel-Landwirte gab. Allerdings orientieren sich die Urteile stark am Einzelfall. Allenfalls erkennbar ist eine Tendenz: Eine „gesunde Verteilung von Grund und Boden“, heißt nicht mehr zwingend, dass nur Voll- oder Nebenerwerbsbetriebe Acker- und Grünland kaufen dürfen.


Frust kommt auch auf, wenn noch nicht einmal die aktuellen Pächter etwas vom Verkauf mitbekommen. So wie bei einem niedersächsischen Landwirt, der seit Jahrzehnten eine Fläche bewirtschaftet hatte. Er erhielt einfach einen lapidaren Brief vom neuen Eigentümer. Inhalt: Bitte überweisen Sie die Pacht ab sofort auf das folgende Konto... Dabei hätte er die Fläche selbst auch gerne gekauft. Das Ende vom Lied: Neuer Eigentümer ist eine Firma, die Behörde hat schon genehmigt, der Landwirt hat keine Chance mehr.


Landwirtschaftliche Käufer vorab zu informieren, ist aber nicht vorgeschrieben. Allerdings gibt es vorbildliche Ansätze: So informieren in manchen Regionen das Amtsblatt, die Landgesellschaften, der Ortslandwirt oder der Bauernverband über zu verkaufende Grundstücke.


Damit Boden nicht zum Spekulationsobjekt wird und Nichtlandwirte einfach über Höchstpreise einsteigen, gibt es eine durch die Rechtsprechung gebildete Preisobergrenze von 150 % des „innerlandwirtschaftlichen Verkehrswertes“. Steht im Kaufvertrag ein höherer Preis, kann die Behörde die Genehmigung wegen grobem Missverhältnis von Kaufpreis und Grundstückswert versagen. Die Haken dieser Regelung:


  • Auch bei „nur“ 149 % des ortsüblichen Preises halten Landwirte meist nicht mehr mit.
  • Was genau ist der innerlandwirtschaftliche Verkehrswert? Gerade in den neuen Ländern gibt es darüber oft Streit, so Rechtsanwalt Franz-Christoph Michel aus Templin: „Die BVVG nimmt gerne ihre eigenen, ständig steigenden Verkaufspreise als ortsüblichen Preise an, was die Marktlage in vielen Fällen nicht abbildet.“


Das macht es schwierig für Landwirte, im Bieterverfahren der BVVG den „richtigen“ Preis zu treffen, wie auch ein Urteil zeigt: Die BVVG verkaufte Flächen an einen Nichtlandwirt – nach Meinung der Behörde zu einem zu hohen Preis. Sie genehmigte also nicht. Dagegen klagte der Nichtlandwirt – und gewann. Die Richter argumentierten, dass die Gebote der Landwirte gar nicht so weit vom Höchstgebot entfernt lägen und auf jeden Fall über dem ortsüblichen Durchschnitt.


Dazu kommt: Viele Experten halten 150 % des ortsüblichen Preises als Grenze ohnehin für zu hoch. Ein Beispiel: Statt der ortsüblichen 15 000 € dürfte ein Hektar bis zu 22 500 € kosten, bevor die Behörde aufgrund des Preises den Verkauf stoppen könnte. Doch schon bei 120 % können Landwirte in vielen Fällen nicht mehr mitbieten.


Die Grenzen des Grundstückverkehrsgesetzes sind erreicht, wenn es um den Kauf von Gesellschaftsanteilen geht – Kapitalanleger können sich auf diesem Wege frei an bestehenden landwirtschaftlichen Betrieben beteiligen. Dieser Einstieg in die Landwirtschaft ist Investoren derzeit nicht zu verwehren.


Anders als Viele denken, liegt das Vorkaufsrecht nicht bei den Landwirten, sondern bei der Landgesellschaft. Sie wird es aber nur ausüben, wenn es genau zum Verkaufszeitpunkt einen Landwirt gibt, der 1 : 1 in den Kaufvertrag einsteigt. Gibt es aktuell keinen, bleibt es beim ursprünglichen Käufer. Nur in Baden-Württemberg ist die Landgesellschaft einem Landwirt gleichgestellt und muss erst binnen 10 Jahren weiter an Landwirte verkaufen – das Land nutzt in seinem Agrarstrukturverbesserungsgesetz bereits die Gestaltungsfreiheit der Länder bezüglich des Grundstückverkehrsgesetzes.


Erklärt sich ein Landwirt bereit, per Vorkaufsrecht in den Kaufvertrag einzusteigen, bekommt er die Fläche nicht unbedingt. Denn in der Praxis könnte es auch mehrere erwerbswillige und -fähige Landwirte geben. Auch für diesen Fall gibt es keine rechtlichen Vorgaben.


Was Landwirte tun können:

Wichtig für den Bodenmarkt vor Ort ist, dass Sie als kaufwilliger Landwirt dort im Vorfeld wachsam sind. Denn nachträglich einsteigen per GrdstVG kann kompliziert und teuer werden. Das könnte heißen:


  • Erkundigen Sie sich vor Ort, wer die Grundstückverkehrsbehörde ist, und klären Sie dort über Ihr Kaufinteresse bzw. das GrdstVG auf. Dann liegt es für die Behörde vielleicht näher, den nächsten Verkauf an einen Nichtlandwirt kritisch zu betrachten.
  • Hier helfen in manchen Bundesländern auch die Landgesellschaften: Sie organisieren Weiterbildungsveranstaltungen für Behördenmitarbeiter.
  • Informieren Sie örtliche Politiker und Bauernverbände sofort, wenn Sie von Flächenverkäufen an Nichtlandwirte hören. Vielleicht lässt sich bei der Behörde noch etwas bewirken.

Die Redaktion empfiehlt

top + Letzte Chance: Nur noch bis zum 01.04.24

3 Monate top agrar Digital + 2 Wintermützen GRATIS

Wie zufrieden sind Sie mit topagrar.com?

Was können wir noch verbessern?

Weitere Informationen zur Verarbeitung Ihrer Daten finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.

Vielen Dank für Ihr Feedback!

Wir arbeiten stetig daran, Ihre Erfahrung mit topagrar.com zu verbessern. Dazu ist Ihre Meinung für uns unverzichtbar.