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Immer mehr Auflagen am Gewässerrand

Lesezeit: 8 Minuten

Die Bewirtschaftung an Gewässerrändern wird zunehmend komplizierter, für Ertragseinbußen gibt es nicht immer einen Ausgleich. Wir geben einen Überblick.


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Klar ist: Randstreifen am Gewässer schützen vor Schadstoff- und Nährstoffeinträgen, bilden natürliche vernetzte Lebensräume und bereichern das Landschaftsbild. Doch wie sich Bund und Länder derzeit mit Gesetzesauflagen am Gewässerrand überbieten, empört viele Bauern. Ihre Hauptkritikpunkte sind:


  • Randstreifen kosten Geld: Landwirte zahlen für die Fläche Pacht oder Grundsteuer. Auflagen lassen aber oft Erträge sinken oder wegfallen, gleichzeitig gibt es neue Bewirtschaftungskosten. Oft sinken Verkehrswert und Beleihungsfähigkeit der Fläche, vor allem wenn durch Pflugverbote der Ackerstatus verloren geht und Dauergrünland entsteht. Wird hier nicht entschädigt, fühlen sich Betroffene enteignet.
  • Freiwilligkeit abgewürgt: Wird der Gewässerrandstreifen gesetzlich vorgeschrieben, gibt es dafür in der Regel keine öffentlichen Fördergelder mehr. Auch in Kooperationen mit Wasserwerken oder Naturschutzorganisationen wird es vermutlich kein Geld mehr für Auflagen geben, die Gesetz sind.
  • Rechtssichere Umsetzung schwer: In vielen Bundesländern fehlen für die Landwirte einfach einsehbare Daten, was an den jeweiligen Flächen gilt.


Bei aller Brisanz sind Randstreifen aber längst nicht für jeden Betrieb mit Gewässern ein Thema: Je nach Hängigkeit der Flächen gibt es große Unterschiede in der Betroffenheit. Auch hängt viel davon ab, in welchem Bundesland der Betrieb liegt. Wir haben nachgefragt, welche Regelungen es gibt.


Was bundesweit gilt


Überall gesetzlich geschützt sind Randstreifen an Gewässern über das Wasserhaushaltsgesetz (WHG) des Bundes. Der §38 verbietet im Außenbereich auf 5 m entlang von Gewässern u.a.:


  • Umwandeln von Grün- in Ackerland,
  • Entfernen von standortgerechten Bäumen und Sträuchern,
  • Neuanpflanzen von nicht standortgerechten Bäumen und Sträuchern,
  • den Umgang mit wassergefährdenden Stoffen, erlaubt ist die Anwendung von Pflanzenschutzmitteln und Dünger,
  • die nicht nur zeitweise Ablagerung von Gegenständen.


An Hängen gilt seit Sommer 2019 dazu der neue §38a des Wasserhaushaltsgesetzes. Bei mehr als 5% Hangneigung (ermittelt innerhalb von 20 m zur Böschungskante) müssen Landwirte einen 5 m breiten, dauerhaft begrünten Streifen am Gewässer anlegen, was Ackerbau quasi ausschließt. Einmal im „Fünfjahreszeitraum“ ist eine Bodenbearbeitung zur Erneuerung erlaubt.


Seit 1. Mai 2020 schränkt zusätzlich die Düngeverordnung (DVO) die Stickstoff- und Phosphordüngung an Gewässern ein. Dabei gilt unter anderem: 1m Randstreifen bei weniger als 5% Hangneigung mit Exakttechnik, 3 m Randstreifen bei 5–10% Hangneigung, 5m Randstreifen bei 10–15%, 10 m Randstreifen bei mehr als 15%.


In roten Gebieten erhöhen sich manche dieser Abstände, auch im Flachland sind je nach Technik zusätzliche Abstände zu Gewässern einzuhalten.


  • Auch die Anwendungsbestimmungen für Pflanzenschutzmittel schreiben teilweise Gewässerrandstreifen vor.


Ungleiche Lasten


Viel weiter als die bundesweiten Vorschriften gehen manche Bundesländer. Die Übersicht auf S. 36 zeigt, wo Pflanzenschutzmittel (PSM) und Dünger auf 4 m und mehr verboten sind, die Vorschriften aller Länder finden Sie unter www.topagrar.com/randstreifen2021


Für Landwirte in Baden-Württemberg gilt seit 1.1.2019 auf 5 m entlang von Gewässern ein Verbot von Ackerbau, Pflanzenschutzmittel und Dünger. Eine Entschädigung gibt es nicht, den Ackerstatus kann man über Blühstreifen, Hecken, KUP oder über die ökologische Vorrangfläche (ÖVF) retten. Teils ist allerdings eine Mindestgröße der Flächen Pflicht, z.B. 10 ar. Ein 5 m Streifen müsste also 200 m lang sein. Manche Gemeinden kaufen Randstreifen auch zum Verkehrswert auf.


In Bayern geht man andere Wege. Hier ist ab dem 1.8.2019 auf privaten Flächen nach bayerischem Naturschutzgesetz der Ackerbau auf 5 m am Gewässerrand verboten. Auf staatlichen Flächen verbietet das bayerische Wassergesetz 10 m den Ackerbau sowie den Einsatz von Düngern und Pflanzenschutzmitteln. Für die Einschränkungen sollen die Landwirte künftig eine Entschädigung erhalten: Max. 500 €/ha in den ersten fünf Jahren, danach 200 €/ha. Die Förderung soll es noch für 2020 rückwirkend geben, so das bayerische Staatsministerium für Landwirtschaft. Derzeit laufe noch das EU-Ratifizierungsverfahren. Um den Ackerstatus zu retten, ist in Bayern die Nutzung z.B. als ÖVF-Pufferstreifen möglich.


In Hessen sind seit Mitte 2018 Dünger und Pflanzenschutzmittel auf 4 m entlang Gewässern verboten, die im Geoportal Hessen ausgezeichnet sind. Landwirte können die Streifen aber auf 6 m verbreitern und ab 0,1 ha Flächengröße auf kompletter Breite am Förderprogramm Halm (700 €/ha) teilnehmen, so das hessische Umweltministerium. Ab dem 1. Januar 2022 ist das Pflügen der Gewässerrandstreifen verboten. Wer die Landwirtschaft dort komplett einstellt, erhält einen Ausgleich vom Land.


In Thüringen sind seit 1. Januar 2020 außerorts auf einem 10 m breiten Streifen an Gewässern Pflanzenschutz- und Düngemittel verboten, Ackerbau bleibt erlaubt. Alternativ können sich Landwirte für einen 5 m breiten, ganzjährig begrünten oder mit Bäumen und Sträuchern bewachsenen Streifen entscheiden („Thüringer Optionsmodell“).


Neue Wege in Niedersachsen


Zwei Bundesländer überarbeiten derzeit ihre Landeswassergesetze: In Nordrhein-Westfalen will man zunächst abwarten, wie die Diskussion auf Bundesebene endet und dann das Landeswassergesetz anpassen. Dieses sieht derzeit ab dem 1.1.2022 ein Verbot für Ackerbau, sowie den Pflanzenschutz und Dünger auf einem 5 m-Streifen vor.


In Niedersachsen sind Gewässerrandstreifen Teil des „Niedersächsischen Weges“. Ein Vertrag zwischen Landesregierung, Landvolk, Landwirtschaftskammer, BUND und NABU legt zusätzliche Umweltanforderungen fest, Landwirte erhalten dafür einen finanziellen Ausgleich, dessen Höhe noch nicht feststeht. Das Landeswassergesetz ist dazu bereits geändert, die Gewässerrandstreifen finanzieren sich zum Teil aus erhöhten Wasserentnahmegebühren.


In Schleswig-Holstein sind Pflanzenschutz- und Düngemittel sowie Pflügen verboten auf einem 1 m breiten Randstreifen (§26 LWG) an Gewässern von wasserwirtschaftlich nicht untergeordneter Bedeutung. ▶


Wo Beginnt der randstreifen?


Wo der Randstreifen genau beginnt, bestimmt wie viel produktive landwirtschaftliche Fläche eingeschränkt ist. Als Grenze gilt die Mittelwasserstandslinie oder die Böschungsoberkante, hier muss sich jeder Landwirt selbst informieren.


Schwierig ist zudem, dass die unterschiedlichen gesetzlichen Vorschriften an verschiedenen Gewässern gelten. So gelten die bayerische Landesgesetze z.B. nur an natürlichen Gewässern. Auch bayerische Bauern müssen aber die Bundesgesetze beachten, die weitere Gewässer betreffen. Hier sind für die Praxis online abrufbare Informationen zur Steigung der Fläche und den betroffenen Gewässern erforderlich. Diese sind aber noch nicht überall verfügbar und oft zunächst nicht korrekt – immer wieder müssen die Bewirtschafter mit der Wasserbehörde einzelne Gewässer ausdiskutieren. Die Bundesländer erstellen derzeit Online-Karten, auf denen die Schutzvorschriften abrufbar sein sollen. Im Agrarantrag sind Gewässerrandstreifen dann meist von den Landwirten selbst einzuzeichnen.


Welche Förderprogramme?


Gewässerrandstreifen sind in der Regel EU-prämienfähig, wenn die Mindestgröße erreicht wird. Viele Landwirte nutzen die Randstreifen auch als ÖFV-Pufferstreifen für das Greening.


Agrarumweltprogramme sind je nach Land nutzbar. Es gilt allerdings meist: Was gesetzlich vorgeschrieben ist, lässt sich in der Regel nicht mehr fördern.


Einen Ausgleich findet man nur in wenigen Bundesländern: Etwa in Bayern, wobei das Geld vorerst nur zugesagt ist. Ebenso ist es in Niedersachsen, wo der Niedersächsische Weg derzeit noch in den Verhandlungen steckt. In Baden-Württemberg und Hessen ist es zum Teil auch möglich, den Streifen an die Gemeinde zu verkaufen, wofür den Kommunen auch Fördermittel zur Verfügung stehen.


Was tun mit den Flächen?


Wie die Flächen des Gewässerrandstreifens sinnvoll und kostendeckend zu bewirtschaften sind, fragen sich nicht nur Ackerbauern, die mit Grünland nichts anfangen können. Auch für Futterbaubetriebe ist es schwierig, weil die Arbeitsbreiten nicht zu den Randstreifen passen und die Streifen meist so kleinteilig sind, dass sich die Bewirtschaftung nicht lohnt.


Weitere Randstreifen geplant


Weitere geplante Gewässerrandstreifen auf EU- und Bundes-Ebene sorgen derzeit für heftige Diskussionen:


  • Insektenschutzpaket: Bundesumweltund Bundeslandwirtschaftsministerium haben sich auf Randstreifen von 5 m bei dauerhafter Begrünung oder 10 m ohne Begrünung an Gewässern geeinigt, auf denen künftig Pflanzenschutzmittel verboten sind. Die Länder sollen von diesen Abständen abweichen können. Der Bundesrat muss der Regelung allerdings noch zustimmen.
  • Neue GAP ab 2020: Voraussetzung für die EU-Prämien sind schon bisher und auch künftig u.a. die „Standards für den guten landwirtschaftlichen und ökologischen Zustand“ (GLÖZ). EU-Parlament und deutsche Umweltminister fordern, die bisherigen GLÖZ auszuweiten, bzw. neue festzulegen. Derzeit sind z.B. bis zu 5 m breite Gewässerrandstreifen als Voraussetzung für den Prämienerhalt im Gespräch.


Gewässerrandstreifen an sich sind gut. Derzeit prasseln Auflagen und Verbote aber nur so auf den Grabenrand nieder, und das vielfach auch noch ohne Entschädigung.


Je nach Bundesland entstehen massive reale Einkommensverluste durch die Einschränkungen für Bewirtschafter und Besitzer.


Wirklich dramatisch ist, dass immer neue Gesetze bestehende Kooperationen und freiwillige Vereinbarungen aushebeln. Denn was gesetzlich vorgeschrieben ist, wird meist nicht noch einmal entschädigt. Ein fatales Signal an die Bauern. Und der Natur ist auch nicht gedient: Denn der Erfolg von Schutzbestimmungen hängt auch von der Akzeptanz der Bewirtschafter ab.

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