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Liquiditätsplan: Wo bleibt mein Geld?

Lesezeit: 10 Minuten

Eine gründliche Liquiditätsplanung verschafft Überblick und ist im Ernstfall goldwert. Wir haben erfahrenen Beratern über die Schulter geschaut.


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D er leidige Weg zur Bank – für viele Landwirte war das im vergangenen Dürrejahr die letzte Möglichkeit, um kurzfristig Geld für Futter zu bekommen. Mittlerweile wollen die Banken aber bei größeren Kreditanfragen einen Liquiditätsplan sehen. Wir erklären Ihnen, warum der Liquiditätsplan so wichtig ist und wie erfahrene Berater einen aufstellen.


Der Liquiditätsplan zeigt alle Einzahlungen und Auszahlungen eines Betriebes für einen bestimmten Zeitraum (meist ein Jahr) an. Sind die Auszahlungen dauerhaft höher als die Einzahlungen, ist der Betrieb nicht mehr liquide und er kann die Rechnungen nicht fristgerecht bezahlen. Mit dem Liquiditätsplan überblicken Sie Ihre Geldzu- und -abflüsse, sodass Sie schon frühzeitig reagieren können, falls das Geld knapp wird. Trotzdem ist der Liquiditätsplan nicht nur für Betriebe da, die einen Bankkredit aufnehmen müssen. Auch für anstehende Investitionen ist der Plan hilfreich. Mit ihm können Sie entscheiden, ob Sie mit oder ohne Kredit finanzieren möchten.


Planung bringt Sicherheit


„Das primäre Ziel ist es für jeden Betrieb, die jährlichen Betriebsmittel und die übrigen laufenden Ausgaben aus eigener Liquidität zu leisten. Wer das schafft, kann über die Eigenfinanzierung notwendiger Investitionen nachdenken“, spricht Jörg Claußen von der Landwirtschaftskammer in Schleswig-Holstein aus Erfahrung. Seit 2014 berät er den Milchviehhalter Marcus Rohwer aus Westerrönfeld, Schleswig-Holstein. Für ihn ist ein Liquiditätsplan nichts Neues. Schon bei dem Bau seines Melkzentrums brauchte er für die Nachfinanzierung diesen Plan. Gemeinsam mit seiner Frau Konstanze, einem Auszubildenden und einer Herdenmanagerin im Halbtag bewirtschaftet er einen Milchviehbetrieb mit 240 Kühen und 165 ha Acker- und Futterbau. Seit Rohwers 2011 das Melkzentrum mit Milchkammer und Strohstall neu gebaut haben, erstellen sie regelmäßig einen Liquiditätsplan. „Damals brauchten wir den Plan, weil wir einen Teil der Bausumme nachfinanzieren mussten“, sagt Rohwer.


Einmal im Jahr erstellen die Milchviehhalter gemeinsam mit Jörg Claußen ihren Liquiditätsplan. Sie wollen bewusst den Berater über den Plan gucken lassen. „Wir können sicherlich einen Liquiditätsplan selber aufstellen. Aber ich finde es wichtig, dass noch jemand Erfahrenes von außerhalb auf den Betrieb guckt und unangenehme Fragen stellt. Ansonsten werden wir auf Dauer betriebsblind“, ist sich Konstanze Rohwer sicher.


Wenn die Betriebsleiter das erste Mal einen Liquiditätsplan aufstellen, kann das bis zu vier Wochen dauern. Denn sie müssen sich mit dem Steuerberater, dem Banker und ggf. mit einem Unternehmensberater abstimmen. Auch Rohwers mussten 2015/16 wegen des schlechten Milchpreises einen Kredit aufnehmen. Da sie den Plan schon vorliegen hatten, war das Geld innerhalb weniger Tage auf dem Konto. „Gerade da haben wir gemerkt, wie wichtig der Plan ist. Außerdem war die vorausschauende Planung in dieser schwierigen Zeit haltgebend. Wir wussten ungefähr, wie sich das Konto bewegt und dass es spätestens mit den Prämienzahlungen wieder bergauf geht“, erinnert sich Konstanze Rohwer.


Wie erstelle ich einen Liquiditätsplan?


Unternehmensberater Jan Oke Sacht von der Agrarberatung-Mitte e.V. hat für den Liquiditätsplan ein Grundmodell, das er für jeden Betrieb individuell anpasst. Für den Milchviehhalter Peter Hansen (Name von der Redaktion geändert), der 400 Kühe hält, hat er erstmals einen für das neue Wirtschaftsjahr erstellt (siehe Übersicht Seite 40).


Der Landwirt übermittelt Sacht vorher seine Betriebsdaten. Dazu gehören Flächengröße, Tierzahl, Ernte- und Verkaufsmengen, Futterbedarf, Angaben zu Ein- und Verkaufspreisen gemäß möglicher Kontrakte oder Preisabsprachen (Zahlungstermine), die für den Planungszeitraum anzunehmen sind. Außerdem benötigt Sacht den Geldrückbericht, die Jahreskontenliste und den Finanzkontenrückbericht sowie den Jahresabschluss von der Buchstelle. Aus diesen Daten errechnet Sacht die Ein- und Auszahlungen in der Landwirtschaft für das nächste Wirtschaftsjahr. „Die Preise für die Betriebsmittel nehmen wir aus dem letzten Buchführungsergebnis und passen diese nach aktuellen Prognosen an“, sagt er. Dann teilt der Berater die einzelnen Ein- und Auszahlungspositionen den entsprechenden Monaten zu. Für Kosten wie Tierarzt oder Maschinenunterhaltung, die nicht monatsgenau planbar sind, macht Sacht einen Kompromiss. Diese teilt er gleichmäßig auf die Monate auf. Diese regelmäßigen Kosten haben wir zusammengefasst, um die Tabelle zu komprimieren. Die gesamte Tabelle mit der kompletten Kostenaufteilung ist unter www.topagrar.com/liquiditaetsplanung2019 zu sehen. Dort sind außerdem Excelvorlagen, mit denen Sie selber einen Liquiditätsplan aufstellen können.


Das Milchgeld verteilt Sacht nicht gleichmäßig auf die Monate, sondern passt diese der Kuhzahl an. Dafür fragt er den Betriebsleiter nach den Kalbeterminen der Kühe. „Daran sehe ich, wie viele Kühe in Milch sind und kann die Milchmenge sowie die Kälberverkäufe für die einzelnen Monate abschätzen“, erklärt er. So melkt Hansen im August nur 368 Kühe und im Dezember 438. Da der erwartete Milchpreis im Dezember außerdem um 2 ct/kg steigt, hat Hansen im Dezember 32689 € mehr Milchgeld verdient.


Auch Pachtverträge (Verpächter, Fläche, Laufzeit, Pachtpreis, Zahlungsmodalitäten) und Tilgungspläne will Sacht sehen. Anhand dieser kann er feste Zahlungstermine (Versicherungen, Pachten, Kapitaldienst, Prämien etc.) in den Plan aufnehmen und den Monaten zuordnen. Im Dezember bekommt Hansen beispielsweise die Agrarprämien von 78750 € oder im Januar und Februar fallen die jährlichen Versicherungsprämien für den Betrieb in Höhe von 8824 € und 6955 € an (siehe Übersicht Seite 40).


Neben den betrieblichen Ein- und Auszahlungen beeinflussen auch die privaten Zahlungsströme die Liquidität. Dazu zählen vor allem Lebenshaltungskosten und private Versicherungen, die Hansen berücksichtigen sollte. Er hat beispielsweise einen Standort für ein Windrad verpachtet, für das er jedes Jahr im Dezember 87500 € erhält.


Investitionen kommen auch in den Plan. Denken Sie dabei auch an ungeplante Ersatzinvestitionen. „Fällt das Mähwerk beim ersten Einsatz im Jahr aus und eine Reparatur ist nicht sinnvoll, ersetzt der Betriebsleiter dieses kurzfristig. Ist im Plan ein Betrag dafür vorgesehen, weiß er direkt, ob er dafür einen Kredit aufnehmen muss oder nicht“, nennt Jörg Claußen ein Beispiel.


Ob Hansen nun am Ende des Monats zahlungsfähig ist oder nicht, sieht er an den erwarteten Kontoständen bei der Bank, dem Landhandel etc., nachdem die Ein- oder Auszahlungen für den Monat von den Konten ab- bzw. eingegangen sind. Die Liquiditätsänderung alleine, also nur die Geldzu- und -abflüsse (= Cash Flow), reicht nicht. Neben dem Cash Flow hat der Kontostand des Vormonats, je nach Betrag, einen erheblichen Einfluss auf die Zahlungsfähigkeit. Das zeigt sich bei Landwirt Hansen beispielsweise im Oktober 2019. Dort bleibt das Konto trotz positivem Cash Flow von 27303 € am Ende des Monats bei -79970 € stehen, weil Sacht den Kontostand vom September mit -107273 € noch zum Cash Flow dazurechnet.


Zyklen in der Landwirtschaft


So hat Claußen das 2014 auch bei Rohwers gemacht. Den ersten Plan nutzte er in den darauffolgenden Jahren als Grundgerüst für die neuen Pläne. Jedes Jahr fragt er Rohwers, was sich im Betrieb verändert hat und den Plan beeinflusst:


  • Hat sich die bewirtschaftete Fläche geändert? Haben Rohwers mehr dazu gepachtet oder Fläche verloren?
  • Haben sich die Kuhzahlen erhöht oder verringert?
  • Haben Rohwers Arbeiten an den Lohnunternehmer vergeben?


Diese Änderungen trägt Claußen dann in den aktuellen Plan ein.


Mittlerweile haben Rohwers eine gute Datengrundlage aus ihren Plänen und den Ist-Daten. „Wir können abschätzen, wie sich die Milchmenge entwickelt oder wie viel Kraftfutter, Dünger etc. wir brauchen“, sagt Marcus Rohwer. Er und seine Frau mussten anfänglich ein Gefühl dafür bekommen, ob die Zahlen realistisch sind. Für den ersten Plan haben sie damals vorsichtig gerechnet. „Es ist besser, die Einzahlungen eher niedriger und die Auszahlungen höher anzusetzen als alles schön zu rechnen. Dann stimmt der Plan nicht und ich brauche doch wieder unerwartet mehr Geld“, sagt Claußen. Er erstellt für zwölf Betriebe einen Liquiditätsplan. Je nach Produktionsrichtung besucht er die Höfe zu unterschiedlichen Zeiten. „Der Plan sollte frühzeitig fertig sein, bevor das Tal kommt“, sagt er.


In der Landwirtschaft durchlaufen die Betriebe einen Produktionszyklus. Es gibt Phasen mit geringerer Zahlungsfähigkeit aus der laufenden Bewirtschaftung heraus und Phasen mit Überschüssen.


Bei Milchviehbetrieben stehen monatlich die Milchgeldeinnahmen zu Buche. Allerdings fallen zwischen März und Oktober die Ausgaben für die Grundfuttererzeugung eines Jahres an. Daraus erklärt sich der Zeitpunkt des höchsten Liquiditätsbedarfs im Herbst. Das ist auch bei Hansen der Fall. Ende September ist der Kontostand am geringsten (-107273 €), bevor er im Oktober durch Ernteverkäufe und im Dezember durch Windkraftpacht und die Agrarprämie auf 16365 € steigt. Innerhalb eines Jahres sinkt er bis Juni wieder auf -28024 €.


Daher erstellt Claußen beim Milchviehbetrieb Rohwer den Plan am Anfang des Jahres. „So bleibt für den Betriebsleiter genug Zeit, um sich bis zum höchsten Geldbedarf im Oktober und November mit den möglichen Finanzierungspartnern abzustimmen“, erklärt er.


Bei Ackerbau- und Schweinemastbetrieben kommt er gerne nach der Ernte. Dann stehen die Erntemengen fest und er kann die Einnahmen daraus besser abschätzen. „Ackerbaubetriebe haben den höchsten Geldbedarf im Juni kurz vor der Ernte“, erklärt Claußen. Mit dem Verkauf der Ernte erwirtschaften Ackerbauern den Großteil ihrer Einnahmen. Von dem Erntegeld zahlen sie dann Betriebsmittel, Pachten, den Kapitaldienst und ihre Privatentnahmen für das komplette Jahr.


Ist der Plan realistisch?


Hat Claußen den Plan erstellt, vergleichen er und Rohwers den Plan regelmäßig mit den realen Zahlen im laufenden Jahr. Zweimal im Jahr erstellt Claußen mithilfe der aktuellen Buchführungsdaten einen Soll-Ist-Abgleich. Haben sich bis dahin gravierende Änderungen ergeben, ist der Plan nach vorne anzupassen. 2018 haben Rohwers ihr Jungvieh ausgelagert und die Kuhherde aufgestockt. Die Herde hat sich durch die Umstellung nicht so schnell erholt wie erwartet. „Wir hatten im Soll-Ist-Vergleich 70000 kg weniger Milch als geplant. Dann kam noch der Milchpreis dazu, der war 1,5 ct/kg geringer als gedacht. Dann fehlen aus der Milch schnell 50000 €“, erinnert sich Claußen.


Den Soll-Ist-Vergleich leiten Rohwers auch an ihren Bankberater Hans-Joachim Krambeck von der VR Bank im Kreis Rendsburg eG weiter. So hat er immer ein laufendes Bild über den Betrieb. Ist dann in Zukunft ein möglicher Zahlungsengpass abzusehen, können Rohwers und Krambeck sich frühzeitig abstimmen, um die Liquidität des Betriebes auch in Zukunft zu sichern.


Liquiditätsplanung lohnt sich


Um den ersten Plan zu erstellen, sitzt Claußen ca. acht bis zehn Stunden am Schreibtisch, sodass 1000 € Kosten entstehen. Für die weiteren Pläne ist der Aufwand geringer. Die Kosten belaufen sich dann auf ca. 400 € pro Jahr. „Wenn ich mithilfe der Planung meine Liquidität so steuern kann, dass ich jederzeit zahlungsfähig bin, können die Betriebe Zinsen für unnötige Überziehungen sparen“, sagt Claußen.


Das haben auch Rohwers gemerkt. „Bei unseren Krediten stand meistens Ende März und Ende September die Rückzahlung an. Dadurch entstand eine hohe punktuelle Belastung für unser Konto. Wir haben die Tilgungstermine auf regelmäßigere Termine umgelegt. Ohne Herrn Claußen hätten wir nicht darauf geachtet“, erzählt Marcus Rohwer.


maike.schulze-harling@topagrar.com


maike.schulze-harling@topagrar.com


In der übernächsten Ausgabe erklären wir, wie Sie reagieren können, wenn sich ein Liquiditätsengpass abzeichnet.

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