Einloggen / Registrieren

Startseite

Schlagzeilen
Messen & Termine
Themen
Wir für Euch
Heftarchiv
Sonstiges

Bürokratieabbau Agrarantrag 2024 Maisaussaat Erster Schnitt 2024

topplus Aus dem Heft

Hofübernahme: Erst die Zahlen prüfen!

Lesezeit: 6 Minuten

Wer einen Betrieb übernimmt, sollte schon vor der Übergabe die wichtigsten Kennzahlen checken. Nur so lernen Sie das Potenzial Ihres Hofes kennen.


Das Wichtigste aus Agrarwirtschaft und -politik montags und donnerstags per Mail!

Mit Eintragung zum Newsletter stimme ich der Nutzung meiner E-Mail-Adresse im Rahmen des gewählten Newsletters und zugehörigen Angeboten gemäß der AGBs und den Datenschutzhinweisen zu.

Der Landwirt Hendrik Böhling aus dem Sauerland und die Landwirtin Greta Schröter aus der Eifel sind beide gut 30 Jahre alt und potenzielle Hofnachfolger. Beide möchten im Jahr 2022 den elterlichen Betrieb übernehmen, beides Milchviehbetriebe mit ca. 110 Milchkühen.


Die Voraussetzungen zur Übernahme sind dennoch ganz unterschiedlich: Der Betrieb Schröter ist wirtschaftlich gesund, Vater und Tochter arbeiten seit Jahren vertrauensvoll Hand in Hand. Böhling dagegen ist nach Investitionen in Boxenlaufstall bzw. Siloplatte und nach den Preiskrisen der vergangenen Jahre in finanzielle Schieflage geraten, er musste sogar Land verkaufen. Das größte Problem: Der Junior weiß nichts davon. Fragt er mal nach, weicht der Vater aus und verweigert den Blick in die Bilanzen. „Damit kannst Du Dich später noch beschäftigen“ vertröstet er den Sohn dann.


Die wichtigsten Kennzahlen


So wie bei Böhling passiert es immer wieder: Wer den Hof dann „blind“ übernimmt, hat kaum Entwicklungsmöglichkeiten und muss sich stattdessen jahrelang abrackern, um den Betrieb vielleicht wieder ins Plus zu bringen. Manchmal hat der Nachfolger schon keine Chance mehr und muss spätestens im mittleren Alter aufgeben.


Übergeber und Übernehmer sollten sich deshalb frühzeitig vor der Übergabe einen Überblick über den wirtschaftlichen Zustand des Betriebes verschaffen. Der Nachfolger sollte wissen, welches Entwicklungspotenzial der Betrieb hat. Schließlich übernimmt er mit seiner Unterschrift unter den Übergabevertrag sämtliche Rechte und Pflichten des Betriebes und steht dafür gerade.


Dabei geht es darum, die Bilanzen der letzten Jahre zu beurteilen. Schon anhand weniger Kennzahlen können Übernehmer und Übergeber erkennen, ob ein Betrieb auf solidem finanziellen Fundament steht oder nicht. Im Einzelnen geht es um folgende Kennzahlen:


  • Ordentliches Ergebnis: Das ist der Gewinn oder Verlust, den der Betrieb (nach Bereinigung um zeitraumfremde Aufwendungen und Erträge) aus dem operativen Geschäft bezieht. Bei einer Betriebsgröße wie im Fall Schröter und Böhling könnte der Gewinn in der Spitze bei ca. 130000 € liegen, mindestens aber bei 90000 € bis 100000 €.9


  • Unternehmergewinn: Das ist die Entlohnung für das unternehmerische Risiko, nach Entlohnung von Arbeit, Boden und Kapital. Je nach den Annahmen für Lohn-, Zins- und Pachtansatz kann der Unternehmergewinn für ein und denselben Betrieb ganz unterschiedlich ausfallen, auf jeden Fall sollte er über Null liegen.10


  • Bereinigte Eigenkapitalbildung: Dies ist der Betrag, der einem Betrieb zur Verfügung steht, um finanzielle Substanz, also Eigenkapital, aufzubauen. Je nach Betrieb sind die absoluten Beträge ganz unterschiedlich. Der Wert sollte aber im Schnitt immer positiv sein. So beträgt die Eigenkapitalbildung z.B. im Fall des Michviehbetriebes Schröter immerhin 10000 € im Jahr.11


  • Eigen- und Fremdkapitalanteil: Dieser Wert zeigt, wie hoch der Verschuldungsgrad ist, also wie viel Prozent von jedem Ziegelstein und jeder Schraube dem Unternehmer und wie viel seinen Gläubigern gehört. Auch hier sind die Unterschiede unter guten Betrieben groß. Fremdkapital-Anteile von 70% und mehr sollten Sie aber unbedingt kritisch hinterfragen.12


  • Cash Flow III: Der Wert zeigt, welchen Geldüberschuss der Betrieb für Investitionen liefert, wenn alle privaten und betrieblichen Ausgaben einschließlich Tilgung bezahlt sind. Um eine Weiterentwicklung zu ermöglichen, muss der Cash Flow im Schnitt in einem guten positiven Bereich liegen, bei Milchviehbetrieben möglichst bei ca. drei bis fünf Cent pro kg Milch.13


Unterschiedliche Betriebe


Zurück zu den zwei Beispielen: Der Betrieb Böhling erzielt seit Jahren keine Gewinne mehr, erst recht keinen Unternehmergewinn. Der Fremdkapitalanteil ist bis auf 90% gestiegen, konkret hat der Betrieb 1,4 Mio. € Fremdkapital, davon 120000 € Händler- bzw. Kontokorrentkredite. Und mit einem Cash-Flow von -110000 €/Jahr muss der Betrieb Jahr für Jahr 110000 € nachfinanzieren und rutscht immer weiter in die Fremdfinanzierung, statt Geld für neue Investitionen zu haben. ▶


Ganz anders bei Landwirtin Schröter: Mit einem Gewinn von 120000 € pro Jahr, einem jährlichen Cash-Flow von 40000 € und einer positiven Eigenkapitalentwicklung ist sie im grünen Bereich. Der Betrieb erzielt sogar einen Unternehmergewinn von immerhin 10000 €, eine Entlohnung für das unternehmerische Risiko. Und mit 30% ist der Verschuldungsgrad überschaubar.


Auch wenn die Betriebe von Größe und Struktur her ähnlich sind, die Zahlen zeigen, dass die Zukunftsperspektiven kaum unterschiedlicher sein könnten:


  • Der Betrieb Böhling ist akut existenzgefährdet, so dass auch ein fähiger Nachfolger den Betrieb in den nächsten Jahren nicht in den grünen Bereich führen kann.
  • Der Betrieb Schröter dagegen läuft recht stabil, so dass die Hofnachfolgerin alle Möglichkeiten hat, den Betrieb in Zukunft gut weiterzuentwickeln.


Wenn der Übergeber mauert


Wer es genauer wissen will, sollte mit einer Planungsrechnung die Potenziale seines Betriebes ausloten. Es gilt herauszufinden, welche wirtschaftlichen Ergebnisse der Betrieb unter Berücksichtigung seiner individuellen Leistungen, Vermarktungs- und Kostenstrukturen im Schnitt der nächsten Jahre erzielen könnte. Wie das funktioniert, lesen Sie in top agrar 11/2019 ab Seite 38. Wichtig ist dabei auch ein detaillierter Blick in die Fremdkapitalstruktur. Nur so bekommt der Hofnachfolger einen tatsächlichen Überblick über die langfristige ökonomische Perspektive.


Weigert sich der Übergeber, Buchführung und Kreditverträge offenzulegen, ist das ein klares Warnsignal. Spätestens dann muss der Hofnachfolger darauf bestehen, Einsicht nehmen zu können. Kommt er selbst nicht weiter, sollte er unbedingt Beratung in Anspruch nehmen. Auf keinen Fall reicht es, den betrieblichen Alltag gut zu kennen. Große Projekte und ein umfangreicher Maschinenpark sind ebenfalls nicht automatisch Indiz für den Gesundheitszustand des Betriebes.


Und auch wenn der Betrieb läuft – der Nachfolger sollte unbedingt prüfen, inwieweit er mit dem Hof der Eltern seine ganz persönlichen Ziele und seine unternehmerischen Strategien umsetzen kann. Denn eine grundlegende strategische Änderung eines bestehenden Betriebes ist oftmals nicht möglich.


Eltern, die es zu gut meinen


Schwierig wird es auch, wenn die Eltern versuchen, dem Junior schon vor Übergabe „alle Möglichkeiten“ zu bieten. Sie bauen, z.B. während der Junior noch in der Ausbildung ist, schon den nächsten Maststall oder investieren in einen neuen Boxenlaufstall. Frei nach dem Motto: „Dann ist Junior schon mal auf dem richtigen Weg“.


Ist der Nachfolger ausführlich über die wirtschaftliche Situation informiert bzw. in die Entscheidung eingebunden und steht zu 100% dahinter, kann das funktionieren. Aber was, wenn der Junior den Betrieb lieber anders ausrichten wollte? Dann wird die gut gemeinte Investition zum Bumerang. Denn die neuen Gebäude sind oft Spezialimmobilien, die der Nachfolger nicht ohne Weiteres außerlandwirtschaftlich verwerten und umnutzen kann. Änderungen sind kaum mehr möglich.


Deshalb gilt: Investieren sollte am besten derjenige, der die Investitionen auch bewirtschaftet und zurückzahlen muss. Das ist der Hofnachfolger, der dann auch eigene Ideen einbringen und entscheiden kann.


anne.schulzevohren@topagrar.com


Unser Autor


Christian Solle, Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen, Münster

Die Redaktion empfiehlt

top + Das Abo, das sich rechnet: 3 Monate top agrar Digital für 9,90€

Unbegrenzter Zugang zu allen Artikeln, Preis- & Marktdaten uvm.

Wie zufrieden sind Sie mit topagrar.com?

Was können wir noch verbessern?

Weitere Informationen zur Verarbeitung Ihrer Daten finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.

Vielen Dank für Ihr Feedback!

Wir arbeiten stetig daran, Ihre Erfahrung mit topagrar.com zu verbessern. Dazu ist Ihre Meinung für uns unverzichtbar.