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KTG Agrar-Pleite: Wer hat jetzt die Flächen?

Lesezeit: 9 Minuten

Was wird aus den rund 45000 ha der insolventen KTG Agrar? Ein Großteil ist offensichtlich an Finanzinvestoren gegangen. Ortsansässige Landwirte kamen nicht zum Zuge.


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R und 45000 ha hat die insolvente KTG Agrar in ihrer „Blütezeit“ bewirtschaftet. Was ist aus diesen Flächen, die überwiegend in Ostdeutschland liegen, nach der Pleite geworden?


Zum Zeitpunkt der Insolvenz Mitte dieses Jahres hat die KTG Agrar in Deutschland rund 23000 ha bewirtschaftet. Davon befanden sich nach Angaben des Insolvenzverwalters etwa 2800 ha im Eigentum, 20200 ha hatte der ehemalige Agrarriese gepachtet. Der Geschäftsbericht für das Jahr 2014 beziffert den Anteil der Eigentumsflächen in Deutschland hingegen noch auf 5400 ha.


Stimmen die Zahlen, dann muss die KTG Agrar im Jahr 2015 und in den ersten Monaten dieses Jahres im großen Stil Flächen verkauft haben – rein rechnerisch bis zu 2600 ha. Gleichzeitig liegt der Verdacht nahe, dass der Agrarkonzern offensichtlich im gleichen Zeitraum auch noch Flächen gekauft und wieder verkauft hat.


Verdacht der Bilanzfälschung:

Auskunft darüber könnte zwar der Geschäftsbericht aus dem Jahr 2015 geben. Doch den gibt es nicht mehr. Die KTG Agrar musste das Papier von seiner Internetseite entfernen. Ein ungewöhnlicher Vorgang für ein börsennotiertes Unternehmen, dass gegenüber seinen Anteilseignern zur Transparenz verpflichtet ist. Allerdings hatten Wirtschaftsprüfer dem Unternehmen Mitte des Jahres das Testat für den Bericht verweigert, weil dieser voller Fehler sei. Sogar der Verdacht der Bilanzfälschung steht im Raum. Die Staatsanwaltschaft Hamburg prüft die Vorwürfe (Stand Anfang Oktober).


Erschwerend kommt hinzu, dass sich die meisten Flächen gar nicht im Eigentum des Konzernes befanden, sondern in den Bilanzen der zahlreichen Tochterunternehmen geführt wurden. Das geht auch aus der Antwort des Bundeslandwirtschaftsministeriums auf eine Kleine Anfrage der Grünen im Bundestag hervor. Die wollten wissen, wie viele Flächen die Bodenverwertungs- und -verwaltungs-GmbH (BVVG) aus Berlin an die KTG Agrar verpachtet oder verkauft hat. Ergebnis: Seit 2005 waren es 1100ha. Weitere 2300 ha hatte die BVVG zum Zeitpunkt der Insolvenz an den Mutterkonzern oder eine seiner Töchter verpachtet (Kasten Seite 36).


Während unserer Recherchen konnten wir uns aber immerhin ein grobes Bild vom Flächenhandel des ehemaligen Agrarriesen verschaffen. Danach hat die KTG Agrar vor der eigentlichen Insolvenz etwa 2800 ha an die MEAG Munich Ergo Assetmanagement GmbH verkauft. Das bislang nicht in der Landwirtschaft tätige Unternehmen ist einer der großen Kapitalverwalter in der EU und managt nahezu das gesamte Vermögen der Versicherer Munich Re und ERGO, insgesamt rund 262 Mrd. €.


Bei der MEAG betrachtet man die Investition in die Flächen als langfristige Kapitalanlage, betonte Firmensprecher Dr. Josef Wild gegenüber top agrar. Die von der KTG Agrar gepachteten Flächen habe man aber direkt wieder an Töchter der KTG-Gruppe weiter verpachtet. Demnach müssten diese Grundstücke Bestandteil des laufenden Insolvenzverfahrens sein.


Viele Puzzleteile:

Mit dem Verkauf an die MEAG lässt sich immerhin der Flächenschwund bei der KTG vor der Insolvenz erklären und er legt auch nahe, dass die KTG im Zeitraum 2015 und in den ersten Monaten dieses Jahres noch Flächen gekauft hat – trotz eines riesigen Schuldenberges von mehreren Hundert Millionen Euro. Denn eigentlich hätte sie nur 2600 ha verkaufen können. Tatsächlich waren es aber 2800 ha. Die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ berichtet zudem über angebliche Verkäufe an den Sohn von Hofreiter. Bestätigen lässt sich das bislang aber nicht.


Nach der Insolvenz hat ein weiterer Investor zugeschlagen: die „Gustav-Zech-Stiftung“. Auch diese war bislang nicht im Agrarbereich aktiv. Die Stiftung ist zwar unabhängig, steht aber im Zusammenhang mit dem Bremer Mischkonzern Zech Group. Dieser wiederum gehört mit zu den größten Bau- und Immobilien-Investoren in Deutschland, betreibt Hotels, entwickelt Umwelttechnologien und beteiligt sich an Industriebetrieben.


Nach Angaben des Insolvenzverwalters hat die Zech-Stiftung die gesamte Agrar-Sparte der KTG Agrar und 50% der KTG Energie (Biogassparte) übernommen – insgesamt etwa 19630 ha Grund und Boden, darunter rund 600 ha Eigentumsflächen der KTG und etwa 19030 ha Pachtflächen (vermutlich einschl. der MEAG-Flächen). Man wolle die Flächen teilweise selber bewirtschaften. Details konnte man uns nicht nennen. Dafür sei es noch zu früh, heißt es bei der Stiftung.


Ein weiterer Standort (Quesitz, 743 ha) ist zudem an einen ehemaligen Mitgesellschafter verkauft worden, der bereits Anteil an dem Standort hatte und nun alleiniger Anteilseigner ist. Offen war hingegen zu Redaktionsschluss noch, was aus dem letzten verbleibenden Standort „Kolberg“ mit ca. 950 ha wird.


Nach Angaben des Insolvenzverwalters gehörten viele Flächen der beiden Standorte (Quesitz und Kolberg) zum Eigentum der KTG Agrar. Selbst wenn die Flächen zu 100% dem Unternehmen gehört haben, ergeben sich noch Ungereimtheiten: Zusammen kommen Quesitz und Kolberg auf 1673 ha, weitere 600 ha ehemalige Eigentumsflächen wurden an die Zech-Stiftung verkauft. Insgesamt haben somit 2273 ha den Eigentümer gewechselt. Zum Zeitpunkt der Insolvenz befanden sich aber noch 2800 ha im Besitz der KTG. Demnach müssen sich weitere Eigentumsflächen in der Insolvenzmasse befinden. Möglicherweise ist das Zahlen-Wirrwarr aber dem Umstand geschuldet, dass selbst der Insolvenzverwalter Schwierigkeiten hat, das Geflecht aus der KTG und ihren bis zu 90 Subunternehmen zu entwirren.


Viele Landwirte fragen sich auch, wie viel die für den Grundstücksverkehr zuständigen Behörden von den Verkäufen und Käufen vor der Insolvenz mitbekommen haben. Sicher hatte der eine oder andere unmittelbar nach der Pleite die Hoffnung, ebenfalls Flächen übernehmen zu können.


Behörden wussten wenig:

Wenn Tausende von Hektar den Besitzer wechseln, sollten eigentlich auch die Genehmigungsbehörden davon wissen. Fakt ist: Viel wissen sie nicht! Eine Sprecherin von Mecklenburg-Vorpommerns Landwirtschaftsminister Dr. Till Backhaus (SPD) sagt dazu auf Anfrage von top agrar: „Die nach dem Grundstückverkehrsgesetz zuständigen Landwirtschaftsbehörden kennen die KTG Agrar nicht als Verkäufer. Als Verkäufer agieren allenfalls Tochterunternehmen. Doch auch über diese haben wir keine Erkenntnisse, dass sie landwirtschaftliche Grundstücke in Mecklenburg-Vorpommern verkauft hätten.“


Das bestätigt auch Karl-Heinz Goetz, Geschäftsführer des Bundesverbandes der gemeinnützigen Landgesellschaften. „Unsere Landgesellschaften in Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt, letztere ist auch für Brandenburg zuständig, haben von den Behörden keine zusätzlichen Fälle zur Prüfung der Ausübung des Vorkaufsrechts im Rahmen des Grundstückverkehrsgesetzes erhalten, die im Zusammenhang mit Flächenverkäufen der KTG Agrar stehen.“


Dies lässt zwei Schlussfolgerungen zu: Entweder haben die zuständigen Behörden entsprechende Flächenverkäufe der KTG Agrar an nicht-landwirtschaftliche Investoren genehmigt, ohne das Vorkaufsrecht der Landwirte ernsthaft zu prüfen. Oder es handelt sich bei den Flächenverkäufen der KTG Agrar um sogenannte Anteilskäufe, bei denen ein Teil oder das gesamte Unternehmen einschließlich der dazu gehörenden Flächen den Besitzer wechseln. Solche Transaktionen sind nach dem Grundstückverkehrsgesetz nicht genehmigungspflichtig.


Der Verkauf an die MEAG wie auch die Zech-Stiftung sind möglicherweise solche Anteilskäufe und wären damit juristisch korrekt abgelaufen. „Agrarstrukturpolitisch ist ein solcher Verkauf aber ein Desaster“, sagte uns ein Bodenmarktexperte, der nicht genannt werden möchte. In Deutschland sei ein Verkauf in dieser Größenordnung einmalig.


Politik schaltet sich ein:

Ob es auch im großen Umfang reine Flächenverkäufe gegeben hat, für die ein Vorkaufsrecht bestand, ist offen. Derzeit gibt es keine Hinweise darauf. Dennoch ist die Politik auf die Vorgänge aufmerksam geworden. So hat das Landwirtschaftsministerium in Brandenburg seine Landkreise kurz nach der Insolvenz der KTG Agrar angewiesen, dem Ministerium alle Verkäufe der KTG Agrar zu melden.


Darüber hinaus mussten die Kreise mitteilen, ob die Verkäufe genehmigungspflichtig waren und wie die Behörden entschieden haben. In einer Stellungnahme gegenüber top agrar heißt es zu den Ergebnissen: „Verkäufe der KTG Agrar SE selbst wurden den unteren Landwirtschaftsbehörden in den Jahren 2014 bis 2016 nicht zur Genehmigung vorgelegt.“ Es habe aber Verkäufe und Käufe von Landwirtschaftsbetrieben oder anderen Betrieben, die zur KTG-Gruppe gehören, gegeben.


Den Gesamtumfang dieser Verkäufe und Käufe, die das Genehmigungsverfahren bei den Landwirtschaftsbehörden durchlaufen haben, beziffert das Ministerium auf rund 3000 ha. „Davon wurden etwa 2400 ha an zur KTG-Gruppe gehörige Landwirtschaftsbetriebe veräußert, ca. 200 ha an einen nichtlandwirtschaftlichen Betrieb der KTG-Gruppe, ca. 350 ha an andere Nichtlandwirte“, heißt es. Nur für 39 ha sei das Vorkaufsrecht ausgeübt worden. Ein „erheblicher Teil“ sei im Landkreis Prignitz verkauft worden. Mehr könne oder dürfe man uns nicht mitteilen.


top agrar wollte daraufhin von einzelnen Landkreisen wissen, was sie von den Vorgängen wussten und hat beispielsweise im Kreis Prignitz nachgefragt. Auf unsere Nachfrage sagte uns eine Mitarbeiterin des Landrats Torsten Uhe (SPD): „Dazu möchten wir uns nicht äußern.“


Länder sind gefordert:

Die KTG-Agrar-Pleite hat auch die Berliner Politik auf den Plan gerufen. Die KTG-Flächen müssten in die Hände „einer bäuerlichen Landwirtschaft gegeben werden“, forderte der Agrarsprecher der Grünen, Friedrich Ostendorff. Dafür gibt es derzeit aber keine rechtliche Handhabe.


Interessant ist allerdings die Antwort des Bundeslandwirtschaftsministeriums (BMEL) auf eine Anfrage der Linken. Darin macht das BMEL deutlich, dass es in der Ausbreitung außerlandwirtschaftlicher Investoren Gefahren für die Bodenmärkte sieht. Diese könnten zulasten der Entwicklung der ortsansässigen Landwirte verzerrt werden. Für strengere Bodengesetze seien aber allein die Länder zuständig. Es gebe dazu rechtliche Möglichkeiten. Das habe eine Bund-Länder-Experten-Gruppe schon 2015 herausgearbeitet (top agrar 4/2015, S. 34). Kein Bundesland habe die Vorschläge bisher aber umgesetzt. Der frühere Landwirtschaftsminister von Sachsen-Anhalt und heutige Staatssekretär im BMEL, Dr. Hermann Onko Aeikens (CDU), hat das in seiner Zeit in Magdeburg versucht. Ist damit aber vor allem am Widerstand des Berufsstandes gescheitert (top agrar 5/2015, S. 36). Dr. Ludger Schulze Pals,Diethard Rolink

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