Einloggen / Registrieren

Startseite

Schlagzeilen
Messen & Termine
Themen
Wir für Euch
Sonstiges

Stilllegung 2024 Agrardiesel-Debatte Bürokratieabbau

Aus dem Heft

Milchförderung: Wo bleibt das Geld der Bauern?

Lesezeit: 7 Minuten

Die bayerischen Milcherzeuger zahlen jedes Jahr fast 4 Mio. € in den Milchförderungs-fonds ein, um sich gegen Tierseuchen abzusichern. Aber der Großteil der Mittel fließt in andere Kanäle. An der Basis wächst die Kritik.


Das Wichtigste aus Agrarwirtschaft und -politik montags und donnerstags per Mail!

Mit Eintragung zum Newsletter stimme ich der Nutzung meiner E-Mail-Adresse im Rahmen des gewählten Newsletters und zugehörigen Angeboten gemäß der AGBs und den Datenschutzhinweisen zu.

Das Konstrukt wirkt auf den ers-ten Blick wie ein Erfolgsmodell: Die Zahl der Einzahler ist seit 2012 um mehr 2000 gestiegen, die Einnahmen um 450000 € auf fast 4 Mio. €. Und fast immer haben die Einnahmen die Ausgaben übertroffen. Und doch wächst bei den Betroffenen die Kritik.


Die Rede ist vom Bayerischen Milchförderungsfonds (MFF), der vor knapp 50 Jahren vom Bayerischen Bauernverband (BBV), vom Genossenschaftsverband Bayern und vom Verband der Bayerischen Privaten Milchwirtschaft eingerichtet wurde. Das Ziel: Die Stabilisierung und Verbesserung des Einkommens der Milcherzeuger.


Die Einnahmen sind reine Bauerngelder. Bayerische Milcherzeuger zahlen auf freiwilliger Basis 0,05 ct/kg Anlieferungsmilch in den MFF ein. Da sich über 90% der Milcherzeuger beteiligen, fließen jedes Jahr fast 4 Mio. € in diesen Topf.


Hilfen bei Tbc und MKS:

Der Zu-spruch ist deshalb so hoch, weil der MFF auch Schäden bei Tierseuchen absichert. Die Einzahlung in den Milchförderungsfonds ist Voraussetzung für die Erstattung von Milchgeldausfällen bei Tuberkulose (Tbc) und Maul- und Klauenseuche (MKS).


Bei einem Tbc-Fall erstattet der MFF 80% des Milchgelds für bis zu 112 Tage. Als die Tierseuche vor drei Jahren im Allgäu wütete, schlossen sich deshalb viele Milcherzeuger, die bis dahin außen vor waren, dem Fonds an.


Bei einem MKS-Ausbruch zahlt der MKS-Hilfsfonds 80% des Milchgeldausfalls vom 8. bis zum 50. Tag der Sperre – allerdings nur, wenn der Betrieb seinen Beitrag an den MFF abgeführt hat.


Grund: Der dreizehnköpfige Verwaltungsausschuss des MFF, der auch über den MKS-Hilfsfonds bestimmt, hat beide Fonds eng miteinander verknüpft. Der 1998 gegründete und zunächst von Molkereien und Milcherzeugern finanzierte MKS-Hilfsfonds erreichte bereits Ende 2003 sein ursprünglich angepeiltes Gesamtvolumen von 20 Mio. €.


Die weitere Aufstockung des Hilfsfonds speist sich seitdem fast aus-schließlich aus den Zahlungen des MFF. Bis Ende 2013 erreichte der MKS-Hilfsfonds ein Volumen von 30 Mio. €, obwohl seit 2011 jährlich nur noch 50000 € vom MFF in den Hilfsfonds überwiesen wurden (siehe Übersicht).


Nur 1,3% fließen in MKS-Fonds.

Das bedeutet: Von den jährlich knapp 4 Mio. € Einzahlungen der Milcherzeuger in den MFF gehen derzeit nur noch 1,3% in die Rücklagen der MKS-Vorsorge. Nicht wenige Einzahler rea-gieren darauf mit Unverständnis. „Wenn genug Geld vorhanden ist, warum stellt man den Fonds dann nicht beitragsfrei“, fragt etwa ein Vorstandsmitglied einer Liefergenossenschaft aus Südbayern. Der Milcherzeuger kritisiert außerdem, dass im Falle eines Austritts für einen Landwirt oder eine Liefergruppierung alles bisher in den MFF einbezahlte Geld verloren ist.


Vorsitzende von Milcherzeugergemeinschaften (MEG) bzw. -genossenschaften beklagen auch „mangelnde Transparenz“ seitens des MFF. „Wenn man nicht intensiv nachfragt, bekommt man keine Informationen“, ärgert sich Stefan Gehring, Vorstandsvorsitzender der Allgäuer Bergmilch eG.


„Keine Zahlen erhalten”:

Ein MEG-Vorsitzender aus Oberbayern berichtet, dass er trotz Nachfrage keine Zahlen erhalten habe. „Meine Mitglieder erwarten zu Recht, dass ich Ihnen be-richte, wie ihr Geld verwendet wird. Doch wie soll ich aufklären, wenn ich selbst keine Informationen bekomme?“, entrüstet sich der Landwirt.


Die Bauern interessiert vor allem, was mit ihrem Geld passiert. Wie die letzten Einnahmen-Ausgaben-Rechnungen des MFF zeigen, fließen jährlich rund 2 Mio. € und damit etwa die Hälfte der Beiträge der Milchbauern in die Exportförderung bayerischer Molkereien.


Dieses Instrument wurde eingeführt, als Exporte allgemein noch schlecht versicherbar waren. Die Zuteilung der Mittel an die Molkereien erfolgt pau-schal nach dem Wert der Exporte – unabhängig von der Art des Produktes und der Zielregion.


Obwohl die Absatzförderung ausdrücklich als Zweck im Statut des MFF genannt wird, stößt die Exportförderung auf Kritik. „Warum zahlen nicht auch die Molkereien in diesen Topf ein“, fragt Erich Pilhofer, Vor-sitzender der MEG Sulzbach.


Doch auch bei Molkereivertretern sind diese Gelder umstritten. „Mittlerweile sind Exporte viel besser versicherbar, so dass wir auf diese Förderung nicht mehr angewiesen sind“, gibt ein Vertreter einer baye-rischen Privatmolkerei offen zu.


Günther Felßner, Vizepräsident des Bayerischen Bauernverbandes und Vorsitzender des Verwaltungsausschuss des MFF, hält die Exportförderung für sehr wichtig, das Gießkannenprinzip aber für nicht mehr zeitgemäß. „Wir müssen die Mittel künftig viel zielgerichteter und effizienter einsetzen“, fordert Felßner (siehe Interview S. 10). Inzwi-schen wurde im Verwaltungsausschuss des MFF eine Strategiegruppe einge-richtet, die Vorschläge für eine Reform der Exportförderung erarbeiten soll.


230000 € fließen an BBV:

Ein weiterer Ausgabenblock sind die Werbemaßnahmen. Der MFF finanzierte in den letzten Jahren damit vor allem die Kampagne „Meister der Vielfalt“, in der ausgewählte Milcherzeuger und Molkeristen die Herstellung von Milchprodukten erläutern.


Umstritten ist der jährliche Förderbeitrag für den Bayerischen Bauernverband (BBV) von 230000 €, den der MFF zusätzlich zur Erstattung der Verwaltungskosten in Höhe von 60000 bis 70000 € pro Jahr zahlt. BBV-Vizepräsident Felßner begründet dies vor allem mit der politischen Arbeit, die der BBV für die Milchbauern leistet.


Das überzeugt jedoch vor allem die Erzeugergruppierungen, die dem Bauernverband kritisch gegenüberstehen, nicht. „Durch die Quersubventionierung des BBV entwickelt sich der Milchförderungsfonds immer stärker zum Bauernverbandskonto“, kritisiert etwa Georg Bauer, Vorstandsvor-sitzender des Milchhof Miesbach. Auf Unverständnis stößt bei Erzeugervertretern auch, dass laut Statut im Falle einer Auflösung des MFF das Restvermögen an den BBV übergeht. Dieses belief sich Ende 2014 auf ca. 4,4 Mio. €.


Ebenso kritisch sieht Bauer, dass der MFF seit 2015 jährlich bis zu 350000 € an den BBV-nahen Verband der Milcherzeuger in Bayern (VMB) zahlt und der neugegründeten Bayerischen Milch-Beratungs-GmbH (BMB) eine Anschubfinanzierung von 500000 € gewährt. Ohne die Gelder des Milchförderungsfonds wäre der VMB am Ende, weil die Förderung über die Milchumlage in der bisherigen Form nicht mehr zulässig ist.


MEGs suchen Alternativen.

Die Milchhof Miesbach e.G. mit seinen 350 Mitgliedern führt deshalb seit 2015 keine Beiträge mehr an den MFF ab und hat stattdessen bei ei-nem Agrar-Versicherer eine Milchgeld-Ausfallversicherung für seine Mitglieder abgeschlossen. „Der Beitrag ist zwar um 18,5% höher als die Abgabe an den MFF. Aber dafür erstattet der Versicherer 100% des Milchgelds für einen Zeitraum von 84 Tagen, und zwar für alle anerkannten Tierseuchen“, schildert Bauer die Konditionen.


Mittlerweile suchen weitere Erzeugerorganisationen nach einer alternativen Absicherung zum MFF. „Die Mitgliederversammlung hat uns beauftragt, eine Versicherung zu suchen, die ähnlich wie der Milchförderungsfonds entschädigt, mit dem Ziel aus diesem auszutreten“, berichtet zum Beispiel Hans Grassl, Vor-sitzender der MEG Milchvermarktung Oberpfalz.


Reform gefordert:

Doch nicht alle Kritiker des MFF möchten so weit gehen, sie drängen jedoch auf eine umfassende Reform des Fonds. Aus Sicht von Erich Pilhofer müssen die Milchliefer-organisationen mehr Ent-scheidungsbefugnisse bekommen: „Die Erzeugerorganisationen sollten über die Zusammensetzung des Ver-waltungsausschusses allein bestimmen“, fordert der MEG-Vorsitzende. Der Verwaltungsausschuss des MFF setzt sich zurzeit aus fünf Vertretern der Erzeuger und je vier der genossenschaftlichen und privaten Molkereien zusammen (siehe Kasten Seite 8).


Die Unterstützung des VMB und der Beratungs-GmbH durch den MFF findet Pilhofer sinnvoll, weil die MEGs von den Bera-tungsleistungen dieser Organisationen profitieren. Er plädiert sogar für eine dauerhafte Unterstützung der Beratungs-GmbH: „Dann sollten deren Leistungen aber kostenlos für die MEGs sein, die in den Fonds einzahlen.“


Im Interview auf Seite 10 bezieht der Verwaltungsaus-schuss-Vorsitzende Günther Felßner Stellung zu den Kritikpunkten.


Klaus Dorsch

Die Redaktion empfiehlt

top + Letzte Chance: Nur noch bis zum 01.04.24

3 Monate top agrar Digital + 2 Wintermützen GRATIS

Wie zufrieden sind Sie mit topagrar.com?

Was können wir noch verbessern?

Weitere Informationen zur Verarbeitung Ihrer Daten finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.

Vielen Dank für Ihr Feedback!

Wir arbeiten stetig daran, Ihre Erfahrung mit topagrar.com zu verbessern. Dazu ist Ihre Meinung für uns unverzichtbar.