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Hingehen zur „Wir haben es satt“-Demo?

Lesezeit: 6 Minuten

Darum geht’s: Auf die bundesweiten Bauernproteste im Herbst folgt am 18. Januar 2020 parallel zur Grünen Woche in Berlin die 10. „Wir haben es satt“-Demonstration. Hinter den Organisatoren steht ein Bündnis aus Bauern, Umwelt-, Natur-, Tier- und Verbraucherschützern. Wir haben zwei Berufskollegen gefragt, was sie von der Demo halten.


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Auch 2020 werde ich mich wieder mit dem Trecker auf den Weg nach Berlin machen, um am 18. Januar erneut an der Demo „Wir haben Agrarindustrie satt!“ teilzunehmen. Der Grund: die Agrarpolitik muss sich dringend ändern. Die Landwirtschaftsministerinnen und Minister Aigner, Schmidt und jetzt Klöckner haben die Profitinteressen der Ernährungs- und Agrarindustrie über die Belange von uns Bauern gestellt. Wir Landwirte sollen die Rolle von Rohstoff-Lieferanten zu möglichst geringen Preisen ausfüllen. Kostenführerschaft und Spezialisierung sind die Zauberwörter. Produzieren für scheinbar freie Märkte lautet das verlockende Angebot. Die Kehrseite dieser Politik ist, dass wir den Großteil der Betriebe und damit unsere Kollegen in unseren Dörfern verlieren.


Die Branche, ganz besonders aber die Agrarpolitik der Bundesregierung hat es bisher nicht geschafft, überzeugende Antworten auf die zunehmenden Fragen und Anliegen der Bevölkerung nach Umweltschutz, artenreichen Landschaften und hohem Tierwohlniveau zu geben. Im Gegenteil: Wir erleben gerade eine neue Stufe der öffentlichen Konfrontation. Was wir aber brauchen, sind konstruktive Lösungen.


Auch „Wir haben Agrarindustrie satt!“ hat keine Patentrezepte. Damit sind Demos überfordert. Trotzdem finde ich diese Veranstaltung für eine zukunftsgerichtete Agrarpolitik immens wichtig. Sie bringt die verschiedenen, teilweise gegensätzlichen Interessen, zusammen. Hier redet man miteinander statt übereinander. Diese Widersprüche auszuhalten, ist nicht immer einfach. Ich bin Milchviehhalter und will es bleiben! Ich akzeptiere, wenn Menschen vegan leben. Aber landwirtschaftlich und agrarpolitisch halte ich einen Verzicht auf Tierhaltung für falsch. Trotzdem gibt es mit vernünftigen Veganern das gemeinsame Interesse, die Nutztierhaltung möglichst artgerecht zu organisieren. Dass Fleisch aus artgerechter Haltung mehr kostet, ist klar. Wer bezahlt das? Wie regeln wir, dass der Umbau der Tierhaltung nicht auf Kosten von uns Bauern durchgedrückt wird?


Die gleichen Fragen stellen sich bei Arten-, Klima- und Wasserschutz. Diese Verhandlungen sind originäre Aufgaben der demokratisch legitimierten Bundesregierung. Aber bisher versagt sie sich dieser Pflicht. Bei den Veranstaltern der Demo gibt es den klaren Konsens, dass die Verantwortung aller anstehenden Veränderungen nicht alleine bei uns Bauern liegen kann, sondern dass es sich um eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe handelt, die auch von allen bezahlt werden muss.


Ja, Teile unserer heutigen landwirtschaftlichen Praxis werden sich stark verändern müssen, in der Tierhaltung und im Ackerbau. Davon bin ich überzeugt. Da mag ich mich von einigen Berufskollegen unterscheiden. Bei allen geforderten und erforderlichen Veränderungen ist für mich aber zentral, dass damit nicht noch mehr bäuerliche Betriebe zum Aufgeben gedrängt werden, sondern dass möglichst viele Kollegen wirtschaftlich tragfähige sowie von der Gesellschaft unterstützte Perspektiven für ihre Betriebe und Familien erhalten.


Der Schutz unserer Umwelt und der Erhalt aller landwirtschaftlichen Betriebe sind für mich kein Widerspruch – sie bedingen einander. Für solche kon- struktiven Lösungswege trete ich ein. Dafür bin ich in der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) und halte es für richtig, dass diese ein wichtiger Träger der Demo ist.


I ch finde es gut, dass sich mehr und mehr Landwirte und Landwirtinnen engagieren. Vor allem bei den Bauerndemos am 22. Oktober 2019 haben wir gezeigt, dass Landwirte, egal ob Tierhalter oder Ackerbauern zusammenhalten können und wir alle letztlich die gleichen Interessen in unserem Berufsstand haben: Wir machen unsere Arbeit tagtäglich nach bester fachlicher Praxis und fordern, dass das auch anerkannt wird. Ein ähnliches Ziel verfolgt auch die „Wir haben es satt“-Demo am 18. Januar in Berlin auf den ersten Blick: Wertschätzung unserer Arbeit, faire Preise, Artenvielfalt. Doch der Tenor beruht auf der Sichtweise, dass wir alle eine Umstellung auf ökologische, kleinbäuerliche Landwirtschaft wünschen. Ich bin nicht der Meinung, dass das die Zukunftsvision aller Betriebe ist. Daher werden ich und mein Trecker nicht an der Demo in Berlin teilnehmen.


Die Demo-Organisatoren fordern faire Preise, auch für Kleinstbauern in Entwicklungsländern. Ich denke, wir sollten zunächst anfangen, gleiche und faire Bedingungen innerhalb der EU zu fordern. Gerade beim Thema Stallbau entwickeln sich die Anforderungen und finanziellen Unterstützungen enorm auseinander und das innerhalb einer Staatengemeinschaft. Dass Landwirtschaft wieder ein lukrativerer Beruf werden muss, mit dem Argument gehe ich einher. Jedoch denke ich nicht, dass eine Ausrichtung aller Betriebe auf ökologische Tierhaltung sinnvoll ist.


Die Vielfalt der Betriebsstrukturen macht doch unsere Landwirtschaft vor Ort aus. Auch wenn es aktuell den Anschein macht – nicht alle Verbraucher wollen Fleisch und Milch aus besonders artgerechter oder gar ökologischer Tierhaltung. Auch weiterhin wird es ein starkes Segment geben, dass konventionell produzierte Lebensmittel aus Intensivtierhaltungsanlagen kauft. Hier regelt letztlich der Markt das Geschehen, die Politik kann nur Weichen stellen. Genauso kann eine systematische Reduzierung des Pflanzenschutzeinsatzes nicht die einzige Lösung sein. Eine Reduzierung, da, wo es sinnvoll ist, ja. Ackerbau und Tierhaltung bleiben immer ein Eingriff in die Natur, wir können nur daran arbeiten, uns beim Arten- und Klimaschutz zu verbessern.


Statt die „Wir haben es satt“-Demo zu unterstützen, halte ich es daher für sinnvoller, auf die Menschen bei uns vor Ort zuzugehen oder auf den Erlebnisbauernhof auf der Grünen Woche, die gleichzeitig in Berlin stattfindet. Denn ich denke, dass wir Landwirte in unserem Tun oft unverstanden sind.


Ich bin gut darin, unsere Form der Tierhaltung und des Ackerbaus zuhause auf meinem Betrieb, den Menschen zu erklären. Die Erfahrung zeigt mir, dass Hofführungen meine Arbeitsmotivation immer wieder gestärkt haben. Wenn ich den Menschen ehrlich erkläre, wie wir arbeiten und was wir bereits für den Umweltschutz tun, gab es immer zu 100% positive Rückmeldungen. Leider erreichen wir auf unseren Höfen nicht jeden. Daher fahre ich mit meinem Trecker zu Veranstaltungen bei uns vor Ort. Dort versuchen sowohl ökologische, als auch konventionelle Betriebe Seite an Seite, die Landwirtschaft den Menschen näher zu bringen. Auf diesen Veranstaltungen ergibt sich häufig die Gelegenheit mit lokalen Politikern zu reden. Sie können sich in Berlin für uns einsetzen und unsere Anliegen direkt an die richtige Stelle tragen. Das macht für mich einen besseren Eindruck, als vor den Türen des Ministeriums lautstark zu Protest aufzurufen.


stefanie.awater@topagrar.com

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