Einloggen / Registrieren

Startseite

Schlagzeilen
Messen & Termine
Themen
Wir für Euch
Sonstiges

Stilllegung 2024 Agrardiesel-Debatte Bürokratieabbau

topplus Aus dem Heft

Hunderte Hektar für sechs Minuten kürzere Autofahrt

Lesezeit: 4 Minuten

Der Bundesverkehrswegeplan spült Geld für neue Infrastruktur ins Land. Weil die alten Planungen vor Ort nicht mehr passen, wollen sich Landwirte in Nordrhein-Westfalen wehren.


Das Wichtigste aus Agrarwirtschaft und -politik montags und donnerstags per Mail!

Mit Eintragung zum Newsletter stimme ich der Nutzung meiner E-Mail-Adresse im Rahmen des gewählten Newsletters und zugehörigen Angeboten gemäß der AGBs und den Datenschutzhinweisen zu.

Wird die neue Bundesstraße 64n jetzt so gebaut wie kürzlich in der Zeitung dargestellt, verliert Familie Heseker ihren Hof im westfälischen Warendorf: „Die dreistreifige Bundesfernstraße führt direkt über unseren Stall“, so Isabel und Dr. Alfons Heseker, die im Nebenerwerb Pinz-gauer Mutterkühe halten. Von der neuen Planung erfuhren die Landwirte kürzlich aus der Zeitung. Zwar ist der Bau einer zweispurigen Umgehungsstraße schon seit den sechziger Jahren im Gespräch, die ursprüngliche Planung betraf den Betrieb aber nicht. Seit den 90iger Jahren ist eine dreispurige kreuzungsfreie Bundesfernstraße geplant. Und seit das Projekt in den Bundesverkehrswegeplan 2030 (BVWP) aufgenommen wurde, brandet die Diskussion um den Bau nun wieder auf.


Frisches Geld für alte Planung:

Nicht nur in Warendorf sorgt der neue BVWP mit seinen satten 260 Mrd. Euro für neuen Schub. Bundesweit bringt der Geldregen lang geplante Straßen-, Schienen- oder Kanalbauprojekte wieder auf die Tische. Während Kommunalpolitiker jubeln, sind Landwirte oft entsetzt. Auch der Betrieb Heseker ist wie 400 andere Betroffene deshalb in der „Bürgerinitiative Verkehrskonzept Warendorf“ (BI). „Uns geht es nicht darum, neue Infrastruktur zu verhindern, sondern um die Leichtigkeit, mit der Politiker Bedenken zum Flächenverbrauch und den Einbußen für die Landwirtschaft beiseite wischen,“ so Paul Afhüppe, Schweine- und Bullenmäster im Vollerwerb. Er ist Sprecher der landwirtschaftlichen Betroffenengemeinschaft. Einige Kritikpunkte sind:


  • Wer den BVWP 2030 umsetzt, kann das Ziel von max. 30 ha Flächenversiegelung täglich nicht einhalten.
  • Die Nutzen-Kosten-Analyse (NKA) ist wesentlicher Baustein bei der Aufnahme in den BVWP. Sie berücksichtigt aber in der Regel die Belange der Landwirtschaft nicht, ebenso wenig Umweltschäden z.B. an Schutzgebieten. Folge: Die Kosten sind im BVWP systematisch zu niedrig angesetzt. Das bestätigt auch ein von der BI beauftragtes Gutachten für die B 64n. Die Kosten seien in der Realität höher, wenn man die finanziellen Nachteile für die Landwirtschaft sowie realistische Planungs- und Baukosten einbezöge. So seien offiziell nur 86,4 ha eingeplant. Inklusive Ausgleichsflächen gehen die Gutachter aber von 220 bis 300 ha aus. Auf der Nutzenseite seien hingegen alle Vorteile akribisch aufgeführt. Insbesondere verkürze sich die Fahrtzeit rund um Warendorf um sechs Minuten, worüber Bernhard Kremann, landwirtschaftlicher Wildhalter und Vorsitzender der BI, nur den Kopf schütteln kann: „Hunderte Hektar für sechs Minuten – was für ein Wahnsinn!“


Auf Planfeststellung vertröstet:

Verkehrsplaner verweisen darauf, dass die Belange der Landwirte ja im Planfeststellungs- bzw. Flurbereinigungsverfahren einflössen. Zu spät, findet Rinderhalter Markku Esterhues: „Dann ist die NKA unter Annahme zu niedriger Kosten durchgeführt und das Projekt im BVWP.“ Mittlerweile denken Politiker in Warendorf aber scheinbar um. „Die gigantische Straße ist für Traktoren nicht zu befahren, zusätzliche Stras-sen und Brücken wären nötig“, so Franz Stockmann, Nebenerwerbslandwirt und ehemaliges Ratmitglied. Bernhard Kremann ergänzt: „Der Strassenbau nützt Warendorf selbst wenig – im Gegenteil ist damit zu rechnen, dass die neue Strasse zusätzlichen neuen Verkehr regelrecht anzieht!“ Besonders in Rage bringt die Landwirte die Hinhaltetaktik der Verkehrsplaner. „Konkre-te Zahlen zum Flächenverbrauch, geschweige denn zu den Kompensationsflächen, haben wir nicht“, beklagt Franz Stockmann.


Dran bleiben:

Weil sie nicht nur „Verhinderer“ sein wollen, schlagen die Landwirte aktiv Alternativen vor. Zudem will die BI noch mal im Verkehrsministerium in Düsseldorf vorsprechen und mit Hilfe einer Anwältin rechtlich gegen die Planungen angehen. Sämtliche Aktivitäten finanziert die BI aus einer „Kriegskasse“, in die jedes Mitglied jährlich 20 Euro einzahlt.


Was ihre Flächen angeht, wollen sich die Landwirte nicht auf ein Flurbereinigungsverfahren einlassen. „Damit wäre doch ein Flächenverlust vorprogrammiert“, argumentiert Paul Afhüppe.


Kontakt: gesa.harms@topagrar.com

Die Redaktion empfiehlt

top + Letzte Chance: Nur noch bis zum 01.04.24

3 Monate top agrar Digital + 2 Wintermützen GRATIS

Wie zufrieden sind Sie mit topagrar.com?

Was können wir noch verbessern?

Weitere Informationen zur Verarbeitung Ihrer Daten finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.

Vielen Dank für Ihr Feedback!

Wir arbeiten stetig daran, Ihre Erfahrung mit topagrar.com zu verbessern. Dazu ist Ihre Meinung für uns unverzichtbar.