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Marokkos Master-Plan für die Landwirtschaft

Lesezeit: 7 Minuten

Trockenheit, niedrige Erträge, kleine Strukturen: In Marokko ackern Landwirte unter widrigen Bedingungen. Mit einem milliardenschweren Hilfsprogramm will die Regierung den Agrarsektor nun auf Vordermann bringen.


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Die marokkanische Regierung hat ehrgeizige Ziele. Bis 2020 sollen zahlreiche Bauern mithilfe von Finanzspritzen ihre landwirtschaftlichen Erträge um ein Vielfaches steigern. Welchen langen Weg das Land unter König Mohammed VI. noch vor sich hat, wird jedem deutlich, der Marokko außerhalb der Touristenzentren besucht. Nicht selten streift eine Herde mit einer Handvoll Schafen oder Ziegen durch die weite Landschaft des marokkanischen Landesinneren, sie suchen auf dem an vielen Stellen trostlosen Boden nach Nahrung.


Auch der Tiertransport zeigt, wie sehr sich Deutschland und Marokko unterscheiden: Häufiger knattern Roller über die Straßen, während ein Schaf quer über dem Schoß des Rollerbeifahrers hängt, der engagiert versucht, das Tier zu bändigen. Etwas bequemer haben es die Schafe und Ziegen, welche die Bauern auf dem offenen Pick-up kutschieren – zur Sicherheit sind die Tiere immerhin angeleint.


Schwierige Bedingungen.

Die Landwirtschaft ist für Marokko einer der wichtigsten Wirtschaftszweige. Sie trägt rund 19% zum Bruttoinlandsprodukt bei. Rund 40% der Bevölkerung ist in der Landwirtschaft beschäftigt. Auf dem Land sind es etwa 80%. Marokko zählt 1,5 Mio. landwirtschaftliche Betriebe. Vor Ort gibt es allerdings zahlreiche sehr kleinteilige und dafür wenig produktive Höfe: Über die Hälfte (53%) wirtschafteten 2007 auf einer Fläche von unter drei Hektar, 42% auf drei bis 20 Hektar Land. Es gibt aber auch deutlich größere Betriebe mit über 600 ha, die ihre Erzeugnisse in die ganze Welt exportieren. Neben dem Getreide-, Oliven- und Zitrusanbau ist die Viehhaltung weit verbreitet. Allerdings gibt es vor Ort vorwiegend Rinder, Schafe und Ziegen, da die Marokkaner als Muslime kein Schweinefleisch essen.


Je weiter man ins Landesinnere kommt, desto mehr nimmt der mildernde Einfluss des Meeres ab. In vielen Regionen sind die Sommer daher heiß und trocken mit wenig Niederschlag. Es kann bis zu 45 Grad heiß werden. Daher sind viele Landwirte auf künstliche Bewässerung angewiesen. Aber Wasser ist ein knappes Gut. Nur 1,4 Mio. ha der gesamten Anbaufläche von 9,5 Mio. ha waren 2010 mit Bewässerungsanlagen ausgestattet. Ca. 80% der nationalen Wasserressourcen versickern auf landwirtschaftlich genutzten Böden. Besonders die Obstplantagen können nicht auf den künstlichen Regen verzichten.


Ein ausgeklügeltes Bewässerungssystem besitzen die wenigsten Kleinbauern und haben daher mit den schwierigen Bedingungen zu kämpfen. Wegen des Wassermangels schwanken die Erträge ihrer ohnehin kleinen Flächen stark. Erschwerend kommt hinzu, dass die Grundwasserspiegel sinken. Das Einkommen der Bauern ist gering, die Landflucht weit verbreitet.


Der Plan:

Das Land erkannte, dass eine eingehende Analyse des Agrarsektors notwendig ist, „um ihn den sich verändernden globalen Marktbedingungen und unseren lokalen Lebensbedingungen anzupassen“, so Mohammed ElGuerrouj, Direktor des Amtes für Agrarentwicklung. Umfassende Veränderungen mussten her. Im Jahr 2008 erstellte das Land daher den „Plan Maroc Vert“, der die örtliche Landwirtschaft und den vor- und nachgelagerten Bereich modernisieren soll. Bis zum Jahr 2020 sollen rund 13 Mrd. € – staatliche und private Gelder – in Marokkos Landwirtschaft und den Agrarsektor fließen.


Der Plan besteht aus zwei Säulen. Im Rahmen der ersten Säule profitieren die größeren marokkanischen Betriebe. Das Land möchte sie weiter fördern und hin zu einer international wettbewerbsfähigen und modernen Landwirtschaft professionalisieren.


In der zweiten Säule erfahren die Kleinbauern Unterstützung, die mit geringen Erträgen und ungünstigen Anbaubedingungen zu kämpfen haben. Das Land will ihnen dabei helfen, ihre Produktion auszubauen und die erzeugten Produkte besser am Markt abzusetzen. Der Plan: Die bis dato kleinstrukturierte Produktion gewinnt an Effizienz und das Einkommen der Bauern steigt. So will die Regierung der Landflucht entgegenwirken und die ländliche Entwicklung fördern. Dazu sollen weiterhin durch den Aufbau einer modernen Verarbeitungsindustrie neue Arbeitsplätze entstehen. Auch die veralteten Infrastrukturen möchte das Land weiter ausbauen, die Mitarbeiter im Agrarsektor aus- und weiterbilden und den technischen Stand verbessern.


Der „Plan Maroc Vert“ würde jedoch nicht ohne Rücksichtnahme auf die landwirtschaftliche Vielfalt und die jeweiligen agrarstrukturellen Gegebenheiten funktionieren. Daher gibt es für jede der 16 Regionen Marokkos einen lokalen Plan mit spezifischen Zahlen und Zielen. Da die Wasserknappheit jedoch in vielen Regionen eine Herausforderung darstellt, ist die Schonung der Wasserressourcen ein übergeordnetes Ziel. Landwirte können mit finanzieller Unterstützung rechnen, wenn sie eigene Brunnen bohren oder ihre vorhandenen Bewässerungssysteme verbessern – also wenn sie beispielsweise auf Tröpfchenbewässerung umstellen. Viele Betriebe bewässern ihre Pflanzen mithilfe einfacher Gießschläuche, hierbei ist der Wasserverbrauch aber sehr hoch. Die Tröpfchenbewässerung ist wesentlich effizienter, da die Bauern den Pflanzen kontinuierlich nur geringe, auf den Verbrauch der Pflanze abgestimmte Wassermengen zur Verfügung stellen.


Um den Wasserverbrauch zu reduzieren und die Wirtschaftskraft der Bauern zu stärken, rät das Amt Getreideanbauern, die in einer eher trockenen Region wirtschaften, zudem z.B. zur Olivenproduktion. Denn die Bäume benötigen weniger Wasser und kommen mit Niederschlagsschwankungen besser zurecht.


Die Bauern müssen die Umstrukturierung ihres Betriebes aber nicht allein bewerkstelligen. Die ONZA, das nationale Büro für Agrarberatung, betreut sie: „Hierbei handelt es sich ebenfalls um eine Struktur, die wir neu geschaffen haben. Wir haben also Leute von uns vor Ort, um die Landwirte dort zu unterstützen“, erklärt der Direktor des Amtes für Agrarentwicklung das neue System. Die Bauern bekommen die Produktionsfaktoren gestellt und das Büro für Agrarberatung hilft ihnen bei der technischen Umsetzung.


Positive Zwischenbilanz.

Die ersten Erfolge des Planes sind zu erkennen. Die Produktion steigt. Das zeigt der Getreideanbau: Auf einigen Flächen lagen die Erträge nur bei 0,5 t/ha. Insgesamt habe man bereits 1 Mio. ha Anbaufläche identifiziert, auf denen sich der Getreideanbau einfach nicht lohnt. Davon werden heute 500000 ha nicht mehr mit Getreide bestellt. Entsprechend sind die Erträge von 10 auf 14 dt/ha gestiegen (Übersicht 2). Auf den ehemaligen Getreideflächen, stehen nun beispielsweise Olivenbäume: 2008 produzierte das Land 804000 t Oliven, 2015 waren es rund 1,4 Mio. t. Auch die produzierte Milch- und Fleischmenge stieg an (Übersicht 2). Im Vergleich zu 2008/2009 konnte Marokko die Produktion von Agrarprodukten insgesamt um 45% erhöhen. Entsprechend ist auch der Export in die Höhe geklettert: Von 2008 zu 2015 verzeichnete das Land insgesamt ein Plus von etwa 20%.


Die Steigerung der Produktion wie auch die neu geschaffenen Verarbeitungszentren auf dem Land führen dazu, dass das Einkommen der ländlichen Bevölkerung seit dem Jahr 2008 um 49% gestiegen ist. So erhöhte sich das Einkommen der Bauern beispielsweise um fast 1000 Euro pro Jahr. Auch die Landflucht wurde gestoppt. Die Verteilung der Bevölkerung zwischen Stadt und Land sei gegenüber 2008 unverändert, so ElGuerrouj.


Mit dem bisherigen Erfolg gibt sich das Land jedoch noch nicht zufrie-den. Marokko will sich zu einer der modernsten Landwirtschaftsregionen Nordafrikas entwickeln und das Einkommen der Bauern weiter steigern.Unter anderem durch einen standortgerechteren Anbau von Kulturen: Die Getreideanbaufläche soll noch weiter schrumpfen und zwar auf 4 Mio. ha, dafür aber der Ertrag auf 7,6 Mio. t steigen. Das wäre ein Plus gegenüber 2008 von 43%. 19 dt/ha sind das Ziel. Das geht jedoch unter anderem nur mit entsprechendem Düngereinsatz. Der Plan: Bis 2020 soll dieser um bis zu 50% steigen (Übersicht 2).


Auch die wassersparende Tröpfchenbewässerung will das Land weiter ausbauen. Bis 2020 sollen weitere 292000 ha an dieses System angeschlossen werden. Ebenfalls ambitioniert sind die Pläne bei der Milchproduktion: 2020 rechnet das Land mit einer Milchleistung von 2900 Litern pro Kuh und Jahr – 2008 waren es weniger als die Hälfte. Zudem wollte die Regierung das Bruttoinlandsprodukt des Agrarsektors bis 2020 auf 10 Mrd. € steigern. Dieses Ziel hat Marokko aber bereits fast erreicht (Übersicht 2).


Für Deutschland wichtig:

Der Anteil marokkanischer Agrar- und Ernährungsgüter beträgt etwa 20% am Gesamtexport des Landes. Wichtigster Handelspartner Marokkos ist die Europäische Union – sowohl für Importe als auch für Exporte. Zu Deutschland bestehen enge Handelsbeziehungen. Insgesamt importierte Deutschland im Jahr 2014 Agrar- und Ernährungsgüter im Wert von 221 Mio. € aus dem nordafrikanischen Land. Der größte Anteil fällt auf den Import von Gemüse, Obst und Fisch.


Marokko ist aber auch ein verlässlicher Abnehmer deutscher Agrarprodukte. In das Land flossen im Jahr 2013 Güter im Wert von 279 Mio. €. Besonders wichtig ist der Export von Weizen (84,2 Mio. €), pflanzlichen Ölen und Fetten (79,5 Mio. €) sowie Rindern (8,9 Mio. €). Immerhin ist Marokko nach Algerien wichtigster afrikanischer Abnehmer von deutschen Zuchtrindern.Maria Meinert

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