Einloggen / Registrieren

Startseite

Schlagzeilen
Messen & Termine
Themen
Wir für Euch
Heftarchiv
Sonstiges

Milchpreis Maisaussaat Ackerboden Rapspreis

topplus Aus dem Heft

Insolvenz in Eigenregie: Erhalten statt zerschlagen

Lesezeit: 9 Minuten

Bei einer Insolvenz in Eigenregie führt der Betriebsleiter weiterhin das Unternehmen, anstatt das Steuer an einen Insolvenzverwalter abzugeben. Ziel ist vor allem, den Betrieb zu erhalten. Der Milcherzeugung Molau e.G. in Sachsen-Anhalt ist das gelungen.


Das Wichtigste aus Agrarwirtschaft und -politik montags und donnerstags per Mail!

Mit Eintragung zum Newsletter stimme ich der Nutzung meiner E-Mail-Adresse im Rahmen des gewählten Newsletters und zugehörigen Angeboten gemäß der AGBs und den Datenschutzhinweisen zu.

Im Frühjahr 2016 rauschte der Milchpreis in den Keller. Bei 20 ct/l Milch war eine kostendeckende Produktion für die Milcherzeugung Molau e.G. in Prießnitz, Sachsen-Anhalt, nicht mehr möglich. Innerhalb kurzer Zeit hätte die Genossenschaft die Pacht, Futtermittel und den Tierarzt nicht mehr zahlen können.


Um den Milchvieh- und Ackerbaubetrieb, der seit 1970 besteht, nicht vor die Wand laufen zu lassen, zog der Vorstand der Milcherzeugung Molau am 20.7.2016 die Notbremse: Er beantragte am Amtsgericht Halle (Saale) die Insolvenz in Eigenregie (siehe Übersicht 1). Am Beispiel der Genossenschaft Milcherzeugung Molau zeigen wir Ihnen, wie ein Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung abläuft und was Sie zu beachten haben.


Erhalt des Betriebes:

Laut einer Studie des Manager-Versicherers VOV und des Deutschen Instituts für angewandtes Insolvenzrecht lässt sich etwa jede dritte Betriebsauflösung abwenden, wenn die Unternehmen rechtzeitig die Insolvenz beantragen, um sich zu sanieren. Mit der Insolvenz in Eigenverwaltung will der Gesetzgeber die Betriebe ermutigen, frühzeitig diesen Schritt zu wagen. 2012 hat er die Insolvenzordnung geändert und so die Insolvenz in Eigenverwaltung erleichtert. Der Erhalt des Betriebes war auch der Grund für die Milcherzeugung Molau, die Insolvenz in Eigenregie durchzuführen: „Wir wollten den Standort mit allen Mitarbeitern erhalten“, sagt Benjamin Stelzer, Vorstandsmitglied der Genossenschaft.


Bei einer Eigenverwaltung verfügt anstelle des Insolvenzsverwalters der Betriebsleiter selber über das Vermögen. Trotzdem bleibt das Ziel der Sanierung in Eigenverwaltung, wie bei einer Regelinsolvenz, die Ansprüche der Gläubiger zu befriedigen. Daher gibt es den Sachwalter, meist ein Rechtsanwalt, der den Betriebsleiter kontrolliert. Sein Augenmerk liegt darauf, dass der Schuldner sich im rechtlichen Rahmen bewegt und das noch vorhandene Vermögen erhalten bleibt, damit für die Gläubiger keine Nachteile entstehen.


Gründe für eine Insolvenz:

Ein Unternehmen beantragt meist dann die Insolvenz, wenn es in absehbarer Zeit zahlungsunfähig ist und Rechnungen, Löhne und Tilgungen nicht mehr bezahlen kann. Ein Einzelunternehmen oder eine Personengesellschaft kann in diesem Fall die Insolvenz anmelden, muss es aber nicht. Für juristische Personen (z.B. GmbH oder Genossenschaft) gibt es hingegen eine Pflicht: Sie müssen unverzüglich, spätestens aber drei Wochen nach Zahlungsunfähigkeit, einen Insolvenzantrag stellen. Ansonsten könnten sie sich strafbar machen und unter Umständen mit ihrem persönlichen Vermögen haften.


Antrag stellen:

In der Eigenverwaltung stellt typischerweise der Schuldner den Insolvenzantrag. Dies ist bei Gesellschaften und Genossenschaften der Vorstand. Er stellt den Antrag beim zuständigen Amtsgericht. Das ist in der Regel der Hauptsitz des Unternehmens.


Folgendes kommt im Antrag auf den Schuldner zu:


  • Er listet seine Gläubiger auf.
  • Er muss darlegen, dass er das Insolvenzverfahren auch bezahlen kann. Er beantwortet v.a. Fragen zu seinen Vermögensverhältnissen. Denn für das Gerichtsverfahren und für den Sachwalter entstehen Verfahrenskosten: Der Sachwalter erhält 60% der Vergütung eines Insolvenzverwalters.


Laut Insolvenzordnung bekommt der Insolvenzverwalter je nach Höhe der Insolvenzmasse einen bestimmten Anteil der Insolvenzmasse ausgezahlt. Bis 25000 € verdient er z.B. 40%, bei den nächsten 25000 € bis 50000 € 25%. Dazu kommen noch die Gerichtskosten, die sich nach dem Wert der Insolvenzmasse richten.


Außerdem muss der Schuldner darlegen, dass er alle laufenden Betriebskosten auch während des Verfahrens bezahlen kann.


  • Er muss zeigen, dass die Sanierung sich auch lohnt. Denn die wichtigste Voraussetzung für das Verfahren der Eigenverwaltung ist, dass die Sanierung überhaupt Aussicht auf Erfolg hat. Dazu zeigt der Schuldner die Entwicklung der letzten Jahre auf, analysiert die Krisenursachen und prognostiziert, wie sich das Unternehmen in Zukunft durch die Sanierung entwickeln soll.
  • Der Schuldner kann auch schon den Sachwalter vorschlagen, in der Regel folgt das Gericht diesem. Der Sachwalter muss eine neutrale Person sein und darf nicht mit dem verschuldeten Unternehmen in Verbindung stehen, damit er vor Gericht nicht angreifbar ist.


Rechte der Gläubiger:

Um die Insolvenz in Eigenverwaltung zu beantragen, muss das Unternehmen dem Gericht auch darlegen, dass die Gläubiger keine Nachteile gegenüber einer Regelinsolvenz haben. Das ist z.B. der Fall, wenn sich die Betriebsleitung mit den wichtigsten Gläubigern schon verständigt hat oder der Vorstand sich nachweislich regelmäßig durch Wirtschaftsprüfer, Steuerberater oder Insolvenzspezialisten beraten lässt.


Stimmen die Gläubiger gemeinsam für ein Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung, wird das Gericht dem in der Regel folgen. Deshalb ist es wichtig, die Gläubiger vor der Antragsstellung zu informieren. Dafür sollte der Schuldner schon ein grobes Sanierungskonzept stehen haben, damit die Beteiligten wissen, was auf sie zukommt. Dieses Konzept hat die Milcherzeugung Molau mit den Insolvenzberatern erarbeitet. Gleichzeitig informierte der Vorstand die Gläubiger über die Schritte des Verfahrens. „Wir haben uns regelmäßig mit unseren Gläubigern zusammengesetzt“, erläutert Stelzer die Vorgehensweise.


Vorläufige Eigenverwaltung:

Ist der Antrag gestellt, ordnet das Gericht kurz danach die vorläufige Eigenverwaltung an. Bei Molau war das eine Woche nach der Antragsstellung am 13.7.2016 (siehe Übersicht 1).


Das vorläufige Verfahren dauert in der Regel drei Monate und läuft bis zur Eröffnung der Eigenverwaltung. In der Zeit prüft das Gericht über den Sachwalter, ob das Unternehmen die Voraussetzungen für die Eigenverwaltung erfüllt. Außerdem sind in dieser Zeit alle Verbindlichkeiten des Schuldners erst einmal auf Eis gelegt. Die Gläubiger dürfen keine Zwangsvollstreckungen durchführen.


Eröffnung der Insolvenz:

Wenn das Gericht entschieden hat, dass der Antrag auf Eigenverwaltung berechtigt ist, eröffnet es das Insolvenzverfahren. Bei der Genossenschaft Molau war das der 1.10.2016. Außerdem setzt das Gericht folgende Terminfristen fest:


  • Anmeldefrist: Das Gericht fordert die Gläubiger auf, ihre Forderungen innerhalb von drei Monaten beim Sachwalter anzumelden. Diese listet der Sachwalter in der Insolvenztabelle auf.
  • Berichtstermin: Dieser findet im Regelfall nicht später als drei Monate nach der Eröffnung statt. Hier berichtet der Schuldner im Gericht vor den anwesenden Gläubigern, wie das Konzept für die Zukunft aussieht und welche Sanierungsmaßnahmen er schon ergriffen hat. Dann entscheiden die Gläubiger über die Zukunft des Unternehmens: Fortführung oder Aufgabe des Betriebes und Verkauf der Vermögensgegenstände.
  • Prüftermin: Hier prüfen die Gläubiger vor Gericht die Forderungen aus der Insolvenztabelle nach Betrag und Rang. Im Regelfall legt das Gericht Berichts- und Prüfungstermin zusammen. Das war bei der Milcherzeugung Molau am 21.12.2016 der Fall (siehe Übersicht 1).


Der Berichtstermin entscheidet:

Im Berichtstermin beschließen die Gläubiger, wie es für das Unternehmen weitergeht. Das sind die Möglichkeiten:


  • Sanierung mit Insolvenzplan: Diese Option kommt infrage, wenn der Vorstand das Unternehmen aus eigener Kraft fortführen kann. Dann erfolgt eine Schuldenerlassvereinbarung zwischen dem Unternehmen und den Gläubigern: Im Insolvenzplan erklärt der Schuldner, wie er das Unternehmen von den Schulden befreien will. Er schlägt einen Schuldenschnitt vor. Ebenfalls bestimmt er, welche regelmäßig anfallenden Verbindlichkeiten wie zum Beispiel Telefon-, Miets- oder Arbeitsverträge er kündigen will. Diese kann er ab der Verfahrenseröffnung kurzfristig, einige im Zweifel sofort, beenden.


Der Schuldner sollte im Vorfeld mit den Gläubigern den Schuldenschnitt verhandeln, damit er diese nicht an dem Termin überrascht. Ebenfalls hat er schon die ersten Sanierungsmaßnahmen einzuleiten. Er sollte alle Beteiligten wie z.B. Herdenmanager, Buchhalter oder Molkereien regelmäßig kontaktieren. So kann er klären, wo und wie das Unternehmen Kosten sparen und die Produktivität wieder erhöhen kann.


  • Übertragende Sanierung: In diesem Fall braucht das Unternehmen Kapital von außen. Falls die Banken dem Betriebsleiter keinen Kredit mehr währen, gelingt das über Investoren. Diese steigen dann in das Unternehmen ein.
  • Liquidation: Die letzte Option ist es, das Unternehmen aufzulösen. Dann wird die Insolvenzmasse mittels Insolvenzquote (prozentualer Anteil, der den Gläubigern nach Insolvenzabschluss zusteht) an die Gläubiger verteilt.


Der Vorstand der Milcherzeugung Molau hat sich dafür entschieden, einen Investor mit ins Boot zu holen. Die Genossenschaft hat diesen Investor selbst gesucht und gefunden. Das lief über ein Ausschreibungsverfahren, bei dem sie der Beratungsring unterstützt hat.


Mithilfe des Investors konnte die Genossenschaft alle Gläubiger ausbezahlen. Daher haben diese auch dafür gestimmt, das Insolvenzverfahren zu beenden. Denn bei einer möglichen Auflösung des Unternehmens hätten sie sich mit weniger Geld zufrieden geben müssen.


Experten beauftragen:

Die Kosten für eine Eigenverwaltung belaufen sich zum einen auf die Verfahrenskosten (siehe S. 33), also die Kosten für den Sachwalter und das Gerichtsverfahren. Diese sind bei der Eigenverwaltung geringer, weil der Sachwalter weniger Anteile der Insolvenzmasse erhält als der Insolvenzverwalter bei einer Regelinsolvenz.


Allerdings fallen bei einer Regelinsolvenz keine Beratungskosten an. Dort kümmert sich der Insolvenzverwalter um Aufgaben wie z.B. das Verfahren zu beantragen und mit den Gläubigern und dem Gericht zu verhandeln.


Diese Aufgaben hat bei der Eigenverwaltung der Schuldner, der normalerweise keine Erfahrung hat. Daher sollte er Berater beauftragen, die ihn bei diesen Aufgaben unterstützen. Dann hat das Unternehmen eine realistischere Zukunftsperspektive. Diese Beratung kostet natürlich. Im Gegenzug dazu konnte der Vorstand der Milcherzeugung Molau die Genossenschaft erhalten (siehe Übersicht 2).


Kosten senken:

Heute ist es das vorrangige Ziel der Milcherzeugung Molau, die Milch noch effizienter mit geringeren Kosten herzustellen. „Wir haben die Fixkosten durch die höhere Kuhzahl gesenkt“, nennt Stelzer ein Beispiel. Daneben haben sie unter anderem neue Milchlieferverträge mit den Molkereien ausgehandelt. „Hätten wir die Gläubiger damals nicht von der Rettung des Unternehmens über die Eigenverwaltung überzeugt, wäre die Regelinsolvenz eingetreten. Dann hätten wir unsere Genossenschaft wahrscheinlich nicht retten können“, sagt der Landwirt.


Heute ist es das vorrangige Ziel der Milcherzeugung Molau, die Milch noch effizienter mit geringeren Kosten herzustellen. „Wir haben die Fixkosten durch die höhere Kuhzahl gesenkt“, nennt Stelzer ein Beispiel. Daneben haben sie unter anderem neue Milchlieferverträge mit den Molkereien ausgehandelt. „Hätten wir die Gläubiger damals nicht von der Rettung des Unternehmens über die Eigenverwaltung überzeugt, wäre die Regelinsolvenz eingetreten. Dann hätten wir unsere Genossenschaft wahrscheinlich nicht retten können“, sagt der Landwirt.


Kontakt: maike.schulze-harling@topagrar.com

Die Redaktion empfiehlt

top + Top informiert in die Maisaussaat starten

Alle wichtigen Infos & Ratgeber zur Maisaussaat 2024, exklusive Beiträge, Videos & Hintergrundinformationen

Wie zufrieden sind Sie mit topagrar.com?

Was können wir noch verbessern?

Weitere Informationen zur Verarbeitung Ihrer Daten finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.

Vielen Dank für Ihr Feedback!

Wir arbeiten stetig daran, Ihre Erfahrung mit topagrar.com zu verbessern. Dazu ist Ihre Meinung für uns unverzichtbar.